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Editorial

300 Jahre Nachhaltigkeit – und immer noch nichts gelernt?

Zugegeben: Für einen Nicht-Juristen ist das Umweltrecht eine schwierige Materie, zunehmend komplexer, mit einer nicht gerade leicht verständlichen Sprache. Liegt es daran, dass das Umweltschadensgesetz (USchadG), seit sechs Jahren in Kraft, ein kaum beachtetes Dasein als juristisches Mauerblümchen führt?

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Dr. Erich Gassner, Urgestein im „Recht der Landschaft“ und früher als Jurist des Bundesumweltministe­riums tätig, legt in einem Kurzbeitrag seinen Finger in diese Wunde. Verpflichtet werden alle, die den Schaden im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit vorsätzlich oder fahrlässig verursachen. Einen Schaden beispielsweise durch landwirtschaftliche Nährstoff­einträge in Gewässer, durch Wasserkraftwerke (siehe Kurzbeitrag zur Donau), durch Abgra­bungen, durch Beeinträchtigung von Arten der Vogelschutz- und FFH-Richtlinie. Bislang ist die Haftung nach dem USchadG, soweit ersichtlich, noch nicht eingefordert worden, stellt Gassner fest. Wo kein Kläger, da kein Richter – einmal mehr sind die Verbände gefordert, tätig zu werden!

Übrigens setzt das USchadG die EG-Richtlinie über Umwelthaftung zur ­Ver­meidung und Sanierung von Umweltschäden um. Die meis­ten nationalen recht­li­chen Umweltstandards ­fußen auf Vorgaben der EU – gut, dass es die europäische Zusammenarbeit gibt! Auch wenn man sich gerade bei der Gemeinsamen Agrarpolitik fragt, ob da Bauernverbände, Agrarindustrie, chemische Industrie und Saatgutunternehmen „durch­regieren“ und die Entscheidungen der Parlamentarier soufflieren, um es vorsichtig auszudrücken? „Umweltschutz“ war in der Parlamentsdebatte am 13. März, über deren Ergebnis Claus Mayr in der Rubrik „Aktuelles aus Brüssel“ berichtet, in ­aller Munde. Selten klaffen verbale Beschreibung und ­reale Wirkung aber so weit auseinander wie hier.

Denn es ist offensichtlich, dass die Biodiversitäts- und generell Umweltziele der EU mit dem nun in Aussicht ­stehenden „Greening light“ und der weitgehend ohne Umweltauflagen mit der Gießkanne ausgeschütteten Prämien der 1. Säule nicht im entferntesten erreichbar sind. Wider besseren Wissens reißen die Parlamentarier und ebenso der Agrarministerrat mit dem Allerwertesten wieder ein, was sie zuvor mit ­einem durchaus adäquaten Umweltrecht mit den Händen aufgebaut haben. Seltsam auch, dass die rot-grüne Bundesrats-Mehrheit Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner offensichtlich wenig darin hindert, in Brüssel so einseitige Klientelpolitik zu betreiben.

Zugleich feiert die deutsche Forstwirtschaft 300 Jahre Nachhaltigkeit. Dabei zeigt die Tagespolitik, siehe Brüssel, wie wenig dieser Gedanke bis heute in das politische und Verwaltungs-Handeln Eingang gefunden hat. Selbst in der Forstwirtschaft – denn Nachhaltigkeit ist mehr als ein beständig hoher Holzvorrat in den Wäldern. Warum sonst kommt Dr. Reiner Theunert in seiner kritischen Betrachtung des Monitorings der Alt- und Totholz-Besiedler Heldbock und Hirschkäfer zu dem Ergebnis, dass der Erhaltungszustand ihrer Popula­tionen nur ausnahmsweise als „hervorragend“ eingestuft werden kann?

Als Käferbein-Zähler werden die Faunisten gern be­lächelt – die Illustrationen des Käfer-Beitrags legen diese ­Bezeichnung auch irgendwie nahe. Ihre Daten und ihre Arbeit sind aber unverzichtbar, um Indikatoren für den Zustand der biologischen Vielfalt und der Umwelt insgesamt zu erhalten. Und ebenso, um das „Recht der Landschaft“, einschließlich des Artenschutzrechts, korrekt umzusetzen. Dazu berichtet ein weiterer Hauptbeitrag am Beispiel des Abrisses einer Industrieruine.

Immer schwieriger wird es, Vorkommensdaten von Pflanzen und Tiere als Bewertungs-Grundlage zu erlangen. Dafür zeigt ein weiterer Hauptbeitrag eine neue ­Methode auf, um technikaffine jüngere Menschen anzusprechen: durch eine digitale Artenerfassung durch Ehrenamtliche im Gelände.

Sehr unterschiedliche, aber durchweg aktuelle Beiträge also in diesem Heft. Und die Lehre der Geschicht‘: Zusammenhänge zu erkennen, ist so einfach nicht! Vielleicht als Beispiel: Die EU fördert eine Landwirtschaft, die gegen die EU-eigenen Verordnungen und Richtlinien verstößt. Nicht sie, nicht ihre jetzt folgenden Triloge von Rat, Parlament und Kommission, sondern die Bauern als Nutz­nießer der Mittelausschüttung gehen das Risiko ein, bei einer Klage nach dem Umweltschadensgesetz für ihre EU-geförderte Nutzungsweise ordnungs- und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Ist das nicht ­gemein? Nur so weit denkt keiner. 300 Jahre Nachhaltigkeit – und immer noch nichts gelernt?

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