Staudämme und Energiepflanzen boomen im Einzugsgebiet der Donau
Im gesamten Donau-Einzugsgebiet sind Tausende von neuen Staudämmen geplant. Dabei geht es um viel Geld, um die Produktion von teurem sogenanntem „Ökostrom“, der angeblich das Klima retten soll. Zugleich schreitet der Anbau von Energiepflanzen massiv voran. Die Entwicklung bedarf der Korrektur: Natur- und Gewässerschutz müssen gleichrangig neben Klimaschutz sein.
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Von Gerhard Nagl
In Deutschland, wo wir schon viele Tausend Wasserkraftwerke haben, führt eine Energiewende, die das Klima schützen soll, dazu, die Revitalisierung von Flüssen zu einem naturnahen Zustand zu verhindern, viele kleinere Fließgewässer zu fixieren, bestehende Staue zu erhöhen und damit freie Fließstrecken weiter zu reduzieren. In Österreich soll das Flussnetz außer in den beiden Nationalparks fast im gesamten Land ausgebaut werden. Statt in diesen beiden Ländern Flüsse wieder mehr fließen zu lassen und einen guten ökologischen Zustand wenigstens auf größeren Abschnitten von Flüssen wieder herzustellen, wie es die Europäische Wasserrahmenrichtlinie unmissverständlich erfordert, werden nun sogar neue, zusätzliche Staueinrichtungen gebaut. Wie soll es damit bedrohten Fischarten, wie Huchen (Hucho hucho) und Schrätzer (Gymnocephalus schaetser), in Zukunft besser gehen – beides Arten des Anhangs II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, also europarechtlich besonders geschützt?
In den anderen Ländern des Donau-Einzugsgebiets existieren vielfach noch lange Strecken von naturnahen Flüssen. Doch auch diese sind nun durch die neuen Ziele der Politik und Energiewirtschaft bedroht. Bulgarien und Rumänien wollen die untere Donau mit zwei neuen Staudämmen zerstören, was für mehrere weltweit bedrohte Arten von Stören das Aus bedeuten würde. Die Save, der wasserreichste Zufluss der Donau, soll in eine Kette von Staudämmen verwandelt werden, ebenso ist die Zerstörung der südlichen Donau-Zuflüsse Ibar und Velika Morava, wunderbare Gebirgsflüsse, mit einer Kette von mindestens 15 Staudämmen geplant.
In den Gebirgen des Balkans investieren Stromkonzerne Milliarden, um Flüsse in Ströme von Geld zu verwandeln. Nachdem die Flüsse in West- und Mitteleuropa weitgehend verbaut sind, sucht die Wasserkraftsparte nach neuen Anlagemöglichkeiten. Die Politik des europäischen Strom-Binnenmarktes soll dafür sorgen, dass in Zukunft teurer „Ökostrom“ aus zerstörten Gebirgsflüssen auch in Mitteleuropa verkauft werden kann.
Das Donau-Einzugsgebiet ist noch das artenreichste Flusssystem Europas. Warum wird es nicht bewahrt oder in seinen stärker geschädigten Teilen wieder renaturiert, was europäische Wasserrahmenrichtlinie und Biodiversitätspolitik eigentlich zum Ziel haben (sollten)? Sie drohen den Zielen des Klimaschutzes geopfert zu werden.
Legitimationsgrundlage ist die europäische Richtlinie zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Ausbau der Wasserkraft ist dabei zwar keine Pflicht, wird aber von fast allen Staaten stark gefördert. Die Zerstörung der Flüsse des Donau-Einzugsgebietes rettet aber nicht vor der Klimaerwärmung, die nicht zuletzt durch ungebremste globale Wachstumsprozesse, Abholzung von tropischen Wäldern und Intensivierung der Landwirtschaft weiter angeheizt wird. Im Gegenteil: Naturnahe Flüsse und Auen mildern die Folgen der Klimaerwärmung mit zunehmenden Niedrig- und Hochwasser-Ereignissen.
Die Zerstörung der Flüsse wird durch Begriffe wie „Ökostrom“ oder „sauberer Strom“ verharmlost. Da die Zerstörung nicht einfach sichtbar ist, wird von den am Ausbau Interessierten der Eindruck vermittelt, die Eingriffe in Flussökosysteme wären ausgleichbar, der weitere Ausbau könne „nachhaltig“ erfolgen. Flüsse sind aber dynamische Systeme, die die Kraft des Wassers und die Strömung als ökologische Grundkomponenten brauchen. Im Schlamm eines Staudamms, der zudem das Klimagas Methan enthält, können sich strömungsliebende Fische nicht mehr vermehren, auch nicht im Schwallbetrieb, ganz zu schweigen von den Fisch-Schäden durch Turbinen und an den Rechen der Einläufe. Staudämme nivellieren aber vor allem auch die laterale Gewässerdynamik und tragen damit wesentlich zur Zerstörung von Auen und Uferbiotopen bei.
Zeitgleich zerstört der Boom des Energiepflanzen-Anbaus, insbesondere von Mais, zunehmend Bach- und Flussökosysteme, gefährdet die Biodiversität aber auch fern von Gewässern. Mit dem Maisanbau steigt die Erosion von Fein-Sedimenten in die Gewässer. Dort werden die Poren des Kies-Gewässerbettes verstopft, das die Kinderstube für Fische und Muscheln ist. Die starke Ausbreitung von Energiemais verstärkt die Intensivierung auf den restlichen landwirtschaftlichen Flächen. Viele Wiesen werden für den Maisanbau umgebrochen. Das Lachgas aus Umbruch und Intensivierung von Wiesen ist 298-mal wirksamer für die Klima-Erwärmung als Kohlendioxid, das ebenfalls freigesetzt wird. Der hohe Verlust an Biodiversität in der Mais-Landschaft setzt wiederum die Resilienz der Ökosysteme in der Erwärmung des Klimas herab.
Ob Wasserkraft oder Biomasse: Es geht nicht um Klimaschutz oder um ein nachhaltiges System von Energieerzeugung und -nutzung. Unter dem Deckmantel missbrauchter Begriffe wie Klimaschutz und Ökologie wird eine immer totaler werdende Naturzerstörung im Donauraum vorangetrieben. Die Donau ist aber Europas wichtigste Biotop-Verbundachse, die es für zukünftige Generationen zu erhalten gilt.
Wir brauchen eine Klimaschutzpolitik, die nicht Flüsse und Biodiversität zerstört. Eine mächtige Lobby hat es geschafft, einen nicht nachhaltigen Umgang mit der Natur als „ökologisch“ zu verkaufen. Das Donau-Einzugsgebiet braucht jedoch eine Strategie des Schutzes der natürlichen Ökosysteme, eine Biodiversitäts-Strategie, die wichtige Ökosystem-Dienstleistungen für die Zukunft sichert, die aber auch dazu dient, bereits unaufhaltsame Folgen der Klimaentwicklung abzufedern.
Auf Deutschland bezogen heißt dieses, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so umzubauen, dass es sich am Naturschutz orientiert und schädliche Entwicklungen für den Natur- und Gewässerschutz stoppt. Ziel der Energiewende sollte ein nachhaltiges Energiesystem sein. Erneuerbare Energien sind nicht einfach „Ökostrom“. Bei der Reform des EEG sollten Naturschutz und Gewässerschutz entscheidende Kriterien sein: Statt eines weiteren Ausbaus der Wasserkraft und statt weiterer „Vermaisung“ der Landschaft müssen jetzt die Grundlagen einer grünen Infrastruktur an den Flüssen und in der offenen Landschaft in Angriff genommen werden.
Anschrift des Verfassers: Gerhard Nagl, M.A., Sprecher Danube Environmental Forum (DEF), Martin-Luther-Straße 14, D-94469 Deggendorf, E-Mail gerhard.nagl@donaufluss.de.
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