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Editorial

Wolf, Wisent, Walddynamik – Biodiversität in ­Praxis und Wissenschaft

Der Wolf kommt, auch mehrere schwarze Abschüsse scheinen ihn nicht aufzuhalten: Auf Flächen des Bundesforstbetriebes Lüneburger Heide fotografierte eine Fotofalle die ersten in Niedersachsen ge­borenen Wolfswelpen seit über 100 Jahren. 15 Rudel leben heute in Deutschland, mit Einzeltieren zusammen über 100 Wölfe.

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Lohn für aktiven Artenschutz in Deutschland? Oder nach europaweit strengem Schutz (weitgehendem Jagdverbot) schlicht ein Popula­tionsüberschuss, der zum Abwandern gezwungen ist und potenziell geeignete Lebensräume wiederbesiedelt? Fest steht, dass gerade die ehemaligen Truppenübungsplätze als großflächige Ruhezonen vom Wolf gesuchte Qualitäten bieten. Insofern ist die Rück­kehr des Wolfes in Deutschland eine Bestätigung, dass die Übernahme der ehemaligen Militärflächen in die Obhut des Naturschutzes als „nationales Naturerbe“ ein richtiger und wichtiger Schritt war. Und sie bejaht eine Hypothese: Wenn die lebensräumlichen Voraussetzungen stimmen, können viele verschwundene Pflanzen- und Tierarten von allein wieder einwandern. Nur benötigt dieser Prozess vielfach Zeit.

Es gibt aber auch Ausnahmen: Während der Wolf in Deutschland vor 100 Jahren ausgerottet war, wurde der Wisent wenig später gar global ausgelöscht. Zwölf Tiere überlebten in Gefangenschaft – auf sie geht die Erhaltungszucht mit heute weltweit wieder mehr als 4400 Tieren zurück. Vor 60 Jahren erfolgte im Gebiet des heutigen Nationalparks Biaowieza an der polnisch-weißrussischen Grenze die erste Wiederausbürgerung. Mit gutem Erfolg, auch als Motor für den Tourismus. In Deutschland würde der Wisent dennoch absehbar nicht von allein einwandern. Im westfälischen Rothaargebirge läuft daher seit 2009 ein Projekt, um auf 5000 ha Privatwald eine kleine Wisentherde freizusetzen – einen Praxisbericht lesen Sie in dieser Ausgabe.

Wolf wie Wisent benötigen großflächige Lebensräume. Den Aspekt von Großschutzgebieten beleuchtet auch ein Beitrag zu den Potenzialen eines möglichen Nationalparks im Nordschwarzwald für den Schutz von Arten und Lebensgemeinschaften. Und es geht um Monitoring, eine nach wie vor defizitäre Aufgabe – hier mit Methodenvorschlägen für die Anwendung der Hemerobie oder Naturnähe der Flächennutzung.

35 Autoren haben an dem Schwarzwald-Beitrag mitgearbeitet, bisheriger „Rekord“ in dieser Zeitschrift. Ausnahme oder neuer Trend? Aufgaben und Fragestellungen in Naturschutz und Landschaftsplanung werden immer komplexer. Da ist es sinnvoll, ja notwendig, in Teams zu arbeiten. Das hat – forschungsbezogen – auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) erkannt, die die Förderung eines Zentrums für Integrative Biodiverstätsforschung (iDiv) auslobte. Elf Bewerbungen gingen ein, jetzt steht der Gewinner fest: In Leipzig wird das Zentrum ab Oktober seine Arbeit aufnehmen, ein Verbund der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Leipzig. Acht Professuren wurden ausgeschrieben.

Biodiversitätsforschung, das beweisen die elf Anträge, findet in Deutschland maßgeblich statt. Und doch bleibt das ungute Gefühl, dass Vieles im Elfenbeinturm der Wissenschaft und auf internationalem Parkett geforscht wird, aber nur wenig davon in der Praxis von Naturschutz, Landnutzung und ökologischer Planung ankommt. Natürlich brauchen wir auch Grund­lagenforschung, um Zusammenhänge zu verstehen. Aber die Welt der täglichen Arbeit der Naturschutzbehörden, der Gutachter und Planer ist eine weitgehend andere als die der internationalisierten Scientific Community.

Wird das iDiv in Leipzig diese dringend nötige Verknüpfung der beiden Welten leisten? Im Konzept ist eine Schnittstelle zur Politik mit den Stichworten Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Ser­vices (IPBES) vorgesehen und auch Öffentlichkeit und Bildung sollen ein Thema sein. Beides erscheint wichtiger denn je, schaut man auf die im Diskussions-Teil dieser Ausgabe beschriebene Befürchtung, dass im kommenden Herbst die Eingriffsre­gelung auf dem Altar der Energiewende wenn auch nicht geopfert, so doch wieder einen Schritt weiter simpli­fiziert wird. Ein Aufruf nicht nur an die Lobby der Verbände, sondern auch an die Wissenschaft: klare Positionen sind nötig!

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