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Kurz berichtet

Extremer Landschaftswandel durch agrarische Fehlentwicklungen

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Abb.  1: Hofanlagen auf der Schleswigschen Geest bei Stadum (Kreis Nordfriesland).   Foto: Prof. Dr. Wolfgang Hassenpflug (09.05.2011)Hof im Vordergrund mit deutlichen neuen Erweiterungen (Ställe, Solaranlagen, Gülletanks, Mieten, Biogasanlage) im Gegensatz zu den traditionell verbliebenen oder ­aufgegebenen Betrieben im Hintergrund. Vegetationsbedeckte Flächen dienen als ­Ro­tationsgrünland der Silagegewinnung, die vegetationsfei erscheinenden Flächen sind­ Maisäcker nach der Aussaat; sie zeigen Merkmale von Bodenverwehung. Natur­nahes Dauergrünland fehlt inzwischen völlig.
Abb. 1: Hofanlagen auf der Schleswigschen Geest bei Stadum (Kreis Nordfriesland). Foto: Prof. Dr. Wolfgang Hassenpflug (09.05.2011)Hof im Vordergrund mit deutlichen neuen Erweiterungen (Ställe, Solaranlagen, Gülletanks, Mieten, Biogasanlage) im Gegensatz zu den traditionell verbliebenen oder ­aufgegebenen Betrieben im Hintergrund. Vegetationsbedeckte Flächen dienen als ­Ro­tationsgrünland der Silagegewinnung, die vegetationsfei erscheinenden Flächen sind­ Maisäcker nach der Aussaat; sie zeigen Merkmale von Bodenverwehung. Natur­nahes Dauergrünland fehlt inzwischen völlig.
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Das Beispiel des nördlichen Schleswig-Holstein

Von Wolfgang Riedel

1 Einstieg: Man traut seinen Augen nicht…

Dass sich Kulturlandschaften wandeln, ist schlechthin bekannt. Zunehmend aber überraschen Ausmaß und Tempo des Wandels. Wer nach einer längeren Pause wieder einmal von Süden nach Schleswig-Holstein fährt, erwartet im östlichen Hügelland (rechts der Autobahn) eine typische holsteinische Kulturlandschaft mit Feldern, wenigen Wäldern und Heckenstrukturen, auf der Geest (links der Autobahn) und zu den Marschen hin vermutet man landschaftliche und agrarstrukturelle Weite.

Bei näherem Hinsehen bemerkt er einen völligen Landschaftswandel, der aus einer historischen bzw. modernen Kulturlandschaft eine Energielandschaft gemacht hat. Fruchtfolgen sind z.T. kaum noch zu finden, Grünland ist selten, stattdessen bestimmt die Monokultur Mais das Bild. Aus Bauerngehöften sind neuartige Hof-Ensembles entstanden, die wie Agrarfabriken wirken. Neben den Wohngebäuden und älteren Ställen, die nur noch einen kleinen Bruchteil der Hofanlage ausmachen und wie verloren wirken, ragen Biogasanlagen mit ihren grünen und roten Kegel-Zylindern empor mit üppigen Mieten mit Mais und Gras­silage. Es bestimmen weitergehend im Bereich der Hofanlagen, aber zunehmend auch als selbständige Flächenelemente, Photovoltaikanlagen das Bild, überragt von Windenergieanlagen zu Tausenden in der Höhe von Kathedralen. Alte und neue Strom-Trassen gehören mit zum Bild.

Der Reisende fragt sich, wie es in so kurzer Zeit dazu kommen konnte und ob er sich hier erholen oder wohnen möchte?

2 Das EEG als Antwort auf den Klimawandel – (k)ei­ne Erfolgsgeschichte?

Über den hier beschriebenen Zustand der Landschaft wird im Land heftig gestritten, vor allem über den weiteren Ausbau der Bioenergie. Wurde bislang Futtermais nur auf den nährstoffarmen Böden der Geest angebaut, so haben durch die hohen Gewinne der Biogasproduktion inzwischen weite Bereiche bester Weizenböden im Gebiet der Jung­moräne eine „Vermaisung“ erfahren.

Für diese Entwicklung ist das im März 2000 verabschiedete und seither mehrmals novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verantwortlich. Es soll vor allem dem Interesse von Klima-, Natur- und Umweltschutz dienen, es soll eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung ermöglichen und die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung verringern, Natur und Umwelt schützen, einen Beitrag zur Vermeidung von Konflikten um fossile Energieressourcen leisten (§1 EEG). Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung soll drastisch erhöht werden. Inzwischen bekannter Hintergrund: Der zunehmende Verbrauch fossiler Brennstoffe und der damit verbundene Anstieg der Treibhausgase führt gravierende Klimaveränderungen herbei, von daher sollten vor allem regenerative Energieträger gefördert werden. Die Energieversorgungsunternehmen sind nach §3 des Gesetzes (Abnahme- und Ver­gütungspflicht) verpflichtet, den Strom zu einem garan­tierten Preis für 20 Jahre abzunehmen.

Somit ergaben sich für die traditionelle Landwirtschaft neue und ungeahnte Einkommensmöglichkeiten. In Schleswig-Holstein legte die Landesregierung ein Förderprogramm „Biomasse und Energie“ auf. In der Nutzung der Biomasse wurde auch ein Instrument gesehen, um den notwendigen Strukturwandel einzuleiten (Abbau des Militärs) und innovative Arbeitsplätze zu schaffen. Grundsätzlich wurden diese politischen Ziele von allen Landesregierungen unterstützt, ob nun Rot-Grün oder Schwarz-Gelb. Somit erweiterte sich die Anbaufläche für Mais dramatisch. Bei einer Gesamtfläche der landwirtschaftlichen Nutzung von 991900 ha waren im Jahr 2011 amtlichen Angaben zufolge 194000 ha Maisanbaufläche (2012 rund 188000 ha), davon 97000 ha für Agrogas.

Durch diese massive „Vermaisung“ kam es zu Verdrängungen und Verschiebungen im Anbauspektrum, zu nicht erwarteten – weil übersehenen – Folgen, zur Verknappung landwirtschaftlicher Nutzflächen z.B. für Getreide, zur Verdrängung der Rinderhaltung, zur Erhöhung von Pachtpreisen mit den Maisbauern als Gewinnern und Getreide- und Rinderhaltern als Verlierern. Dabei sagt eine durchschnittliche Prozentangabe des Maisanbaus noch nichts über die sehr differenzierte regionale Verteilung, die in einigen Regionen, vor allem auf der Geest, bis zu 80 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche einer Gemeinde betragen kann.

3 Nachwachsende Rohstoffe und die Folgen für die Landwirtschaft

Zurzeit bestehen in Schleswig-Holstein 600 Biogasanlagen – das ist die größte Anlagendichte in ganz Deutschland! Die Zahl von Neuanlagen schwächt sich inzwischen ab bei Bevorzugung reiner Gülleanlagen (75kW nach EEG-Novelle 2012). Aber für die anderen Anlagen gilt Bestandsschutz. Ältere Anlagen, die jedoch nur auf Stromproduktion gesetzt haben und ihre Wärme gering nutzen, bekommen Probleme. Die damals angesetzten Rahmenbedingungen, z.B. Pachtpreise, Transportkosten, Maispreise bei Zukauf etc., haben sich massiv verändert. Agrarflächen werden zum knappen Gut.

Bei der Vermaisung fragt sich, ob es sich hier noch um eine landwirtschaftliche oder eine industrielle Nutzung handelt. Zwangsläufig steigende Bodenpreise machen den Boden zum knappsten und teuersten Produktionsfaktor, es profitieren davon eher nicht die Bauern, sondern landwirtschaftliche Inverstoren, die auf höhere Preise hoffen. Selbst besonnene Naturschützer wie der alte und der neue Landesnaturschutzbeauftragte sprechen von einer Katastrophe für den Naturschutz mit Auswirkungen auf das Landschaftsbild, auf die biologische Vielfalt, die Qualität der Böden und das Trinkwasser. Mais­felder gleichen vielfach Ent­sorgungsflächen für Gülle und Gärreste, in den meisten Monaten des Jahres stellen sie öde, lebensfeindliche Flächen dar. Dagegen erklärt der Präsident des Bauernverbandes, alle Flächen im Lande seien in einem guten ökologischen Zustand.

Der Fachverband Biogas e.V. gibt 2011 an, dass die Energieerzeugung aus Bio­masse schon heute mehr als 5 % (Biogas allein 3 %) des deutschen Stromverbrauches deckt. Befinden sich Erfolg und unerwünschte Konsequenzen hier in einem richtigen Verhältnis? Und der verfügbare Mais steht nicht uneingeschränkt zur Verfügung: Deutsche Landwirte pachten gegenwärtig dänische landwirtschaftliche Anwesen mit Wohngebäuden, um sich für die Belieferung von Biogasanlagen südlich der Grenze mit Mais einzudecken. In Sönderjylland werden schätzungsweise 17000 bis 18000ha landwirtschaftlicher Nutzfläche mit Mais für die norddeutschen Anlagen südlich der Grenze bebaut …

Galten Biogasanalagen lange Zeit als Investment ohne Risiken, gibt es durch die härteren Auflagen an die Neu­anlagen zunehmend wirtschaftliche Probleme und erste Insolvenzen. Zunehmende Proteste in der Bevölkerung gegen Biogasanlagen nehmen nachweisbar zu. Selbst die Wortwahl Bio-Gasanlage wird inzwischen kritisiert, Agro-Gasanlage sei ehrlicher. Ein führender Naturschutzverband hält die bisherigen Biogasanlagen, im Schnitt mit einer Leistung von 500kW mit überwiegender Maisbeschickung und ungenutzter Abwärme, für umweltschädlich. Windkraft- und Photovoltaikanlagen arbeiteten deutlich effizienter. Ein anderer großer Naturschutzverband plädiert für Boni für Gülle-betriebene Biogasanlagen. Mais ist inzwischen in Schleswig-Holstein die zweithäufigste Ackerfrucht des Landes. Der Aspekt der Lebensmittelknappheit wird so ad absurdum geführt. Und es gibt Streit um die „gute fach­liche Praxis“.

Die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft ist im Bundesnaturschutzgesetz, im Bundesbodenschutzgesetz, in der Düngeverordnung und im Pflanzenschutzgesetz definiert. Dem entgegen steht die Praxis:

Grünland auch auf Niedermoorböden wird umgebrochen, so dass große Mengen an klimaschädlichem Methan und Kohlendioxid freigesetzt werden.

Das Ausbringen von Gülle auf abgeerntete Maisäcker ist in der Regel nicht erlaubt, da kein aktueller Güllebedarf besteht – diese Vorgaben werden vielfach nicht eingehalten, Gülle wird in die Oberflächengewässer eingetragen, vor allem bei Ausbringung auf gefrorenem Boden.

Hinzu kommt im Lande ein ständig wachsender Verlust an Strukturvielfalt, es fehlen Schutzstreifen; das Knicknetz (Wallhecken) in Schleswig-Holstein befindet sich vielfach in einem desaströsen Zustand.

4 Nachwachsende Rohstoffe und die Folgen für Dörfer und Ländliche Räume

Die Stimmungsbilder in den Dörfern sind unterschiedlich. In vielen Dörfern kippt die Stimmung nachweislich, wie Interessengemeinschaften, Bürgerbefragungen und Leser­briefe belegen. Dabei ist durchaus noch eine grundsätzliche Akzeptanz für eine Energiewende vorhanden. Vor allem aber durch den Boom der Monokulturen auf den Feldern und die vielfältigen Konsequenzen durch die Biogasanlagen ist der Dorffriede nachweislich gestört. Gemeinderäte stimmen gegen den Protest der Bürger der Erweiterung von Biogasanlagen zu. Hinzu kommt die Sorge um die manchmal noch zarte Hoffnungspflanze Tourismus: Wer verbringt noch gern „Ferien auf dem Bauernhof“ auf einem Betrieb mit alles überragender Biogasanlage? Ein Riesenproblem ist der Zustand der ­Straßen und ländlichen Wege unter dem Druck der riesen­großen Maiserntemaschinen und Transportfahrzeuge. Wer einmal in die gefürchtete „Bauernglätte“ auf un­gereinigten Straßen geraten ist, hat Schreckenserlebnisse wie bei Glatteis im tiefsten Winter. Biogasanlagen schaffen zudem neue Formen der dörflichen Ortsbilder und Dorfsilhouette.

5 Mais-Monokulturen und ihre Folgen für Wasser und Boden

Ein Hauptproblem ist die Ausbringung der Gülle bei nassen Feldern bei mangelnder Aufnahmefähigkeit der Böden. Hier werden die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie der EU konterkariert und Fördermittel verbrannt. Die Befahrbarkeit der Äcker ist vielfach eingeschränkt. Gut dokumentiert ist die Gefahr der Bodenverwehung durch Fehlen von Zwischenfrucht auf den kahlen winterlichen, für den Maisanbau im kommenden Frühjahr vorgesehenen Äckern. Grünlandumbruch und Maisanbau auf Feuchtgebieten sind gesetzlich geregelt, es bleibt aber beim unnützen Streit, da die notwendige behördliche Kontrolle unzureichend ist. In Kombination mit „industrieller Massentierhaltung“ kommt es zu einer schlussendlich in den Meeren endenden Verschmutzung, Auslaugung der Böden und Belastung mit Herbiziden. Wenn dann noch beim Landwirt die wirtschaftlichen Erfolge fehlen, ist seine finanzielle Situation fatal, da in der Regel sein Land als Pfand den Banken gehört. Die Auswirkungen auf das soziale Gefüge in Bauernschaft und ländlichen Räumen ist groß.

6 Folgen des Maisanbaus für Naturschutz und Biodiversität

Angesichts der genannten Schädigungen und Auswirkungen auf die Schutzgüter lassen sich die Forderungen des Naturschutzes wie folgt zusammenfassen:

Verzicht von Umbruch auf Dauergrünland;

Verzicht auf Anbau auf Niedermoorböden;

Verzicht von Anbau in Natura-2000-Gebieten;

Anlage von Pufferzonen um Schutzgebiete.

Selbst bei Naturschutzgroßprojekten von nationaler Bedeutung (Beispiel Obere Treenelandschaft) kommt es kaum noch zu einer ökologischen Vernetzung mit benachbarten Landschaftsteilen, da die Schutzgebiete von Maisflächen geradezu eingekreist sind. Die Schaffung und gesetzliche Sicherung eines landesweiten Biotopverbundsystems wird dadurch ad absurdum geführt.

Die Klagen betroffener Gruppen sind mannigfaltig. Landwirte und Jäger liegen im Streit, Leidtragende der Totalvermaisung sind das Niederwild und viele Vogelarten wie z.B. die Eulen. Die Imker klagen über gravierende Verluste – es sind nicht nur die lebensarmen Maisfelder die Ursache, sondern in der Folge auch die Grünlandumbrüche, die den Wiesenvögeln zusetzen.

Ganz offensichtlich hat die heute übliche intensive Nutzung von Ackerflächen, insbesondere durch flächenhafte Vermaisung, wie Artenkartierungen belegen, zu einer deutlichen Verschlechterung der Artenvielfalt geführt. Großflächige intensive Ackernutzung und weitergehender Schwund von Grünland vertragen sich nicht mit einer hohen Artendiversität. Dass die Dinge aus dem Ruder laufen, zeigt ein unerwarteter Nebeneffekt des Maisbooms: Von Mais und Silage angelockt, findet sich seit kurzem Schwarzwild nördlich des Nord-Ost-See-Kanals; bis dahin bildete dieser eine „natürliche Grenze“. Die Verwüstung von Ackerflächen ist ein erhebliches Problem der Bauern und lässt die Jäger verzweifeln. Darüber hinaus ist die Wildschweinplage eine Gefahr für jedermann, wie zahlreiche Verkehrsunfälle im Straßenverkehr zeigen; selbst mehrere Zusammenstöße mit Zügen der Deutschen Bahn auf offener Strecke hat es gegeben.

7 Nachwachsende Rohstoffe und Landschaftsbild

Das Handbuch von Hans Hermann Wöbse zur „Landschafts­ästhetik“ aus dem Jahr 2002 liest sich angesichts der genannten Veränderungen wie ein Märchenbuch aus „guten alten Zeiten“. Im Untertitel steht: „Über das Wesen, die Bedeutung und den Umgang mit landschaftlicher Schönheit“. Über das Wesen und die Bedeutung mit landschaftlicher Schönheit erfahren wir Grundlegendes und Begeisterndes, der Umgang mit landschaftlicher Schönheit kommt in diesem Werk allerdings zu kurz … Die neuen Wirklichkeiten in Schleswig-Holstein, darüber hinaus aber auch in anderen deutschen Agrar-Intensivlandschaften, geben ihm noch viel Stoff für eine neue Auflage …

Zu den Aufgaben der Landschaftsplanung gehören neben der Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, der Sicherung der Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, der Sicherung der Tier- und Pflanzenwelt unbestritten und gleichberechtigt die Sicherheit der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft als Voraussetzung für die Erholung. Angesichts der Wirklichkeit verliert selbst der Optimist den Glauben an gesetzliche und behördliche Regelungskraft und an erträgliche Kompromisse. So zerfällt Deutschland, überspitzt vereinfachend ausgedrückt, in zwei hauptsächliche Bildka­tegorien: deutsche Anmut in Großschutzgebietsregionen, National- und (partiell) Naturparks und das neue, moderne Deutschland der technoiden Siedlungs-, Agrar- und Energielandschaft.

8 Konsequenzen für historische Kulturlandschaften

Wir erleben in immer kürzeren Zeitschritten den Wandel historischer Kulturlandschaften zu modernen Agrarlandschaften und neuerdings zu Agro-Energielandschaften. Am Beispiel des Natur- und Kulturraums der Schleswigschen Geest kann das besonders eindrucksvoll belegt werden: Aus einer Heide- und Moorlandschaft wurde durch das „Programm Nord“ nach dem 2. Weltkrieg eine moderne Agrarlandschaft, die sich inzwischen in eine agrarische Hochleistungs- und Energielandschaft verwandelt, förderpolitisch begünstigt, aber bei schon defizitärer Biodiversität noch weitergehend verarmend mit all den Begleiterscheinungen im besiedelten Bereich der Dörfer und ihrer Gemarkungen.

Der Verfasser verfolgt diese Entwicklung quasi in einem Monitoring seit einem umfangreichen Forschungsprojekt 1976-1978 in acht Referenzflächen in den Kreisen Schleswig-Flensburg und Nordfriesland. Noch im Wintersemester 2011/2012 und im Sommersemester 2012 hat er mit Geographie-Studenten der Universität Flensburg im Bereich der Schleswigschen Geest bei Jörl und Pobüll aktuelle Flächennutzungskartierungen durchgeführt, unterstützt von Luftbildbefliegungen. Karten und Luftbilder zeigen in eindrucksvoller Weise die Isolation wertvoller Altwaldbestände und von Restmooren, sie sind vollständig von Maismonokulturen bzw. Rotationsgrünland für Silagegewinnung „umzingelt“, die Biotopverbundsysteme „verstopft“.

Kritik erhält diese monokulturelle Nutzung auch von Seiten der Archäologischen Denkmalpflege, die sich kaum noch als Bestandteil der offiziellen Raumplanung empfindet und den Verlust des Bodenarchivs befürchtet. Quo vadis Landschaftswandel –„Umweltschutz“ auf Kosten der historischen ­Kulturlandschaft? lautet eine Frage führender Archäologen.

9 Lösung der Probleme durch Planungsrecht und Landschaftsplanung?

Sowohl die Nutzung als auch die Planungspolitik sind in Sackgassen geraten. Die unkontrollierte Zunahme der Biogasanlagen ist auch darauf zurückzuführen, dass die meisten als so genannte „privilegierte Vorhaben“ gelten. Somit darf die Landwirtschaft danach im nicht überplanten Außenbereich Anlagen errichten, die der Landwirtschaft dienen. Ist das, was hier geschieht, aber noch Landwirtschaft? Denn diese Anlagen unterliegen nicht den strengen Auflagen des Baugesetzbuches. Es müssten also andere Planungsinstrumente für diese „Sonderfälle“ geschaffen werden. Nur so ließen sich Zahl, Größe und Standorte der Anlagen regeln, für Agrogasanlagen müssten entsprechende Regional-, Flächennutzungs- bzw. Bebauungspläne aufgestellt werden. Gemeinderäte scheuen sich aber davor, hier tätig zu werden, wenn der Nachbarschaftsfriede oder bestehende Freundschaften gefährdet sind.

Als Oppositionsführer und jetzt als Minister hat der schleswig-holsteinische Umweltminister, der auch Agrarminister ist, einen Ansatz vorgeschlagen, eine Flächeneinschränkung durch Anwendung des Raumordnungsrechts zu erreichen. Nahezu alle in der Landwirtschafts- oder der Naturschutzverwaltung tätigen Juristen gehen davon aus, dass eine solche Vorgabe an dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Verfassung scheitern wird. Eingriffe in die Freiheitsrechte des Grundeigentümers müssen demnach verhältnismäßig und angemessen sein. Einzelne Anlagen haben aber angeblich eine mangelnde Raumbedeutsamkeit. Außerdem gibt es hier Bindungen an das Bundesrecht, die die Tätigkeit einer Landespolitik stark einschränken.

Was ist von der EU-Agrarreform als Lösungsinstrument zu erwarten? Hier gehen die Meinungen stark auseinander. Immerhin sollen Direktzahlungen an Landwirte künftig an bestimmte Umweltleistungen geknüpft sein mit starker ­Berücksichtigung regionaler Besonderheiten (Greening-Pläne).

Riedel & Lange (2002) sprechen im Lehrbuch „Landschaftsplanung“ noch optimistisch von „Baugesetzbuch und Landschaftsplanung im neuen Miteinander“. Hier haben sich manche Blütenträume nicht verwirklicht. Bedauerlich auch, dass die kommunale Landschaftspläne, die z.B. in Schleswig-Holstein flächendeckend vorhanden sind und Qualität besitzen, nicht entscheidend in das Geschehen eingreifen konnten und können; hier liegt ein Ansatzpunkt zukünftiger Planungskultur.

10 Monotonisierung von Nutzung und Landschaft – ein Problem mit viel­fältigen Folgen und vielschichtigen Lösungs­wegen

An den Zeitschriftenständen boomt es mit Landlust, Landgang und wie die Gazetten alle heißen mögen, die sich gut verkaufen und eine gewisse Sehnsucht der Käuferschaft ausdrücken. Doch die Idylle trügt, demographischer Wandel und vielfältige Strukturprobleme ländlicher Räume stellen enorme Herausforderungen dar. Der Landschaftswandel im Dorf und im ländlichen Raum ist nicht aufzuhalten. Diese Schnelligkeit des Wandels gibt Anlass zur größten Sorge, zumal wenn man bedenkt, dass ein ungeheurer politischer Druck aufgebaut worden ist, die Energiewende zum Erfolg werden zu lassen. Auf der anderen Seite aber fehlen unabdingbare Voraussetzungen, wie z.B. die notwendigen Hochspannungs­trassen für zu bauende Offshore-Anlagen, Photovoltaik, Biogasanlagen etc. Dabei gibt es hier noch grundlegenden Streit um die Technologien, um Gesundheitsschäden durch z.B. Elektrosmog und v.a.m.

Der Klimawandel erscheint unaufhaltsam, die Notwendigkeit umzusteuern unbestreitbar, die verschiedenen unterschiedliche gewählten Ansätze zeigen Nebenwirkungen, alles passt nicht recht zusammen, aber es gilt der Ökologen-Grundsatz: Alles hängt mit allem zusammen. Verlierer ist bislang eindeutig der Naturschutz, das ist messbar, wird aber übersehen oder bewusst herunter gespielt, als ob nicht auch und gerade der Naturschutz eine unentbehrliche Grundvoraussetzung für unser Weiterleben ist. Wissenschaftliche Ergebnisse werden unzureichend berücksichtigt, sind jedoch auch manchmal nicht gerade verbraucherfreundlich und widersprüchlich. Eine bundesweite Lösung ertrinkt im Streit der Parteien.

Wir warten auf den großen Wurf und die Rolle des Landschaftsplaners als Moderator und Mediator ist gefragter denn je – was jedoch meist nicht passiert. Und so trägt vielleicht auch dieser Beitrag nur dazu bei, die vorhandene Resignation zu vermehren, was allerdings nicht beabsichtigt war: Es kann keine gelungene Energiewende geben, wenn die vorhandenen Kollateralschäden nicht berücksichtigt werden. In Schleswig-Holstein kann man sie eindrucksvoll studieren.

Eine umfangreiche Literaturliste inklusive Pressespiegel ist auf Anfrage beim Autor per Mail erhältlich.

Anschrift des Verfassers: Prof.em. Dr. Wolfgang Riedel, Birkenweg 29, D-24944 Flensburg, E-Mail wmriedel@t-online.de.

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