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Fischwanderhilfen mangelhaft

Im Oktober 2010 wurde das Kraftwerk Kostheim am Main als das modernste Flusswasserkraftwerk am Main vorgestellt. Besonders hervorgehoben wurden dabei die aufwendigen fischfreundlichen Schutzeinrichtungen. Diese sollten belegen, dass eine ökologisch einwandfreie Energiegewinnung aus Wasserkraft möglich ist. Nun beweist eine wissenschaftliche Langzeitstudie über die Durchgängigkeit des „Musterwasserkraftwerk“ in Kostheim die gravierenden Mängel in der Funktion von Fischauf- und Fischabstiegsanlagen.

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Als modernstes fischfreundlichstes Kraftwerk in Hessen angekündigt und doch mit verheerender Mortalitätsrate – das Wasserkraftwerk Kostheim am Main.  Foto: VHF
Als modernstes fischfreundlichstes Kraftwerk in Hessen angekündigt und doch mit verheerender Mortalitätsrate – das Wasserkraftwerk Kostheim am Main. Foto: VHF
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Vom Verband Hessischer Fischer

Die Konsequenz sollte sein, einen technischen Standard der „guten Praxis“ für den Bau von Fischwanderhilfen zu entwickeln, der in der Lage ist, die gesetzlichen Anforderungen (Schadensrate bei Passage <10 %) zu erfüllen. Bis dahin kann von ökologischem Strom aus Wasserkraft keine Rede mehr sein.

Der Verband Hessischer Fischer (VHF) hat bereits bei der Planung der Anlage immer wieder darauf hingewiesen, dass die geplanten Fischwanderhilfen in dieser Form ihren Zweck, nämlich die Mortalitätsrate bei den das Wehr passierenden Fischen von unter 10 %, nicht erfüllen kann. Die Vorschläge der Fischereiverbände wurden weitgehend ignoriert, weshalb die Verbände auch eine Überprüfung der tatsächlichen Funktion der Anlage im Betrieb forderten und diese glücklicherweise gegen den Willen der Kraftwerksbetreiber, der Stadtwerke Ulm, durchsetzten.

Nun ist es also wissenschaftlich bewiesen: Die bislang gebauten Fischwanderhilfen können aufgrund schwerwiegender prinzipieller Fehleinschätzungen ihren Zweck nicht erfüllen. Sie sind praktisch funktionslos. Es ist den Wasserkraftwerksbetreibern aber immer noch möglich, den so erzeugten Strom als besonders umweltfreundlichen Ökostrom zu verkaufen.

Die systematische „Funktionskontrolle der Fischauf- und Fischabstiegsanlagen sowie Erfassung der Mortalität bei Turbinendurchgang an der Wasserkraftanlage Kostheim am Main“ wurde von der Bürogemeinschaft für Fisch- & Gewässerökologische Studien (BFS) im Jahr 2011 im Auftrag des Betreibers durchgeführt (Autoren: J. Schneider, D. Hübner & E. Korte). Insbesondere überprüfte die Studie die tatsächliche Passierbarkeit der am Kraftwerk installierten Wanderhilfen: eines Aal-Bypasses, eines Großsalmoniden-Bypasses (Lachse, Meerforellen) und einer Fischtreppe.

Dabei sind die Anforderungen, die verschiedene Fisch­arten für die Passage stellen, sehr unterschiedlich. Dieser Umstand sollte in Kostheim durch verschiedene Einrichtungen adressiert werden. Und dennoch belegt die Studie die Funktionslosigkeit aller Wanderhilfen.

Die Durchgängigkeit ist im Detail nicht nur für unterschiedliche Fischarten, sondern auch für unterschiedliche Körpergrößen der Individuen sehr verschieden. Grundsätzlich kommen große und damit fortpflanzungsfähige Tiere besonders stark zu Schaden. Zudem sind die Anforderungen beim Fischaufstieg ganz anders als beim Abstieg. Große Aale, die in Europa vom Aussterben bedroht sind, haben beinahe keine Chance. Hier kommen, wie eine Kontrolle der Schadensrate beim Turbinendurchgang ohne Rechenpassage zeigte, nur etwa 36 % der Aale über 70cm Länge durch die Turbine selbst zu Schaden. Denn im normalen Betrieb erreichen die Aale die Turbine erst gar nicht, sondern werden größtenteils bereits vom Reiniger des 20-mm-Rechens, der eigentlich das Eindringen von Fischen und von Treibgut verhindern soll, zerquetscht. Selbst bei für den Aal idealen Wanderbedingungen kommen mindestens 50 % der Tiere bereits im Rechen letal zu Schaden.

Sollte ein einzelnes Tier durch Zufall diese Hürde gemeistert haben, kommt die Turbine erst noch. Forellen von 30 bis 40cm Länge kommen zumindest zu 48 % zu Schaden und bei anderen Fischarten sind die Zahlen vergleichbar.

Selbst bei der insgesamt geringsten Schädigungsrate für eine einzelne Fischart in der am wenigsten kritischen Körperlänge wird die Forderung an die Funktion klar verfehlt. Hier liegt die Schädigungsrate bei 28 %, also bei dem Dreifachen des geforderten Wertes von <10 %.

Mainaufwärts sind weitere 32 Wasserkraftwerke mit veralteter Technik und ohne wirksame Fischschutzeinrichtungen in Betrieb. Trotz aller dieser Erkenntnisse werden im Zuge der Energiewende weiterhin ablaufende Betriebsgenehmigungen von den Regierungspräsidien verlängert und neue erteilt. Die eigentlich gesetzlich vorgeschriebenen Fischschutzeinrichtungen werden meist nicht erfüllt.

Kontaktadresse: Verband Hessischer Fischer, Hauptgeschäftsstelle Wiesbaden, Rheinstraße 36, D-65185 Wiesbaden, E-Mail vhf@hessenfischer.net, Internet http://www.hessenfischer.net.

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