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Editorial

Mit Sachlichkeit die Kommunalpolitik erreichen

Sachlichkeit zahlt sich aus. So sollte es zumindest sein und dazu versuchen wir jeden Monat neu, mit Naturschutz und Landschaftsplanung Beiträge zu leisten – mit Informationen, Analysen und Praxisbeispielen. Da relativiert sich die oft emotional geführte Diskussion um Schäden durch sich vermeintlich exorbitant vermehrende Wildgänse, wenn – wie in diesem Heft – Bestandszahlen und entwicklungen der globalen Populationen auf den Tisch kommen und die große Verantwortung Deutschlands für den Arterhalt deutlich wird. Wie so oft: Ein Blick über den Tellerrand hilft!

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Da sind es gute Signale, wenn sich Umweltverbände und Netzbetreiber in Europa an einen Tisch setzen und den Rahmen für einen naturverträglichen Ausbau der Energienetze spannen (siehe „Aktuelles aus Brüssel“) – statt wieder und wieder zu fordern, die naturschutzrechtlichen Standards zu senken. In dieser Beziehung tut sich Hessens Wirtschaftsminister Posch wieder einmal mit unquali­fizierten Forderungen zur Beschneidung der Eingriffsregelung hervor (siehe Kurzmeldung „Eingriffsregelung unter Beschuss“): mit dem Ruf nach Gleichstellung der Ersatzgeldzahlung mit der Naturalkompensation.

Ähnlich wird der Deutsche Bauernverband nimmer müde, die Flächenverluste durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mit dem Flächenfraß durch Baumaßnahmen in ­einen Topf zu werfen. Statt die Gemeinsamkeiten mit den Umweltverbänden und politikern zu suchen, was die ­konsequente Reduktion der Neuversiegelung von Flächen anbelangt, polarisiert er durch seine pauschale Verunglimpfung der Eingriffsregelung. Dabei geht der Trend ganz klar dahin, dass verstärkt nutzungsintegriert kompensiert wird.

Mehr Sachlichkeit wäre allerorten zu wünschen. Blicken wir – wie schon im Editorial in Heft 1/2011 – noch einmal nach Aachen zu dem geplanten grenzüberschreitenden deutsch-belgischen Gewerbegebiet Avantis: Statt 10000 bis 12000 Arbeitsplätzen auf 100 ha Fläche sind heute nach mehr als 50 Mio. € In­vestitionen aus Steuergeldern 24 Mio. € Schulden der zur Vermarktung eingesetzten niederländischen Aktiengesellschaft Avantis GOB aufgehäuft. Statt endlich die Aussichtslosigkeit dieses Flächenfraßes einzugestehen, pumpt die Stadt Aachen als einer von vier Gesellschaftern erneut bis zu 6,75 Mio. € in die vermeintliche Rettung der Totgeburt. Bisher wurden in elf Jahren nur 3,2 % des Gebietes verkauft.

Der als „Planungsverhin­derer“ viel gescholtene Feldhamster als europarechtlich besonders geschützte Art hätte hier sein wahres Gesicht offenbaren können: als Mahner vor dem Größenwahn. Das Denkmuster ist immer dasselbe: Schaffe ich Gewerbegebiete als Angebot (je größer, desto besser), dann werden Arbeitsplätze resultieren. Diese Rechnung geht heute mindestens so wenig wie früher auf, im besten Fall kommt es zur Arbeitsplatzverlagerung. Intelligente und nachhaltige Wirtschaftspolitik sieht anders aus.

Und dennoch machen Kom­munalpolitiker – gleich welcher Couleur – diesen Fehler im Großen wie im Kleinen täglich wieder. Da schafft ein Landkreis binnen einer Woche die baurechtlichen Voraussetzungen für den Bau einer Logistikhalle. Und um die Furcht der Bevölkerung vor dem wachsenden Lkw-Verkehr zu ersticken, wird der Bau einer Umgehungsstraße binnen zwei Jahren versprochen. Und das, wo der Landkreis als Bauträger völlig klamm ist. Wie lautete das 2020-Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie? Runter mit dem Flächenverbrauch von 94 (2009) auf 30 ha/Tag. Alle solche Strategien taugen erst dann wirklich etwas, wenn sie in der Kommunalpolitik angekommen sind – und davon sind wir weit entfernt. Wie auch im Themenfeld Klimawandel, dessen Konsequenzen der erste Hauptbeitrag für den kommunalen Landschaftsplan thematisiert.

Auch in Kappeln an der Schlei ist ein Großprojekt gescheitert. Mehrere hundert Ferienhäuser, viele Hotels und Yachthäfen sollten im auf 500 Mio. € kalkulierten „Port Olpenitz“ auf 150 ha Fläche entstehen. Die Betreibergesellschaft hat bereits im ersten Bauabschnitt Insolvenz angemeldet. Wie auch im nordhessischen Ferienresort Schloss Beberbeck im stillen Reinhardswald noch vor dem ersten Spatenstich, geplant als größte europäische Ferien- und Freizeitanlage. Nach dessen Ende konnte die Stadt Hofgeismar auch binnen eines Jahres noch nicht nachweisen, wie viele Millionen Euro ihr die insolvente Betreibergesellschaft gekostet hat. Der ausgezeichnete Dokumentarfilm „Henners Traum“ von Klaus Stern belegt am Beispiel Beberbeck, wie besessen Kommunalpolitiker für das vermeintliche Wohl ihrer Gemeinde kämpfen können. Oder eben Wirtschaftsminister oder Bauernverbands-Vertreter oder ... ja, natürlich auch manche Naturschützer.

Wir bleiben dabei: Sachliche Information steht an erster Stelle. Das heißt ja nicht, für als richtig erkannte Belange nicht auch zu kämpfen.

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