Das Umweltschadensgesetz harrt der Anwendung
Das Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz – USchadG) existiert seit 2007. Es setzt die EG-Richtlinie über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden um. Sechs Jahre später harrt es noch immer seiner Anwendung – ein vergessenes Vollzugsdefizit?
- Veröffentlicht am
Von Erich Gassner
Nach den Maßgaben des USchadG sind gemäß § 19 BNatSchG insbesondere die europäischen Vogelarten der Vogelchutz-Richtlinie, die Arten der Anhänge II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie deren Lebensräume zu schützen. Der Schutz umfasst die Abwehr von unmittelbaren Gefahren, die Schadensbegrenzung und die Sanierung eingetretener Schäden.
Verpflichtet werden alle, die den Schaden im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit vorsätzlich oder fahrlässig verursachen. In Bezug auf Gewässer- und bestimmte Bodenschäden muss nicht einmal Verschulden vorliegen. Ist ein bestimmtes Vorhaben genehmigt worden, dann entfällt die Verantwortlichkeit bzw. Haftung nur, wenn der Schaden vorhergesehen – beispielsweise in der UVP ermittelt – worden und dennoch, also sehenden Auges, genehmigt worden ist (Näheres bei Gassner & Schemel 2012).
Bislang ist die Haftung nach dem USchadG, soweit ersichtlich, noch nicht eingefordert worden. Das mag daran liegen, dass öffentliche Interessen geschützt werden, der deutsche Gesetzgeber aber Klagen anerkannter Vereinigungen praktisch verhindert hat. Erst das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom Mai 2011 hat das Hindernis – in dem insoweit maßgebenden Umweltrechtsbehelfs-Gesetz – beseitigt. Das geänderte Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG; vom 21.01.2013) verlangt nicht mehr, dass sich die Vereinigung auf eine Norm berufen muss, die Rechte Einzelner begründet, wie dieses etwa das Eigentum tut.
Natur und Landschaft sind heute mehr denn je auf Schutz angewiesen. Deshalb sollten die anerkannten Vereinigungen ihren satzungsmäßigen Aufgabenbereich ausschöpfen und ihre insoweit hoheitlich anerkannte Sachwalterschaft zur Abwehr aller Schädigungen der o.g. Arten und Lebensräume einsetzen, sei es, dass Schäden unmittelbar drohen oder bereits eingetreten sind. In Betracht kommen beispielsweise Abgrabungen, Baumaßnahmen, schädliche Bodenveränderungen, schädliche Umwelteinwirkungen über den Luftpfad, schädliche Gewässerveränderungen, spezifische Auswirkungen land-und forstwirtschaftlicher Maßnahmen, aber auch Sport- und Freizeit-Aktivitäten in der Landschaft.
Die anerkannten Vereinigungen können die zuständige Verwaltungsbehörde gemäß § 10 USchadG zur Durchsetzung der Vermeidungs- und Sanierungspflichten auffordern und nötigenfalls klagen, ja schließlich sogar die Vollstreckung der entsprechenden Anordnung erwirken.
Die spezifischen Beispiele für einschlägige Schäden sind im Wesentlichen den Beiträgen von Schemel in dem o.g. Leitfaden entnommen:
Verunglückte Gefahrguttransporte verursachen durch den „Schadstoffschock“ nicht nur Schäden in der Pflanzen- und Tierwelt oder im Boden/Grundwasserregime, sie können selbst weit ausgreifende Gewässernetze mit all ihren ökologischen Strukturen und Funktionen erfassen. Die Auswirkungen können über entsprechende Wirkungsketten die ebenfalls unter das USchadG fallende Bodenschädigung mit Gefahren für die menschliche Gesundheit verursachen.
Die Fischfauna kann auch durch Stau- und Triebwerksanlagen in Bächen und Flüssen Schäden erleiden.
Auf sehr sauberes Wasser angewiesen, kann der Lebensraum der Bachmuschel (Unio crassus) durch Eutrophierung aus landwirtschaftlichen Nutzflächen oder aus nicht hinreichend geklärten Abwässern bedroht sein.
Amphibien können notleidend werden, wenn Fische in ihren Lebensraum eingebracht werden, welche die Kaulquappen fressen, wenn die Wanderwege zwischen Laichbiotop, Sommer- und Winterquartier von einer stärker befahrenen Straße zerschnitten werden oder wenn das Gewässer so „gepflegt“ und „gesäubert“ wird, dass die notwendigen Rückzugsräume der Amphibien verloren gehen.
Ein Beispiel, das die Vogelwelt betrifft, ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich: Gemäß § 41 Satz 2 BNatSchG waren Mittelspannungsleitungen mit hoher Gefahr für Vögel bis zum 31.12.2012 mit Maßnahmen zur Sicherung gegen Stromschlag nachzurüsten. Wie insbesondere die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE 2013 und http://www.egeulen.de ) dokumentiert, ist dieses nur unzureichend geschehen. Folglich können die anerkannten Vereinigungen nicht nur zum Einschreiten auffordern, sondern auch aufgrund der Ermächtigung nach § 11 USchadG in Verbindung mit § 2 UmwRG klagen.
Einschreiten muss die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde gemäß § 3 Abs. 2 BNatSchG, um konkrete Gefahren für Vögel abzuwehren, die in der Nähe gefährlicher Masten leben oder durch solche auf ihren Zugrouten gefährdet werden. Die Behörde muss die Einhaltung des Gesetze – hier des § 41 Satz 2 BNatSchG – sicherstellen. Wo eine strikt geltende Norm verletzt wird, reduziert sich das Ermessen der Behörde auf Null, soweit es um das Ob geht; in Bezug auf das, was sie im Einzelnen tun kann, ist sie freier, jedoch „pflichtgemäß“ gehalten, die Einhaltung des Gesetzes im Ergebnis sicherzustellen. Die Behörde muss nicht unbedingt Verwaltungsakte erlassen. Sie kann auch – räumlich weiter ausgreifend – Vereinbarungen mit den Netzbetreibern treffen oder faktische Ansätze vor Ort einer zufriedenstellenden Entwicklung zuführen.
Auf dieser Basis fällt ins Gewicht, dass § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG das Töten von Tieren verbietet, die zu den europäischen Vogelarten gehören. Das Verbot ist bewehrt. Seine Verletzung kann eine Ordnungswidrigkeit nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG darstellen, falls der Täter mit der Möglichkeit der Tötung rechnet und diese – aus Gleichgültigkeit – in Kauf nimmt. Eine solche Tat kann auch durch Unterlassen begangen werden. Die Voraussetzung einer sogenannten Garantenstellung ist bei dem Netzbetreiber durch die strikte Verpflichtung zur Nachrüstung gegeben, ebenso bei dem zuständigen Amtsträger – bei diesem jedenfalls dann, wenn er (von der anerkannten Vereinigung) zum Einschreiten gemäß § 3 Abs. 2 BNatSchG aufgefordert worden ist. Zu begründen ist die Aufforderung anhand des Kriteriums der hohen Gefährdung der Vögel. Die Behörde ist verpflichtet, nicht nur die Einhaltung des § 41 Satz 2 BNatSchG zu überwachen, sondern auch das im Sinne des Gesetzes Erforderliche zu tun.
Neben dem Ordnungswidrigkeitsverfahren drohen auch strafrechtliche Konsequenzen. Denn es sind alle Greifvögel, Eulen und Störche, die zu den Hauptopfern ungesicherter Masten zählen, streng geschützt.
Das Umweltschadensgesetz stellt nur einen kleinen Ausschnitt aus dem fachbereichsübergreifenden Instrumentenkasten dar, mit dessen Hilfe Natur und Landschaft geschützt werden können und sollen.
Literatur
EGE (Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen, 2013): Westerwald: Zahl gefährlicher Strommasten weiterhin hoch. Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (3), 95.
Gassner, E., Schemel, H.-J. (2012): Umweltschadensgesetz. Darstellung. Kommunal- und Schul-Verlag, Wiesbaden, 2. Aufl., 154 S.
Anschrift des Verfassers: Dr. jur. Erich Gassner, Bachstraße 19, D-53115 Bonn, E-Mail erich-gassner@t-online.de.
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von Naturschutz und Landschaftsplanung erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum Naturschutz und Landschaftsplanung-Abo
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.