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Kurz berichtet

Waldstrategie 2020

Die Bundesregierung hat unter dem Titel „Waldstrategie 2020“ eine Leitlinie zur zukünftigen Entwicklung des deutschen Waldes im Kabinett verabschiedet. Auf insgesamt 38 Seiten wird eine „Vision“ verkündet, die neun Handlungsfelder (Teilziele) umfasst.

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Freibrief für ungezügelten Holzeinschlag

Von Norbert Panek

In einer Pressemittelung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ließ der zuständige Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller verlauten, dass man eine „Balance zwischen den Ansprüchen an den Wald“ brauche und demnach „Schutz und Nutzung weiterhin miteinander im Einklang“ stehen müssten. Das genaue Gegenteil ist aber aus dem vorgestellten Strategie-Papier herauszulesen: Die Holzerntemenge soll in den nächsten zehn Jahren um mindestens 30 Mio. m³ „bis zum durchschnittlichen jährlichen Zuwachs gesteigert“ werden. Basis ist ein „Referenzszenario“, das eine Ziel-Menge von 100 Mio. m³ pro Jahr benennt.

Faktisch ist diese Vorgabe ein Freibrief für den ungezügelten, einseitig ökonomisch gesteuerten und nun auch politisch abgesegneten Biomassen-Entzug, der den Wald schon jetzt belastet und in Zukunft fatale ökologische Folgen nach sich ziehen wird. Demgegenüber verliert Merkels „ Waldplünderungsstrategie“ kein einziges Wort über Deutschlands weltweite Verantwortung für den Schutz der Rotbuchenwälder.

Nach Auffassung der Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder nimmt das Strategie-Papier endgültig Abschied vom Nachhaltigkeitsprinzip der deutschen Forstwirtschaft. Berechnungen der Wald-Inventurstudie 2008 hatten ergeben, dass schon jetzt im Durchschnitt insgesamt rund 107 Mio. m³ Holz jährlich aus dem Waldbestand ausscheiden. Davon werden rund 70 Mio. m³ Holz (= 66 %) als verwertbare Nutzmenge geerntet. Eine Erhöhung dieser Nutzmenge auf 100 Mio. m³ pro Jahr würde bedeuten, dass der gesamte Vorratsabgang durch Holzeinschlag inklusive aller Zwangsnutzungen (infolge Windwurf), Ernteverluste und nicht verwertbaren Resthölzer (Äste, Kronenabschnitte, Rinden) dann bei mindestens 130 Mio. m³ pro Jahr läge. Nach derzeitigen Schätzungen beträgt der Holzzuwachs im deutschen Wald hingegen ca. 120 Mio. m³/Jahr.

Nährstoff-Kollaps droht

Zunehmend werden Resthölzer, die bislang im Wald verblieben sind, für energetische Zwecke genutzt. Nach Auffassung der Agenda und auch vieler Fachleute sind mit dieser Praxis enorme Nährstoffverluste verbunden. Eine Vollbaumnutzung würde den Entzug von Kalzium, Magnesium und Kalium um bis zu 200 %, von Stickstoff und Phosphor um bis zu 350 % erhöhen. Diese Verluste könnten letztlich nur durch eine künstliche Nährstoffzufuhr (Düngung) wieder ausgeglichen werden, was enorme Kosten verursachen würde. Kein Wort davon in der „Waldstrategie“.

Schutzfunktion bleibt auf der Strecke

Mit einer an den jährlichen Zuwachs heranreichenden Holz-Totalnutzung wäre automatisch auch die biologische Vielfalt unserer Wälder extrem bedroht, denn die damit verbundene Ausdünnung des Baumbestands würde mangels Substanz keine ausreichenden Mengen an Tot- und Biotopholz mehr zulassen. Schon unter den jetzigen Wirtschaftsbedingungen bestehen große Defizite hinsichtlich der Ausstattung unserer Wälder mit reifen, totholzreichen Alters- und Zerfallsphasen. Die Vorgaben der „Waldstrategie“ werden diese Situation noch verschärfen. Eine einseitig ökonomisch ausgerichtete Holznutzung, die „bis zum jährlichen Zuwachs gesteigert“ werden soll, kann unmöglich alle Schutzforderungen gleichzeitig und auf gleicher Fläche erfüllen. Die von der Bundesregierung propagierte, so genannte „multifunktionale“ Forstwirtschaft erweist sich somit als Worthülse!

„Maschinisierung“ schreitet voran

Eine Steigerung der Holzerntemengen um über 40 % bis 2020 forciert die weitere Maschinisierung der Holzernteverfahren. Hinzu kommt, dass die personelle Ausstattung insbesondere der Staatsforstbetriebe im letzten Jahrzehnt aus Rationalisierungsgründen bereits stark zurückgefahren wurde. Die Folge ist, dass sich die „Befahrungsdichte“ im deutschen Wald in den nächsten Jahren weiter drastisch erhöhen wird und die für den Harvester-Einsatz erforder­lichen Rückegassen-Systeme weiter ausgebaut werden.

In „Fläche“ umgerechnet, bedeutet dies, dass in Zukunft maximal 25 % der deutschen Waldböden (= 2,8 Mio. ha!) durch Fahr- und Rückewege entwertet werden und als produktiver Waldstandort aus­fallen. Gleichzeitig wehren sich maßgebliche Vertreter der deutschen Forst- und Holzindustrie wortstark gegen jede Unterschutzstellung von Waldflächen, die mit Nutzungseinschränkungen verbunden ist.

Weltnaturerbe ohne Wert

Geradezu beschämend ist, dass die Bundesregierung in ihrem Strategie-Papier keinerlei Ambitionen zeigt, den besonderen Status der Rotbuchenwälder in Deutschland hervorzuheben, geschweige denn, für diesen Waldtyp Ansätze eines nationalen Schutz- und Verbundsystems zu entwickeln. Mit der (erst vor wenigen Monaten erfolgten) Anerkennung der fünf ausgewählten, deutschen Buchenwald­gebiete Jasmund, Serrahn, Grumsin, Kellerwald und Hainich als serielle UNESCO-Weltnaturerbestätte hat die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Verantwortung für den Schutz dieser Wälder übernommen.

Nur noch 15 % der deutschen Waldfläche sind mit Buchenwäldern bestockt und nur knapp 1 % sind Altbestände, die größtenteils schon bis auf einige wenige Überhälter „geräumt“ wurden. Unter den von der Bundesregierung propagierten Vorzeichen ist zu befürchten, dass bald auch die letzten größeren, noch ungeschützten Altbuchenwälder auf der Strecke bleiben. Ein Schutzkonzept wäre dringend gefordert.

Anschrift des Verfassers: Norbert Panek, Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder, An der Steinfurt 13, D-34497 Korbach, E-Mail norbertpanek@gmx.de, Internet http://www.wald-kaputt.de.

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