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Aktuelles aus Brüssel

Europarecht besser umsetzen

In wohl keinem Rechtsbereich der Europäischen Union kommen die Mitgliedstaaten so nachlässig und zögerlich den von ihnen selbst beschlossenen Verpflichtungen nach wie im Umweltbereich. Das gilt auch für den oft beschworenen „Umwelt-Musterknaben“ Deutschland, in dem selbst „basics“ eines vorsorgenden Umwelt- und Ressourcenschutzes wie die UVP-Richtlinie (1985) oder die EU-Richtlinien zur Umsetzung der Aarhus-Konvention (1998) erst mit jahrelanger Verzögerung, im Falle des Zugangs von Bürgern und Naturschutzverbänden zu Gerichten bis heute nicht vollständig umgesetzt wurden (Trianel-Urteil des EuGH vom 12. Mai 2011, Rechtssache C-115/09).

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Davon sind auch die beiden Grundpfeiler zur Erreichung der EU-Biodiversitätsziele betroffen, die Vogelschutzrichtlinie von 1979 und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, die im Mai 2012 immerhin auch schon 20 Jahre in Kraft ist. Beide Richtlinien wurden nach jeweils intensiven Diskussionen mit allen Beteiligten einstimmig von den Mitgliedstaaten beschlossen, und dennoch wurden ihre gebiets- und artenschutzrechtlichen Inhalte bis heute nicht vollständig umgesetzt.

Die Diskussion um eine bessere Umsetzung der beschlossenen Rechtsakte sowie einer besseren Kontrolle ihrer Umsetzung und Sanktionsmöglichkeiten gegen säumige Mitgliedstaaten ist daher ebenso alt wie die Diskussion der besseren Integration der Umweltbelange in die anderen Rechtsbereiche der EU. Mit dem von den Staatschefs im März 2010 verabschiedeten neuen EU-Biodiversitätsziel und der entsprechenden Umsetzungsstrategie vom Mai 2011 haben Mitgliedstaaten und Kommission erste „Pflöcke eingerammt“, um diese Situation zu verbessern (Naturschutz und Landschaftsplanung 6/2011, Seite 162). Schließlich ist heute, spätestens seit den TEEB-Studien, jedermann und jedem Politiker klar, dass es nicht nur um unser aller Lebensgrundlagen geht, sondern dass sich ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen auch „rechnet“.

Zu diesem Themenkomplex liegen jetzt zwei neue wichtige Dokumente vor; zudem hat die Europäische Kommission am 12. März eine öffentliche Konsultation zum 7. Umweltaktionsprogramm (7. UAP) der Europäischen Union gestartet, in dem die umweltpolitischen Prioritäten der EU bis 2020 festgelegt werden sollen. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes hat Ende Februar einen Initiativbericht des Abgeordneten Jo Leinen, von 2009 bis Januar 2012 Vorsitzender des Umweltausschusses, mit Eckpunkten für ein 7. UAP der EU beschlossen (2011/2194(INI).

Darin fordert das Parlament die Kommission auf, ihre Vorschläge für das künftige UAP an den Prioritäten Umsetzung und Stärkung des beschlos­senen Umweltrechtes, seine bessere Integration in andere Rechtsbereiche, und an der internationalen Dimension zu orientieren. Inhaltliche Schwerpunkte sollen der Klimaschutz, die effiziente und nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen, die biologische Vielfalt sowie die Qualität von Umwelt und Gesundheit sein. Hinsichtlich der Durchsetzung soll die Kommission ihre Rolle als „Wächterin der Verträge“ stärker wahrnehmen. Zudem fordert das Parlament die Kommission auf, die Einrichtung eines Umweltinspektionsdienstes und entsprechender Kapazitäten zu prüfen und dazu einen Richtlinien-Vorschlag vorzulegen. Der Bericht muss jetzt noch im Plenum des Europaparlamentes verabschiedet werden.

Als Reaktion auf die Aufforderung des Umweltrates vom Dezember 2010 und die Vorgaben in Ziel 1 der EU-Biodiversitätsstrategie hat die Europäische Kommission als ersten Schritt für den Bereich Umsetzung am 07. März 2012 eine Mitteilung mit konkreten Vorschlägen für eine bessere Information über Umweltmaßnahmen der EU, Schließung der Lücken bei Umweltinformationssystemen auf EU- und nationaler Ebene, Verbesserung der Inspektion und Überwachung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie einer Verbesserung des Umgangs mit Beschwerden und des Zugangs zu Gerichten vorgelegt (KOM(2012) 95 endgültig). Ganz im Sinne der oben erwähnten ökonomischen Vorteile eines nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen betont die Kommission auch hier, dass die Vorschläge nicht nur der Senkung der Kosten von Umweltschäden dienen, sondern auch Arbeitsplätze schaffen. So rechnet die Kommission mit Einsparungen von bis zu 50 Milliarden Euro pro Jahr, allein die vollständige Umsetzung des EU-Abfallrechtes könne etwa 400.000 neue Arbeitsplätze schaffen und zu Einsparungen von 72 Milliarden Euro führen. Das Papier deutet in die richtige Richtung, bleibt aber in vielen Bereichen sehr unkonkret und hätte sicher noch ambitionierter ausfallen können. Der Ball liegt jetzt bei Parlament und Rat.

Die Mitteilung der Kommission vom 07. März mit dem in deutscher Übersetzung etwas sperrigen Titel „Konkrete Vorteile aus den Umweltmaßnahmen der EU: Schaffung von Vertrauen durch mehr Information und größere Reak­tionsbereitschaft der Behörden“, Pressemeldungen und Hintergrundinformationen der Kommission sind abrufbar unter: http://ec.europa.eu/en vironment/legal/law/.

Die bis zum 01. Juni 2012 laufende öffentliche Konsultation zum 7. Umweltaktionsprogramm sowie zahlreiche informative Hintergrundinformationen und Studien sind zu finden unter: http://ec.euro pa.eu/environment/consulta tions/7eap_en.htm.

Claus Mayr, NABU, Direktor Europapolitik, Brüssel,

Claus.Mayr@NABU.de

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