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Analyse und Vorschläge zur Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik

Zahlungen der 1. Säule auf Extensivweiden und ihre Relevanz für den Naturschutz

Abstracts

Extensive Weidenutzung bildet das zentrale Naturschutzinstrument zur Erhaltung und Entwicklung vieler nach den Vorschriften der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zu schützenden Lebensraumtypen, von High-Nature-Value-Grünland und zur Umsetzung weiterer Schutzziele in Agrarökosystemen. Dabei spielt auch die Prämienfähigkeit im Rahmen der 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union eine wichtige Rolle.

Der Beitrag beschreibt vor dem Hintergrund der Kommis­sionsvorschläge für die neue GAP-Förderperiode 2014–2020 und der aktuellen Rechtslage, welche Probleme die extensive Grünlandnutzung in der 1. Säule, den Direktzahlungen, hat. Diskutiert werden das geplante „Greening“, die Definition von Dauergrünland und Grünfutterpflanzen sowie die Rolle von Gehölzen als immanente Bestandteile strukturreicher Weideflächen. Es werden Vollzugsprobleme infolge hohen Bürokratieaufwands, Sanktionsrisiken und verringerter Messtoleranzen bei der Kontrolle identifiziert.

Zur Lösung wird eine neue Flächenkategorie „Landwirtschaftlich genutzte Naturschutzfläche“ definiert, die Bestimmung beihilfefähiger Flächen präzisiert und vorgeschlagen, Gehölze auf Weideflächen aus dem Cross-Compliance-Schutz auszunehmen. Die hohe Bedeutung der Prämienfähigkeit wird aus landwirtschaftlicher und naturschutzfachlicher Sicht begründet. Exemplarisch wird verdeutlicht, dass hier gesamteuropäische Handlungsrelevanz besteht.

Direct Payments for Extensively Used Pastures and their Relevance for Nature Conservation – Analysis and proposals to adapt the Common Agricultural Policy

Extensive pasturing has been established as a central instrument of nature conservation for the maintenance and development of many habitat types according to the Habitats Directive, ranging from grassland of high-nature value to the implementation of further protection aims. In this context the eligibility for direct payments (“first pillar”) according to the Common Agricultural Policy (CAP) also plays an important role.

Against the background of proposals of the Commission for the new support period 2014–2020 the paper describes the problems of direct payments for extensive meadow cultivation. The study discusses the intended “greening”, the definition of permanent grasslands and herbaceous forage plants as well as the role of trees and shrubs as immanent parts of structurally diverse pastures. The paper identifies enforcement problems resulting from bureaucracy, risks of sanctions and reduced measurement tolerances during controls.

As a solution “agriculturally used nature conservation areas” have been defined as a new category of sites, the identification of eligible sites has been specified, and it has been proposed that trees and shrubs are except from Cross-Compliance protection. The significant importance of the eligibility for payments has been justified both from an agricultural and nature conservation point of view. Using an example the study clarifies that there is European-wide relevance for action.

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Abb. 1: Regelungen im Zusammenhang mit Landschaftselementen (wie Hecken und Gehölzen) als Bestandteil der prämienberechtigten Fläche nach VO (EG) 73/2009 und 1122/2009. Erläuterung im Text.
Abb. 1: Regelungen im Zusammenhang mit Landschaftselementen (wie Hecken und Gehölzen) als Bestandteil der prämienberechtigten Fläche nach VO (EG) 73/2009 und 1122/2009. Erläuterung im Text.
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1 Einleitung

Trotz zahlreicher Diskussionen, bestehender Konventionen und gesetzlicher Vorgaben (z.B. Convention on Biodiversity/CBD, nationale Biodiversitätspläne, nationale und europäische Naturschutzgesetzgebung) ist auf nahezu allen räumlichen Ebenen (national und global gesehen) weiterhin ein anhaltender Verlust biologischen Vielfalt zu verzeichnen. Wichtigster „Driver“ bildet der Lebensraumverlust durch direkte oder indirekte Landnutzungsänderungen, wobei im europäischen Raum die Landwirtschaft als der mit Abstand wichtigste Faktor wirkt.

Die Analyse der insgesamt rund 200 in Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU aufgeführten zu schützenden Lebensraumtypen zeigt, dass von diesen etwa 70 (d.h. gut ein Drittel) mit exten­siven Agrarsystemen und diese wiederum zu über 90 % mit tierhaltungsgebundenen extensiven Grünlandsystemen korrelieren (Luick et al. 2012). Damit sind vor allem die in Europa in vielfältigen Formen bestehenden Weidesysteme angesprochen. Von besonderer ökologischer Bedeutung sind dabei besonders großflächige Systeme.

Eine Flächenbilanzierung des extensiven Grünlands ist selbst in Deutschland und in den einzelnen Bundesländern schwierig, da eine konsistente gesamthafte Inventarisierung bislang nicht erfolgt ist; auf europäischer Ebene sind für viele Länder nur grobe Abschätzungen möglich. Die im Rahmen der GAP-Evaluierung von ökologischen Wirkungsindikatoren durchgeführte Erhebung von so genannten High-Nature-Value-(HNV-)Agrarflächen ergab für Deutschland folgendes Bild (PAN et al. 2011):

Ackerflächen haben einen HNV-Anteil von 2 % (ca. 250000 ha);

Grünlandflächen besitzen einen HNV-Anteil von 13,7 % (ca. 700000 ha), wobei nur 6,6 % einen sehr hohen bis äußerst hohen Naturwert aufweisen.

Aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes ist bei der Flächenbewirtschaftung durch landwirtschaftliche Betriebe der Umgang mit extensiv bewirtschaftetem Grünland daher von besonderer Bedeutung (z.B. Jedicke et al. 2011, Metzner et al. 2010). Naturschutzziele werden in hohem Maße im Rahmen der Möglichkeiten der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) und deren Instrumentarium umgesetzt. Dieses gilt für die europäische und auch für die nationalen bzw. in Deutschland föderalen Ebenen. Die Auseinandersetzung und Mitgestaltung der neuen GAP ist daher derzeit eine zentrale Herausforderung naturschutzstrategischen Arbeitens. Die bevorstehende GAP-Reform mit neuen förderpolitischen Rahmensetzungen entscheidet nicht allein darüber, ob ein Status quo erhalten werden kann, sondern bietet auch die Option, Fehlentwicklungen zu korrigieren und die ökologischen Qualitäten des HNV-Grünlands zu verbessern.

Extensiv-Grünland kann bei geeigneten agrarpolitischen Bedingungen positive multifunktionale Wirkungen haben: Dazu zählen vielfältige Ökosystem-Dienstleistungen und auch die Stützung landwirtschaftlicher Einkommen (vgl. Matzdorf et al. 2010). Voraussetzung ist, dass eine ökonomische Tragfähigkeit der Viehwirtschaft mit Integration extensiv genutzter Wiesen und Weiden gegeben ist. Diese wird, wie nahezu jegliche landwirtschaftliche Nutzung in Deutschland und Europa, durch die Agrarförderung der Europäischen Union gesteuert und finanziert.

Am 12. Oktober 2011 hat die Europäische Kommission ihre Rechtsvorschläge für die Agrarpolitik nach 2013 vorgelegt (Europäische Kommission 2011a bis c). Demnach bleibt die bisherige Grundstruktur der GAP erhalten – u.a. mit den Instrumenten der Direktzahlungen in der 1. Säule und der Entwicklungspolitik für den Ländlichen Raum in der 2. Säule.

Der vorliegende Beitrag hat die Thematik der Prämienberechtigung von Grünland in der künftigen 1. Säule zum Gegenstand. Damit in Zusammenhang stehen auch Fragen zur Definition von „landwirtschaftlicher Tätigkeit“, zur Förderfähigkeit und ihrer Konsequenzen. Ein wichtiger Aspekt ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2010, der mit Blick auf eine extensiv beweidete Schafhutung entschied, „dass der Beihilfefähigkeit einer Fläche, deren Nutzung zwar auch landwirtschaftlichen Zwecken dient, deren überwiegender Zweck aber in der Verfolgung der Ziele der Landschaftspflege und des Naturschutzes besteht, nichts entgegensteht“ (Urteil C-61/09). Dieses Urteil zeigt auf, dass auch auf Basis einer neuen Rechtsgrundlage die bessere Integration von extensiv bewirtschafteten Flächen in die Agrarförderung der 1. Säule erfolgen kann.

Während der vorgestellte politische Rahmen und die Ausgestaltung der 1. Säule schon relativ präzise Interpretationen und Konsequenzen für die Grünlandbewirtschaftung zulässt, sind die Konturen und Programmatik der 2. Säule derzeit noch deutlich vager. Eine Analyse der 2. Säule und die Skizzierung für den Grünlandschutz effizienter Förderprogramme bleiben einem späteren Beitrag vorbe­halten.

Die Kommissions-Vorschläge werden im vorliegenden Papier hinsichtlich folgender Fragen analysiert:

Inwieweit unterstützen oder verhindern die Vorschläge die künftige Realisierbarkeit einer extensiven Beweidung als notwendiges Instrument, um Ziele des Naturschutzes zu erreichen (insbesondere hinsichtlich der Prämienfähigkeit in der 1. Säule)? Welche Relevanz hat dieses aus europäischer Sicht?

Welche Lösungsvorschläge resultieren aus der Analyse, um die Multifunktionalität der Weidewirtschaft durch die genannten europäischen und nationalen Ziele zu fördern?

2 Extensives Grünland in der 1. Säule: Problemfelder

2.1 Grünland im „Greening“

Der quantitative Schutz des Grünlands in der 1. Säule ist als so genanntes „Greening“ in Art. 31 des Entwurfs der Direktzahlungs-Verordnung KOM(2011) 625 vorgesehen. Landwirte müssen – um die vollen Betriebsprämien aus der 1. Säule zu empfangen – u.a. den betrieblichen Dauergrünland-Bestand zum Stichtag 01.01.2014 mit einer Toleranzschwelle von 5 % erhalten. Die 5- %-Schwelle bezieht sich künftig auf den individuellen Betrieb und nicht wie bisher auf das Grünlandinventar eines Mitgliedsstaates/Bundeslandes.

Als Folge ist zu befürchten, dass Grünland bis zum Jahr 2014 in hohem Maße umgebrochen wird. Besonders in Mitgliedsstaaten und Bundesländern, die aktuell noch unter der 5- %-Schwelle für Grünlandumbruch liegen, droht weiterer Grünlandverlust. Daher muss ein rückwirkender Stichtag für das Referenzjahr 2011 gewählt und auf die erneute 5- %-Toleranzschwelle verzichtet werden. Soweit das nicht durchsetzbar ist, sollte der Umbruch zumindest einer behördlichen Genehmigung bedürfen.

Die Einrichtung von ökologischen Vorrangflächen (7 %) bezieht sich laut Kommissionsvorschlag nur auf Acker- und nicht auf Grünland. Für den Schutz von extensivem Grünland ist diese Greening-Vorgabe also nicht relevant.

2.2 Grünland-Definitionen

Grundlage für die Prämienberechtigung liefert der Entwurf der Direktzahlungen-VO KOM(2011) 625 in Art. 4 Abs. 1 mit Definitionen von „Dauergrünland“ sowie „Gras oder andere Grünfutterpflanzen“. Die Begriffsbestimmung von „Dauergrünland“ schließt zwar „auch andere für die Beweidung geeignete Pflanzen“ ein, ebenso beinhalten „Grünfutterpflanzen“ „alle Grünpflanzen, die herkömmlicher Weise in natürlichem Grünland anzutreffen“ sind. Doch diese Definitionen lassen Interpretationsspielraum. Die Definitionen sind jeweils auslegungsbedürftig, wie das Beispiel der Zwergstrauchheiden zeigt: Obgleich „grün“, „dauernd“ und als Futter genutzt, werden sie in Deutschland nicht als Dauergrünland anerkannt, sofern eine Dominanz der Zwergsträucher vorliegt – mit der Begründung, dass sich aus der englischen Sprachfassung ergebe, dass lediglich krautige Pflanzen als Grünfutterpflanzen anzusehen seien. Kurioserweise wird die Besenheide (Calluna vulgaris) – ein Zwergstrauch – in Großbritannien als förderfähige Grünlandpflanze akzeptiert (Winkelmüller 2011), nicht aber in Deutschland. Weitere Probleme ergeben sich bei Flächen mit geringem Deckungsgrad an Grünfutterpflanzen (z.B. offene Bodenstellen, Felsbereiche, Dominieren von Moosen oder Flechten, Flächen mit „Weideunkräutern“).

2.3 Gehölze auf Weideflächen

Strukturelemente wie Sträucher, Hecken, Feldgehölze und Baumbestände auf Weiden verursachen regelmäßig Probleme bezüglich der Prämienfähigkeit einer Fläche. Gemäß o.g. Dauergrünland-Definition sind sie keine Grünfutterpflanzen, können aber Teil der prämienberechtigten Fläche sein, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist (s. Abb. 1):

(1) Die Gehölze unterliegen meist den Cross-Compliance-Bestimmungen. Dazu bestehen gemäß VO (EG) Nr. 1122/2009 im Zusammenhang mit VO (EG) Nr. 73/2009, national weitergehend durch §5 Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung (BMJ 2012) und InVeKoS-VO geregelt, folgende Rahmenbedingungen:

Art. 34 (3): Alle Landschaftsmerkmale, die entweder in den in Anhang II zu VO (EG) Nr. 73/2009 aufgeführten Rechtsakten genannt sind [u.a. FFH-Richtlinie (92/43/EWG)], oder Bestandteile, die dem Ziel der Erhaltung in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (glöZ) dienen (Art. 6 und Anhang III zu VO (EG) Nr. 73/2009), unterliegen der Cross-Compliance-Regelung und besitzen als Teil der prämienfähigen Fläche Bestandsschutz: „keine Beseitigung von Landschaftselementen einschließlich, wenn das angebracht ist, Hecken, Gräben, Bäumen (in Reihen, Gruppen oder einzelstehend) und Feldrändern“.

Art. 34 (2): Hecken u.a. Strukturen, die in einer Region traditionell Bestandteil guter landwirtschaftlicher Nutzungspraktiken sind, können nach Festlegung der Mitgliedsstaaten als Teil der vollständig genutzten Fläche gelten, (a) wenn sie der traditionell üblichen Breite entsprechen und 2m nicht überschreiten oder (b) sofern die Mitgliedstaaten (Bundesländer) von Art. 34 VO (EG) Nr. 1122/2009 Gebrauch gemacht und einen maximalen Prozentsatz an förderfähigen Flächen über 2m Breite festgelegt haben (s. dazu auch Abschnitt 3.1). Der Bestandsschutz von Gehölzen auf prämienberechtigten Flächen ist in §5 der Direktzahlungen-Verpflichtungen-Verordnung (DirektZahlVerplV, BMJ 2012) neu geregelt. Danach dürfen z.B. Feldgehölze ab einer Größe von 50m² nicht mehr entfernt werden.

(2) Ebenfalls prämienfähig können nach Art. 34 (4) Flächen sein, auf denen ein Baumbestand stockt, wenn landwirtschaftliche Tätigkeiten unter vergleichbaren Bedingungen wie bei nicht baumbestandenen Parzellen in demselben Gebiet möglich sind. Aufgrund eines Vorschlages der Kommission in Wikicap wird das in vielen Ländern durch die Begrenzung auf maximal 50 Bäume/ha umgesetzt. Ausnahmen sind z.B. für Streuobstbestände und aus ökologischen oder Umwelt-Gründen möglich (European Commission 2010).

(3) Außerdem gestattet Art. 34 (1) im Rahmen einer Bagatellregelung die Anrechnung „kleiner“ nicht förderfähiger Landschaftselemente im Umfang der Mess­toleranz mit maximal 1,5m Breite, maximal je Parzelle aber 1,0ha Fläche (s. European Commission 2010 und Abschnitt 3.2).

Gehölze auf Weideflächen sind hoch dynamisch und kaum abzugrenzen. Jahreszeit, Niederschlagssituation, Besatzdichte, Auslegung von Richtlinien und die individuelle Einschätzung durch Prüfer zeigen einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis. Je nach Witterung breitet sich z.B. die Schlehe (Prunus spinosa) durch Seitentriebe (Polykormone) sehr rasch aus, wird aber in jungem Zustand auch wieder abgefressen. Grenzziehungen für Hecken, Feldgehölze, fließende Übergänge zwischen Wald und Offenland, selbst für kleinste Strauchgruppen, sind deshalb nicht wirklich reproduzierbar möglich. Heute noch CC-relevant und Teil der prämienberechtigten Fläche, können Gehölze bereits am Ende derselben Vegetationsperiode flächenrelevant geworden sein und nicht mehr als prämienberechtigt gelten. Dieses bedeutet für Antragsteller und Verwaltung ein hohes Maß an Erfassungs- und Kontrollaufwand, um Rückforderungs- und Sanktionsrisiken zu minimieren.

Im Gegensatz zur „Normallandschaft“ sind auf Extensivweiden aus Naturschutzsicht in der Regel ausreichend Gehölze vorhanden. Vielfach ist eher ein aktives Zurückdrängen erforderlich. Damit ist die CC-Erhaltungsverpflichtung für Gehölze, mit der Novellierung der DirektZahlVerpflV seit 01.01.2012 für Hecken ab 10m und nicht mehr 20m Länge und für Feldgehölze ab 50m² (bisher 100m²) geltend (s. BMJ 2012), auf Extensivweiden naturschutzfachlich nicht notwendig, sondern eher kontraproduktiv.

3 Vollzugsprobleme und ihre ­Folgen

3.1 Bürokratieaufwand durch Landschaftselemente-Regelung

Die in Abschnitt 2 beschriebenen Rahmenbedingungen führen zu erheblichem Aufwand bei der Datenerfassung, zu massiven Unsicherheiten bei den Landwirten und zu enormem Verwaltungs- und Kontroll­aufwand bei den Verwaltungen. Ein gutes Beispiel für die aufgrund von EU-Vorgaben veranlassten arbeitsaufwändigen Kontrollauflagen ist, dass die bisherige deutsche Praxis, kleine Landschaftselemente >2m auf bis zu 25 % der beihilfefähigen Fläche generell für beihilfefähig zu erklären, nach Hinweis der EU-Kommission an den Freistaat Thüringen nicht zulässig ist (TMLFUN 2012). Dieses führt aktuell dazu, dass es, verbunden mit der in Abschnitt 2.3 genannten jüngsten Änderung der DirektZahlVerpflV, deutschlandweit zu großen Problemen bei der Berechnung der beihilfefähigen Flächen auf extensiven Weiden kommt.

So müssen jetzt Sträucher für eine korrekte Flächenberechnung aufwändig vermessen werden. Auch bedarf es komplizierter Ausnahmegenehmigungen für notwendige Entbuschungen auf Flächen mit CC-relevanten Gebüschen. Es ist den Antragstellern kaum noch vermittelbar, welche Gehölze förderfähig sind, welche nicht und welche Gehölze im Sinne einer Weidepflege ggf. entnommen werden dürfen, ohne die CC-Bestimmungen zu verletzen.

3.2 Rückforderungs- und Sanktionsrisiken

In dieser Gemengelage aus fraglicher Prämienberechtigung und nur ungenau zu erfassenden Gehölzen und CC-Erhaltungspflichten resultieren kaum kalkulierbare Rückforderungs- und Sanktionsrisiken für die Landwirte. Es drohen hohe Rückzahlungen, die auch Zahlungen aus zurückliegenden Jahren umfassen und den wirtschaftlichen Ruin von Extensivweide-Betriebe bedeuten können (s. Infobox). Für die Mitgliedstaaten besteht außerdem ein erhebliches Risiko, Anlastungen der Europäischen Kommission und entsprechende finanzielle Rückforderungen zu erhalten.

Finanzielle Rückforderungen

Gemäß Art. 58 VO (EG) Nr. 1122/2009 erfolgt eine flächenbezogene Prämienkürzung im Falle von zu viel angemeldeter Fläche (≥3 % oder 2ha) bei ≤20 % Differenz in Höhe des Doppelten der festgestellten Differenz. Liegt die Differenz >20 % der ermittelten Fläche, so wird keine flächenbezogene Beihilfe gewährt; beträgt sie >50 %, so ist der Betriebsinhaber ein weiteres Mal von der Beihilfegewährung auszuschließen (bis zur Höhe des Betrags, der einer Differenz zwischen angemeldeter und ermittelter Fläche entspricht). Wurde vorsätzlich zu viel Fläche angemeldet, so wird nach Art. 60 im Falle einer Differenz zwischen 0,5 % (!) oder >1ha und 20 % im laufenden Jahr keine Beihilfe gezahlt, bei >20 % Differenz entfällt die Prämie für ein zweites Jahr bis zur Höhe des Betrags, der einer Differenz zwischen angemeldeter und ermittelter Fläche entspricht.

3.3 Verringerte Messtoleranzen

Mit moderner Messtechnik haben sich die bislang gewährten Messtoleranzen bei der Ermittlung von prämienberechtigten Flächen deutlich verringert. Heute sind auch kleinste Abweichungen feststellbar und ignorieren den „Faktor Mensch“ und dynamische Situationen wie Gehölz-Übergänge (s. Kapitel 2.3) komplett. Aktuell wird die Toleranz für Messungen im ­Orthophoto in Umsetzung von Art. 34(1) VO (EG) Nr. 1122/2009 nach folgender Formel berechnet: Umfang der Fläche x Pixel x 1,5 (höchstens aber 1,0 ha).

Als Beispiel wird eine Pixelgröße 0,2 m bei einem Flächenumfang von 650m angenommen; nach o.g. Formel errechnet sich eine Messtoleranz von 195 m². Eine Pixelgröße von 0,4 m bedingt bei identischem Flächenumfang 390 m² Messtoleranz. Für den Landwirt ist es in der Praxis auf Extensivweiden in vielen Fällen unmöglich, auf 0,02 bzw. 0,04 ha genau zu messen. Bereits bei der Bestimmung der Grenze der landwirtschaftlichen Parzelle lassen sich Fehler von 1 bis 2 m nicht vermeiden.

4 Lösungsvorschläge

Es werden drei Lösungsansätze vorgeschlagen, die alternativ oder additiv zur Anwendung kommen können. Voraussetzung für alle Optionen ist, dass im Detail definitorische Änderungen zu Aspekten der Förderfähigkeit von Dauergrünland bei den Parametern Deckungsgrade, Bestockung und Pflanzenzusammensetzung notwendig sind (Abb. 2). Bevorzug wird Lösung 1 (eigener Nutzungscode), die durch die Lösungsoptionen 2a oder 2b (Definition beihilfefähiger Fläche präzisieren) abgesichert werden muss. Das wäre auch bei einem kompletten Verzicht auf Lösung 1 notwendig. Lösung 3 wäre alternativ und unabhängig umsetzbar.

4.1 Neue Flächenkategorie

Lösung 1 beinhaltet die Einführung einer neuen Flächenkategorie „landwirtschaftlich genutzte Naturschutzfläche“, für die die Mitgliedstaaten spezielle Vorgaben festlegen können. Damit würde die Gesamtfläche als beihilfefähig gelten. Nachdem bei der Bewirtschaftung naturschutzfachliche Ziele im Vordergrund stehen, könnten die zuständigen Naturschutzbehörden die Vorgaben für die Flächenbewirtschaftung treffen.

Vorgeschlagen wird bewusst nicht die knappe Bezeichnung „Extensivweide“, weil diese keine naturschutzfachliche Zweckbestimmung bei landwirtschaftlicher Nutzung verdeutlicht. „Landwirtschaftlich genutzte Naturschutzflächen“ lassen sich ableiten aus dem EuGH-Urteil (C-61/09). Diskutiert werden sollte folgende Definition:

Landwirtschaftlich genutzte Naturschutzflächen sind Stand- und Umtriebsweiden, Mähweiden und Wiesen, die jährlich mindestens temporär beweidet oder gemäht und vorrangig dem Naturschutz und der Landschaftspflege dienen. Art und Deckung der Vegetation sind hierbei unerheblich.

Die Definition sollte europaweit anwendbar sein. Alternativ wäre denkbar, dass jeder EU-Mitgliedstaat seine eigene Definition erarbeitet, um die nationalen Bedingungen differenzierter berücksichtigen zu können.

In den neuen Nutzungscode könnten zwecks Vereinfachung, je nach länderspezifischer Gliederung, Hutungen, Streuwiesen, Wiesen, Almen/Alpen, Sommerschafweiden und Koppelschafweiden integriert werden. Behörden auf nationaler bzw. Bundesländer-Ebene können eine naturschutzfachlich rechtssicher abgrenzbare, mit speziellen Zielsetzungen versehene Flächenkulisse festlegen, die insbesondere folgende Bausteine enthält: (a) Natura 2000 (Managementpläne, Zielarten, LRT); (b) Naturschutzgebiete und Pflegezone der Biosphärenreservate (Pflegepläne, Zielarten, festgeschriebene Ziele); (c) Wasserrahmenrichtline (Bewirtschaftungspläne); (d) Gebietskulisse sonstiger naturschutzfachlich relevanter Pläne und Konzepte (z.B. Biotopverbundkonzepte, Konzepte zur naturverträglichen Bewirtschaftung von Niedermoorböden).

Das Verwaltungs- und Kontrollsystem könnte dann so auf die betroffenen Flächen ausgerichtet werden, dass die Kontrollen von Extensivflächen für die Bewirtschafter und Landwirtschaftsbehörden erheblich erleichtert würden. Die Vorgaben für Prämiensanktionen müssten über die Naturschutzbehörden erfolgen. Darüber hinaus muss auf den Flächen die Zahlung von Ausgleichszulage und Agrarumweltmaßnahmen weiterhin möglich bleiben.

4.2 Definition beihilfefähiger Flächen präzisieren

Lösung 2 wäre die Änderung der bestehenden Regelung:

(a) umfassendere und prägnantere Dauergrünland-Definition in Art. 4 Abs. 1 (h) VO KOM(2011) 625:

Flächen, die von Gräsern oder anderen Futterpflanzen (durch Selbstaussaat oder Einsaat) bewachsen sind und seit mindestens fünf Jahren nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind. [Rest des Vorschlags des Kommission streichen.]

Weiterhin ist die Definition von Gräsern und Futterpflanzen (nicht Grünfutterpflanzen, wie im Entwurf benannt) in Buchstabe (i) zur Klarstellung zu ergänzen:

Hierunter fallen ebenfalls Zwergsträucher und andere holzige und krautige Pflanzen (zum Beispiel „Weideunkräuter“).

(b) Ausnahmetatbestände in die Folgeverordnung von VO (EG) Nr. 1122/2009 Art. 34 Abs. 2 einfügen, indem ein zusätzlicher Absatz für Extensivweiden bzw. landwirtschaftlich genutzte Naturschutzflächen (unabhängig von einem entsprechenden Nutzungscode) integriert wird. Dieser unterstreicht, dass die Anerkennung der Prämienberechtigung von Extensivweiden keinerlei Einschränkungen hinsichtlich Zahl oder Fläche von Gehölzen einschließlich Bäumen unterliegen, da eine vorherrschende Grasnarbe bzw. „anderer Grünfutterpflanzen“ – wie sie die Dauergrünland-Definition in Art. 4 (h) VO KOM(2011) 625 nahelegt – fachlich kein Kriterium der Eignung für Weidenutzung darstellt. Lediglich die Nutzungsaufgabe ist zu vermeiden, welche anhand des Überwachsens durch Gehölze nachweisbar ist (EFNCP 2011, 2012). Die nationalen Behörden haben die Beweidung bzw. Vegetationsdynamik zu überwachen, wobei die Kontrollen an die Gegebenheiten der Umwelt und der landwirtschaftlichen Systeme und nicht die Systeme an die Kontrollen anzupassen sind (EFNCP 2012).

4.3 Gehölze auf Weiden ohne CC-Schutz

Lösung 3 beinhaltet die Herausnahme von Gehölzen als Teil der Landschaftselemente (LE) aus dem Cross-Compliance-Schutz auf Extensivweiden – durch Definition eines maximalen Flächenanteils an LE von bis zu 50 %, die auch ohne CC-Schutz Teil der beihilfefähigen Fläche sind (Brutto- statt Nettofläche). Dieses ist aufgrund des Fressverhaltens der Weidetiere und weiterer Funktionen der Gehölze (Unterstand, Komfortfunktion; s. EFNCP 2012) gerechtfertigt.

4.4 Erweiterungen der Messtoleranzen

Förderfähige Grünlandflächen müssen identifizierbar, lokalisierbar und vermessbar sein. Besonders die Abgrenzung der Außenflächen muss zuverlässig festgelegt werden können, um die Förderfähigkeit zu gewährleisten. Gerade Übergänge zwischen Weide und Wald, die ökologisch von besonderer Bedeutung sind, sind schwierig abzugrenzen.

In Anbetracht der immer geringeren Messtoleranzen (Abschnitt 3.3) sollte der Toleranzfaktor (Pufferwert) künftig im Minimum nach der Formel Umfang x mindestens 1m (besser 2m) berechnet werden – im Beispiel aus Abschnitt 3.3 ergäben sich 650 m² (1 m) bzw. 1300 m² (2m) Toleranz (= 2,3 % bzw. 4,6 % der Gesamt- Parzellenfläche von 2,8 ha unter Annahme einer theoretisch quadratischen Weidefläche). Für eine quadratische 10-ha-Fläche resultierten 1264 m² (= 1,3 bzw. 2,6 %). Da die Grenzlinienlänge bei gleicher Flächengröße mit der Unregelmäßigkeit des Flächenzuschnitts steigt, erhöht sich auf ungleichmäßig dimensionierten Flächen die Toleranzfläche, was der realistischen Notwendigkeit aufgrund erhöhter Abgrenzungsungenauigkeit entspricht.

5 Bedeutungen der ­Prämienfähigkeit

5.1 Aus Sicht landwirtschaftlicher Betriebe

Aus folgenden Gründen ist eine Prämienfähigkeit in der 1. Säule notwendig:

Verwaltungsvereinfachung: Die bisherigen Regelungen bergen große Unsicherheiten und lösen einen erheblichen Auslegungsbedarf aus: Welche Teilflächen sind prämienberechtigt, welche nicht? Dieses bedeutet einen hohen, vermeidbaren Mehraufwand: für den beantragenden Landwirt, für die Agrarverwaltung und für Kontrollen – somit ist keine ausreichende Rechtssicherheit gegeben (s. Abschnitt 3.2). Würde hingegen die Prämienfähigkeit von der Nutzung (Weide und/oder Mahd) und nicht von der Vegetation der Flächen abhängig gestaltet, könnte ein erheblicher Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung geleistet werden.

landwirtschaftliche Urproduktion: Sämtliche in Tab. 1 benannten Lebensraumtypen und ihre in Abschnitt 2.3 beschriebene Durchdringung mit Landschaftselementen, insbesondere Gehölzen, sind charakteristische Ergebnisse einer landwirtschaftlichen Nutzung. Diese prägen Kulturlandschaften in allen EU-Mitgliedstaaten. Gerade auf von Natur aus ertragsschwachen Standorten ist die Beweidung vielfach die einzig mögliche landwirtschaftliche Urproduktion. Diese sollte nicht aufgegeben werden.

Einkommensrelevanz: Die Ökonomie aller Weidebetriebe basiert auf folgenden unverzichtbaren Einkommensquellen: Betriebsprämie (Direktzahlungen), Agrar­umweltmaßnahmen oder/und in Deutschland vielfach auch alternative Naturschutzprogramme, in entsprechenden Kulissen vielfach die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete sowie Erlöse über den Produktverkauf. In vielen Fällen können Weidebetriebe selbst bei optimaler Kombination und Ausnutzung dieser Bausteine schon jetzt kein auskömmliches Betriebseinkommen mehr realisieren. Gerade die Direktzahlungen sind grundsätzlich Einkommenshilfen und als solche für Weidebetriebe, wie für andere landwirtschaftliche Betriebe, unverzichtbar.

Öffentliche Transferleistungen tragen rund zur Hälfte bis fast zwei Drittel zum wirtschaftlichen Ertrag in Weidebetrieben bei, wie folgende Beispiele belegen:

(a)Spezialisierte Schafbetriebe in den ostdeutschen Bundesländern erzielten in den Betriebsjahren 2006/07 bis 2008/09 im Mittel 59,6 % ihres Ertrags aus öffentliche Transferleistungen, aufgeteilt auf KULAP (26,4 %), Betriebsprämie (25,5 %) und Ausgleichszulage (7,6 %) (Strümpfel 2010). Im Wirtschaftsjahr 2009/10 betrug dieser Anteil 63 % (497€/ha LF) (SLULG et al. 2011).

(b)Für Mutterkuhhalter in Mecklenburg-Vorpommern macht der Anteil öffentlicher Transferleistungen (einschließlich Betriebsprämie) an den Gesamterlösen bis zu 50 % aus (Dietze 2010), in ostdeutschen Mutterkuhbetrieben durchschnittlich 52 %, aufgeteilt auf Betriebsprämie (27 %), KULAP (15 %) und Ausgleichszulage (10 %) (Strümpfel 2010).

(c)Auch größere Schafbetriebe in strukturell problematischen Gebietskulissen wie in Süddeutschland decken im Mittel 56 % ihres Umsatzes aus Prämienzahlungen (Over et al. 2011): 36 untersuchte Betriebe mit >400 Mutterschafen (im Mittel 733 Mutterschafe/Betrieb) erwirtschafteten im Durchschnitt einen Gewinn von 37€/Mutterschaf – das entspricht bei 8Akh/Mutterschaf an Arbeitszeitbedarf einer unbefriedigendem Arbeitsentlohnung von etwa 5€/Akh. In der Vollkostenrechnung ergibt sich ein defizitäres kalkulatorisches Betriebszweigergebnis von –34€/Mutterschaf.

Folge dieser trotz Transferzahlungen prekären wirtschaftliche Situation insbesondere von Schäfereibetrieben ist ein Betriebssterben: In Thüringen nahm die Zahl der Mutterschafe binnen eines Jahres von rund 153000 Mutterschafen um rund 20000 auf 132623 Mutterschafe im Jahr 2010 ab (–13,1 %; H. Hochberg, TLL, mdl.). In Bayern reduzierte sich die Zahl der Mutterschafe binnen sechs Jahren von 2005 bis 2011 von rund 291700 um 19,6 % auf 234527 Mutterschafe, die Zahl der Betriebe um 14,1 % (P. Reuter, LBS, mdl.). Mit der Schafhaltung wird ein wesentlicher Akteur in der Nutzung der Kulturlandschaft auf Standorten entfallen, die in der Regel anders nicht sinnvoll landwirtschaftlich genutzt werden können und alternativ unverhältnismäßig teuer gepflegt werden müssten.

5.2 Aus Sicht das Naturschutzes

Die besonderen Erhaltungsgebiete (BEG) bzw. Special Areas of Conservation (SAC) der FFH-Richtlinie im Rahmen des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 sind in besonderer Weise von Beweidung abhängig. Bricht diese in aller Regel lang tradierte landwirtschaftliche Nutzung weg, so kann der für die Mitgliedsstaaten zwingend zu erreichende günstige Erhaltungszustand der Lebensraumtypen nicht erreicht werden.

Problematisch sind vor dem Hintergrund der o.g. Dauergrünland-Definition nutzungsabhängige Lebensräume, die eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften aufweisen:

(a) Überwiegen von so genannten Nichtfutterpflanzen:

Zwerg- und Halbsträucher als charakteristische Bestandteile der Vegetation (Besen-, Glockenheide, Heidel-, Preisel-, Krähenbeere, Ginster-Arten etc.);

Binsen-, Seggen-Arten, Schilf u.a. Gräser, die nicht typischerweise als Grünfutterpflanzen gewertet werden;

typische oder sukzessionsbedingte Verbuschung (im ersten Fall insbesondere Wacholder, ansonsten die verschiedensten Sträucher und Bäume);

Baum- und sonstige Gehölzbestände als typimmanente Bestandteile (wie Streuobstwiesen und Hutewälder).

(b) eine <50 % betragende Vegetationsdeckung durch Futterpflanzen: von ­Natur aus lückenhafte Vegetation und/oder hohe Anteile von Moosen und/oder Flechten.

In Tab. 1 sind Vegetations-/Lebensraumtypen aufgelistet, für die bei Beweidung eine Prämienberechtigung in Frage steht. Zum einen ist ein breites Spektrum an Lebensraumtypen betroffen, die durch Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) besonders zu schützen sind. Zum anderen geht es aber auch um besonders charakteristische weideabhängige Elemente vieler Kulturlandschaften, die keinen Schutz durch die FFH-Richtlinie haben. Dazu zählen Hutewälder, Streuobstwiesen, Waldrandbereiche und generell Extensivweiden mit variablen Gehölzanteilen.

Lebensraumtypen mit den vorgenannten Eigenschaften kommen in Deutschland (und Europa) in sehr unterschiedlicher Flächengröße vor (vgl. Flächenangaben in Tab. 1). Die flächenrelevantesten FFH-LRT in Deutschland sind Trockene Heiden (4030; ca. 48900 ha), Geschädigte Hochmoore (7120; 46900 ha), Feuchte Hochstaudenfluren (6430; 39800 ha) und Kalk-Trockenrasen (*6210; 39500 ha). Die Flächensumme der (teilweise) relevanten FFH-Lebensraumtypen in Deutschland beträgt 3086,5 km² – zum Vergleich: Diese Fläche entspricht 6,6 % der Dauergrünlandfläche oder 1,8 % der LN des Jahres 2011. Der nur in Ausnahmefällen als „günstig“ eingestufte Erhaltungszustand dieser LRT dokumentiert dringend notwendigen Handlungsbedarf, dem sich auch die Agrarpolitik nicht verschließen darf.

Bisher ist der Großteil der Extensivweiden in Deutschland trotz erheblicher Schwierigkeiten bei Einhaltung der Bewirtschaftungsvorgaben als prämienberechtigt eingestuft. Künftig sind aber Verschlechterungen infolge der o.g. auslegungsbedürftigen Definitionen zu befürchten.

6 Europäische Beispiele

In allen Mitgliedsstaaten haben die in Tab. 1 aufgelisteten Lebensraumtypen in unterschiedlicher Gewichtung Relevanz. Exemplarisch wird die Situation in fünf EU-Mitgliedsstaaten skizziert (aus Gazenbeek & Jedicke 2011):

Estland besitzt Auengrünland auf 51000 ha Fläche, Karstflächen mit schütterer Vegetation (Alvar) 20000 ha, trockenes Grünland 17500ha, Küstengrünland 15000 ha, Gehölz-bestandene Wiesen bzw. Weiden 8000 bzw. 3000 ha. Alle diese Grünlandtypen – zusammen 114500 ha oder 37 % der gesamten Grünlandfläche Estlands – sind hinsichtlich ihrer Prä­mien­fähigkeit unter der aktuellen Definition mindestens kritisch zu bewerten.

In Finnland ist der größte Teil der insgesamt 18700 ha großen traditionellen ländlichen Biotoptypen nach der aktuellen Definition nur eingeschränkt prämienfähig (Daten bezogen auf 1992 bis 1998): 29 % der Gesamtfläche nehmen Waldweiden und 10 % Gehölz-bestandene Weiden ein (zusammen mit 7300ha Fläche der bedeutsamste finnische Grünlandtyp), 13 % Moorgrünland, 10 % Küstengrünland und zusammen 10 % Auen- und Nassgrünland. Der Anteil an Natura-2000-Gebieten außerhalb der Gehölz-bestandenen Grünlandtypen ist hoch. Letztere sind stark zurückgegangen: beispielsweise in der Region Kainuu von 58000 ha Fläche in den 1950er-Jahren auf nur 1000 ha in den 1990er-Jahren.

Rumänien ist eines der mit HNV-Grünland am reichsten ausgestatteten Länder Europas, ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind großflächige Weiden (Stand 1998). Bezüglich der Prämienfähigkeit kritische Typen sind: (a) trockenes Grasland mit Dünen-Grünland, Salzgrünland- und Salzsteppen, xerothermophiles Grünland (u.a. Federgras-Steppen), alpines Kalkgrünland; (b) Hochstaudenfluren; (c) Feuchtgrünland in Auen, basenreiche und saure Niedermoore mit Seggen, Riede mit Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea) u.a. Arten.

In der Slowakischen Republik ist ebenfalls eine besonders große Vielfalt an Grünland-Typen vorhanden. Von rund 340000 ha (halb)natürlichem Grasland sind 15 % Feuchtgrünland und 8 % trockenes Grünland (2004). Verbreitet sind Borstgrasrasen, Feuchtgrünland (u.a. Brenndolden-Überschwemmungswiesen, Großseggenriede, Röhrichte, Moore), trockenes Grünland (meist auf Kalk, u.a. subkontinentales Steppen-Grasland, Blaugrasrasen) sowie subalpine Grünlandtypen. Ein besonderes Problem ist, dass bereits ab 5 % Baumüberdeckung Weideflächen nicht mehr als Landwirtschaftsfläche eingestuft werden. Ohne verfügbare Prämien wird sichtbar die Nutzung großflächig aufgegeben und der natürlichen Sukzession überlassen.

Für Ungarn besitzen vor allem folgende Grünlandtypen in Bezug auf die fragliche Prämienfähigkeit Relevanz: (a) trockenes Grünland (besonders Lösssteppen, meist sekundärer Entstehung und vielfach verbuscht); (b) Sandsteppen, vor allem in der ungarischen Tiefebene, hier mit starkem Sukzessionsdruck durch Neophyten wie Robinie (Robinia pseudo-acacia); (c) Salzgrünland (30 % des Grünlands in Ungarn, hauptsächlich in der ungarischen Tiefebene – hier liegen die größten Salzmarschen Europas; (d) verschiedene xerotherme baumlose Vegetationstypen wie Borstgrasrasen, Calluna-Zwergstrauchheiden, halbtrockene Grünlandtypen; (e) Felsstep­pen auf Dolomit, Kalk und Silikatgesteinen; (f) Moore; (g) Hochstaudenfluren. Per Definition mit Gehölzen bestandene FFH-Lebensraumtypen, die hinsichtlich der Prämienberechtigung Probleme aufwerfen, sind insbesondere die prioritären Lebensraumypen *6530 (Wiesen mit Gehölzen in Fennoskandien) und *5130 (Wachholderheiden und rasen).

In manchen EU-Mitgliedsstaaten (z.B. Frankreich, Österreich, Dänemark) werden Direktzahlungen aktuell noch in Form von Tierprämien und gekoppelt an den Tierbestand belassen und nicht bereits komplett, wie z.B. in Deutschland und den jüngeren EU-Beitrittsländern, unabhängig vom Tierbestand an die Fläche gebunden. Das garantiert bis heute eine vielfach noch gegebene interessante Wirtschaftlichkeit der Betriebe, die nach Entkoppelung und ggf. Wegfall der Prämienberechtigung bestimmter Lebensraum- bzw. Flächentypen nicht mehr gegeben wäre. Generell ist zu befürchten, dass europaweit, bei sehr enger Auslegung der Förderwürdigkeit von Grünlandflächen, mit der neuen Förderperiode für extensiv wirtschaftende Weidebetriebe keine ausreichenden Existenzgrundlagen mehr bestehen.

7 Ausblick

HNV-Grünland-Flächen haben in Deutschland einen Anteil von 5,7 % an der gesamten Landwirtschaftsfläche bzw. 13,7 % der Grünlandfläche. Diese Quantifizierung basiert auf fachlich relativ niederschwelliger Einstufung (PAN et al. 2011); Flächen und Kulissen mit hoher Biodiversität, wie zum Beispiel A-Flächen entsprechend der FFH-Zustandsbewertungen, haben deutlich geringere Anteile an der Landwirtschaftsfläche. Das Erreichen von Biodiversitätszielen erfordert große Anstrengungen, damit nicht allein der Status quo in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhalten bleibt, sondern eine maßgebliche Verbesserung erzielt werden kann. Der vorliegende Beitrag verdeutlicht, dass die Verordnungs-Entwürfe der Europäischen Kommission für die neue GAP-Förderperiode von 2014 bis 2020 diesen Anforderungen noch nicht genügen – auch nicht zur Zielerreichung der durch die Europäische Kommission (2011d) selbst konstatierten „immensen Bedeutung“, welche die „Förderung umwelt- und klimafreundlicher Nutzung“ haben soll.

Extensive Grünland-Nutzungen sind weitgehend von öffentlichen Transferzahlungen abhängig. Dazu tragen als verlässliche Komponente sowohl die Direktzahlungen aus der 1. Säule bei als auch Zahlungen über Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzprogramme aus der 2. Säule. Es ist zwingend erforderlich, Kriterien für eine praxisgerechte und einfach zu handhabende Prämienberechtigung für alle extensiven Weidesysteme zu formulieren. Auf Basis einer Problemanalyse werden mit diesem Beitrag geeignete Vorschläge vorgestellt, die gleichzeitig zur Entbürokratisierung beitragen. Die Problemlage ist nicht allein in Deutschland relevant, sondern gleichermaßen für ganz Europa. Jetzt kommt es darauf an, gute Vorschläge in das laufende GAP-Änderungsverfahren so einzubringen, dass sie auch auf der Operationalisierungsebene sichtbar und wirksam sind.

In Ländern, in denen die Direktzahlungen noch nicht vollständig entkoppelt wurden, kann die Einbeziehung von extensiven Grünlandflächen in die Prämienfähigkeit zur Verdünnung der Direktzahlungen auf allen Flächen führen. Da die gegenwärtige Höhe der Prämie essenzieller Bestandteil einer tragfähigen Mindesthonorierung

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