Zeit für einen deutschen Mais-Umwelt-Gipfel
Arbeiten und Meldungen aus Deutschland stehen in Naturschutz und Landschaftsplanung üblicherweise im Vordergrund. Und das natürlich nicht von ungefähr: Hier arbeiten Verlag und Redaktion und ebenso der größere Teil der Leserinnen und Leser. Dennoch wird unsere Zeitschrift intensiv auch in Österreich und der Schweiz gelesen.
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Ein Beweis gefällig? Alle drei Hauptbeiträge im vorliegenden Heft stammen aus den beiden Alpenländern – und das ganz zufällig. Und so hoffen wir, mit diesem Heft in allen drei Ländern der D-A-CH-Region zu punkten: indem wir Autoren und Lesern in der Schweiz und Österreich ein interessantes Medium für die Veröffentlichung und Lektüre bieten, den deutschen Lesern interessante Blicke über den Tellerrand. Thematisch reichen die Beiträge von Elementen der Naturlandschaft (alpine Blockhalden) über eine Tierart alpiner Trockenstandorte (Libellen-Schmetterlingshaft, ein Netzflügler) sowie unterschiedliche Nutzungsintensitäten im Grünland bis hin zu industrialisiert genutzten Ackerlandschaften (Mais).
Das letzte Thema illustriert zugleich das Titelbild – Anlass, genauer hinzuschauen. Denn die Situationsbeschreibung zum extrem rasch ablaufenden Landschaftswandel in Schleswig-Holstein (Seite 29-32) wirft eine ganze Reihe von Fragen auf:
Kann man derart intensiven, großflächigen Maisanbau noch als bäuerliche Landwirtschaft bezeichnen – oder ist das nicht schon längst industrielle Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, völlig „unnachhaltig“?
Werden hier Naturschutz und die gewachsene Kulturlandschaft insgesamt kurzsichtig auf dem Altar der Energiewende geopfert?
Warum muss der Steuerzahler solche Intensiv-Landwirtschaft doppelt und zu gutem Teil überfördern – zum einen durch die europäische Agrarpolitik, zum anderen durch die Energiepolitik in Form garantierter Einspeisevergütung gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz?
Die Beweislage, dass solcherart angebaute Energiepflanzen tatsächlich zum Klimaschutz beitragen, scheint immer weniger haltbar zu sein. Denn es gilt, die gesamte Prozesskette einschließlich der Klimarelevanz der Ackernutzung und die durch vermehrten Maisanbau ausgelösten Indirekten Landnutzungsänderungen (ILUC) rund um den Globus zu berücksichtigen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier kurzsichtig und mit blindem Aktionismus eine Dynamik ausgelöst wurde, an deren Last Natur und Umwelt fundamental zu tragen haben. Tragisch wirkt vor allem, dass den massiven Umweltschäden nicht einmal wirkliche Vorteile für den Klimaschutz gegenüber stehen.
Die stark gewachsene Maisanbaufläche – in Deutschland 2012 rund 2,6Mio. Hektar, 22 % der Ackerfläche, in machen Landkreisen aber schon deutlich über 50 % – ist nur die Spitze des Eisbergs der Landnutzungsänderungen:
Energiemais verdrängt Futtermais ebenso wie Weizen und andere Getreide. Folglich steigen die Importe – und daraus folgen neben Klimabelastungen für weite Transporte Landnutzungsänderungen andernorts auf dem Globus.
Der Nutzungsdruck auf Acker- und ebenso Grünlandstandorten steigt aufgrund der Verdrängungseffekte. Grünlandumbruch ist einer der Effekte, intensivierte Nutzung des Grünlandes ein anderer. Beispielsweise die Schäfer sehen sich massiv mit dem Rücken an die Wand gedrängt.
Biogasbauern können aufgrund der Förderung durch den Steuer- und Energiezahler viel höhere Pachtpreise zahlen. Förderprogramme für Agrarumweltmaßnahmen können da nicht mehr mithalten – mindestens in den Intensivlandschaften brechen sie nach und nach weg. Naturschutz und „traditionelle“ Bauern sind da neue Verbündete.
Die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik wird, wie es derzeit in Brüssel aussieht, keine Lösungen bringen, sondern die Problematik verschärfen: Weniger Geld für die 2. Säule und damit die Agrarumweltprogramme und ein geringerer Kofinanzierungssatz werden zur Folge haben, dass die Bundesländer viele Programme gar nicht mehr anbieten und die verbleibenden Angebote finanziell so unattraktiv sind, dass sie nicht mehr ausreichend nachgefragt werden. Noch mehr Mais und noch weniger Biodiversität?
Dringend braucht es einen deutschen Maisgipfel, in der nicht die Lobbyvertreter der prächtig an der Energiewende verdienenden Bauern und Investoren das Sagen haben, sondern die wissenschaftlichen Fakten auf den Tisch kommen. Und dann bedarf es einer Politik, die diese Fakten zur Kenntnis nimmt und vorausschauend umsetzt. Energiewende ja, aber mit ganzheitlichem Ansatz!
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