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Editorial

Kein Eingriff ohne Kompensation – juristisch wie praktisch eine diffizile Aufgabe

Ausgleichen, entschädigen – so lauten Synonyme zu kompensieren. Ein Verb, das seit Schaffung der Eingriffsregelung mit dem BNatSchG 1976 eine starke Bedeutung in Naturschutz und Landschaftsplanung besitzt: Vermeidbare Beeinträchtigungen des Naturhaushalts durch Eingriffe sind zu unterlassen, unvermeidbare zu minimieren und durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zu kompensieren. Klingt nicht schwierig, und doch zeigt das Thema Kompensation auch nach 36 Jahren Praxis der Eingriffs­regelung eine hohe Dynamik: rechtlich wie praktisch gesehen eine diffizile Kiste.

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Alle drei Hauptbeiträge im vorliegenden Heft beleuchten Teilaspekte einer naturschutzrechtlichen Kompensation. Neuland in doppelter Hinsicht beschreibt der erste Beitrag: Ein FFH-Gebiet wird auf 130 ha Fläche zerstört und muss kompensiert werden, das heißt: Durch Biotopgestaltung und Renaturierung sind die Funktionen der verlorenen Habitate neu zu schaffen. Ein spannendes Vorhaben auf 530ha Gesamtfläche. Kompensation im Kleinen ist das Thema im zweiten Artikel: Wie lassen sich die Habitatstrukturen für Holz- und Pilzkäfer temporär erhalten, wenn anbrüchige Bäume beseitigt werden müssen? Und Beitrag Nummer 3 setzt die Bestimmung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten europarechtlich bedeutsamer Arten mit Beispielen der Reptilien und Tagfalter fort (der erste Teil erschien im August-Heft).

Nur drei Schlaglichter aus der täglichen Umsetzung der Eingriffsregelung und verwandter Rechtsvorschriften. Munter verändern die Juristen aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen. Bereits im vorigen Heft hat Naturschutz und Landschaftsplanung auf den von Bundesumweltmi­nister Peter Altmaier überraschend für diesen Herbst angekündigten Entwurf einer bundesweiten Kompensa­tionsverordnung hingewiesen – ein Novum gegenüber den bisher rein länderspezifischen Regelungen, möglich geworden durch eine Ermächtigung aus der 2010-er BNatSchG-Novelle. Ein Diskussionsbeitrag mahnte vor einer Light-Version der Eingriffsregelung, geopfert auf dem Altar der Energiewende.

Wenig optimistisch stimmt auch der Novellierungsvorschlag Altmaiers für das Umweltrechtsbehelfsgesetz. Anlass dafür lieferte der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 12. Mai 2011 in der Sache „Trianel“, der Planung für ein Steinkohlekraftwerk in Lünen (Nordrhein-Westfalen). Der EuGH stärkte damit die Rechte der anerkannten Verbände in Deutschland erheblich, sie können seither bei UVP-pflichtigen Vorhaben die Verletzung aller Umweltvorschriften rügen. Bis dato durften sie ausschließlich Verstöße gegen drittschützende Regelungen geltend machen, also Regeln, bei deren Verletzung auch der einzelne Bürger (= Dritte) einen Rechtsanspruch auf Einschreiten der zuständigen Behörden hat.

Altmaier aber plant zugleich, den Rechtsschutz für Verbände und Bürger zu verkürzen. Andernfalls könnten die Klagerechte zur Verfahrensverzögerung instrumentalisiert werden, argumentiert er. Der Bundesrat stoppte seine Initiative, Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller kritisierte sie als „Mogelpackung“. Gerade Verbandsklagen seien in letzter Zeit überdurchschnittlich erfolgreich gewesen. Warum wohl? Professioneller juristischer Sachverstand ist das eine – aber auf der anderen Seite lässt sich daran auch ablesen, dass Rechtsvorschriften zum Schutz der Umwelt zunehmend missachtet und/oder falsch angewendet werden. Weniger Zeit zur Klage würde aber bedeuten, dass fundierte Widersprüche erschwert sind. Wie passt das zu der Ankündigung in Altmaiers Zehn-Punkte-Programm im August, die Themen Bürgerbeteiligung, Transparenz und Akzeptanz für den Rest der Legislaturperiode besonders hervorheben zu wollen?

Moral der Geschicht’: 36 Jahre Eingriffsregelung sind verknüpft mit 36 Jahren immer neuer Angriffe auf das Kern-Instrument des bewahrenden Naturschutzes. Denn das muss auch ganz klar gesagt sein: Im Optimalfall kann sie den Status quo erhalten, nicht aber helfen, die dringend notwendigen Verbesserungen der Landschaftsfunktionen zu erreichen. Dazu braucht’s zusätzlicher gestaltender Instrumente. Wieder steht der Naturschutz also mit dem Rücken an der Wand und hat erst einmal den Status quo zu verteidigen. So bleibt ihm weniger Zeit für aktive Gestaltung – was manchem Opponenten recht sein dürfte.

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