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Zukunftsaufgabe ländlicher Raum

Die Strukturfonds der Europäischen Union sind eine wichtige Quelle für die Finanzierung von Programmen zur Entwicklung der ländlichen Räume wie etwa Flurneuordnung, Dorferneuerung oder Leader. 2013 endet die laufende Förderperiode. Welche Erfahrungen bisher gemacht wurden und wie es ab 2014 weitergehen könnte, waren Themen, die in einer Veranstaltung der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum mit Experten aus Bayern, Deutschland und Österreich diskutiert wurden.

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Von Christian Thurmaier

Die EU-Kommission hat im Juni 2011 den Finanzrahmen für die Förderperiode ab 2014 beschlossen und vorgeschlagen, die bewährte Zwei-­Säulen-Struktur der Agrarpolitik beizubehalten. Bevor aber auf die zukünftige Ausgestaltung einzugehen war, ließ der ehemalige Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Dr. Martin Wille den Blick in die Vergangenheit schweifen. Die EU-Halbzeit­bewertung attestiere der Agrarpolitik in den Bereichen Umweltschutz und Klimaschutz eine ungenügende Umsetzung. Andererseits habe der Europäische Rechnungshof kritisiert, dass die Vorschriften innerhalb der Maßnahmen der ländlichen Entwicklung vereinfacht und die Kontrollsysteme effizienter werden müssten. Schnürt uns die Bürokratie mittlerweile die Luft ab?

Prof. Dr. Otmar Seibert von der Fakultät für Landwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf brachte den Zuhörern die EU-Halbzeitbewertung aus bayerischer Sicht näher. Eine einheitliche Beurteilung sei allein schon dadurch schwierig, weil Bayern sehr heterogene Räume aufweise. Die Aufteilung der Budgets auf die einzelnen Schwerpunkte des ELER-­Programms weiche teilweise noch stark von den vorgegebenen Mindestwerten ab; so sei der Schwerpunkt 2 (Umwelt) weit überzeichnet, im Schwerpunkt 4 (Leader) sei das Mindest­budget noch nicht erreicht. Im Schwerpunkt 1 spiele die Flurneuordnung weiter eine wichtige Rolle. Seibert mahnte eine raschere Umsetzung der Verfahren an und setzt auf mehr Freiwilligkeit (z.B. freiwilliger Nutzungstausch). Übergeordnetes Ziel bei der Stärkung der ländlichen Räume sei die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Leader benötige stetigere Managementstrukturen, um fördertechnisch attraktiver zu werden.

Aus Sicht des Bundes geht es vor allem darum, die Programme und Förderbedingungen den aktuellen Erfordernissen der Mitgliedstaaten besser anzupassen. Subsidiarität sollte auch bezüglich der Programmplanung gelebt werden. Daher wurde Wert darauf gelegt, die inhaltliche Ausgestaltung des Nationalen Strategieplans von den Bundesländern erarbeiten zu lassen, so MD Dr. Theodor Seegers vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Bei der Evaluierung würden einige wenige Schlüsselindikatoren statt der derzeitigen 160 genügen. Seegers empfahl für die folgende Förderperiode vor allem die Beibehaltung der Trennung von 1. und 2. Säule, eine Überprüfung der GAP auf vermeidbaren Bürokratismus und eine gerechte Honorierung der Landwirtschaft für die gesellschaftlich erwünschten Leistungen, die über das gesetzlich erforderliche Maß hinausgehen.

Noch stärker als in Bayern sei in Österreich ein hoher Anteil kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe zu verzeichnen, berichtete MR Ignaz Knöbl vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Österreich. Der dortige ländliche Raum nehme gegenüber den urbanen Zentren in Sachen Bruttowertschöpfung und Zahl der Erwerbstätigen seit 1995 eine günstigere Entwicklung. Nicht von ungefähr komme auch der sehr hohe Förderanteil Österreichs an der 2. Säule, die sich mit etwa 50% mit der 1. Säule das Budget teile. Mit den beiden herausragenden Maßnahmen ÖPUL (ähnlich dem Programm KULAP in Bayern) und Bergbauernförderung (entspricht etwa der bayerischen Ausgleichszulage) werde die Kulturlandschaft Österreichs maßgeblich gestützt und die Einkommen der Landwirte gesichert.

Wie sollten die Programme nach 2013 ausgestaltet sein, um den künftigen Herausforderungen bestmöglich zu begegnen? Dr. Josefine Loriz-Hoffmann, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission, rechtfertigte die ländliche Entwicklungspolitik mit der Befürchtung, dass ohne gezielte Förderung der ländliche Raum den Märkten ausgeliefert wäre und es zu unvorhersehbaren und unerwünschten Entwicklungen käme. Aus Sicht der EU nannte sie sozioökonomische, ökologische und territoriale Herausforderungen, die einen Beitrag zur Strategie EU 2020 liefern sollten. Diese solle durch drei Wachstumspfade sichergestellt werden, so Lo-riz-Hoffmann: Intelligentes Wachstum solle u.a. durch „grüne“ und innovative Technologien den Klimawandel abfedern, wohingegen integratives Wachstum lokale Beschäftigung und Diversifizierung ermöglichen könne. Der dritte Pfad sei die Nachhaltigkeit mit den Schwerpunkten Ressourceneffizienz, Erhalt der Artenvielfalt und nachhaltiger Landbewirtschaftung.

Die langfristigen strategischen Ziele des bisherigen Programms Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltiger Umgang mit Ressourcen und ausgewogene territoriale Entwicklung blieben erhalten. Wichtige Maßnahmenbereiche eines verschlankten Systems wären neue Technologien, Wissens­transfer, ökonomische und ökologische Kooperationen, Risikomanagement und Leader. Um die Ziele zu erreichen, sollen, so Loriz-Hoffmann, gemeinsame Zielindikatoren für jeden der Schwerpunkte entwickelt und das Achsensystem aufgegeben werden.

„Was braucht Bayern?“, lautete die Frage an Ministerialdirigent Dr. Theodor Weber, der am bayerischen Landwirtschaftsministerium für die Agrarpolitik zuständig ist. Wichtig wäre ihm, dass die bayerischen Grundprinzipien der dezentralen Entwicklung und der Subsidiarität beachtet werden. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, brauche Bayern eine wettbewerbsfähige, multifunktionale, nachhaltige und flächendeckende Landwirtschaft sowie einen vitalen ländlichen Raum. Das Agrarbudget müsse in der bisherigen Höhe erhalten bleiben, wobei für ihn erste Priorität habe, dass das Finanzvolumen der 2. Säule nicht angetastet werde. Nach Brüssel richtete Weber die Bitte, das Landwirtschaftsbudget nicht als „Steinbruch“ für andere Politiken zu verwenden. Wie in Zukunft die demographische Entwicklung zu berücksichtigen sei, sei eines der größten noch ungelösten Probleme.

Der Vertreter des Bayerischen Gemeindetags, Dr. Franz Dirnberger, kritisierte eine mangelnde Transparenz der EU-Politik. Die Gemeinden forderten von der künftigen Agrarpolitik, „in Ruhe arbeiten zu können“ und die Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu erhalten. Um die Reibungsverluste durch sieben Ver­waltungsebenen zu verringern, wäre eine Verlagerung der Entscheidungskompetenz bezüglich der Fördermittel auf die unterste Ebene vonnöten.

Moderiert durch den Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Kuratoriums der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, Univ.-Prof. Dr. Alois Heißenhuber, schloss sich eine Podiumsdiskussion zur Prüfdichte und Prüfintensität der Kontrollen sowie zu Leader und der Abstimmung der Förderpolitiken an.

Dr. Wille fasste die Tagung in kurzen Stichpunkten zusammen:

Das Thema Bürokratieabbau zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Es sollten aber auch die Ursachen für den hohen Verwaltungsaufwand objektiv ermittelt werden. Liegt es vielleicht u.a. an (ineffizienten) Verwaltungsstrukturen?

Die Förderperiode 2007 bis 2013 wird von den Mitgliedsländern überwiegend als positiv betrachtet. Von den Vortragenden war auch ein vorsichtiger Optimismus für 2014 und danach zu spüren.

Allerdings müssen die Fonds besser untereinander abgestimmt werden. Und dies wird noch eine Mammutaufgabe werden!

Anschrift des Verfassers: Dr.-Ing. Christian Thurmaier, Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern, Dr.-Schlögl-Platz 1, D-94405 Landau a.d. Isar, E-Mail Christian.Thurmaier@ale-nb.bayern.de

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