Niedermoore bewerten
Zu dem Beitrag „Niedermoore Nordostdeutschlands bewerten“ von Sebastian Görn und Klaus Fischer in Naturschutz und Landschaftsplanung 43, Heft 7/2011, Seiten 211-217.
- Veröffentlicht am
Der Beitrag stellt einen interessanten Bewertungsansatz für Niedermoore anhand faunistischer Daten vor. Auch wenn im Detail eine kontroverse Diskussion über einzelne Annahmen geführt werden könnte, zeigt er doch einen praktikablen Weg auf, um unterschiedliche Naturschutzwertigkeiten anhand der faunistischen Ausstattung der zu betrachtenden Moore herauszuarbeiten.
Zurückzuweisen ist allerdings die Aussage in der Einleitung, fachlich fundierte Bewertungsverfahren seien in der Praxis eher selten. Das mag für die 1980er und teilweise auch noch für die 1990er Jahre gelten. Inzwischen haben sich in der Fachwelt aber Methodenstandards etabliert, die geeignet sind, diese Schwächen zu beheben und faunistische Daten adäquat zu berücksichtigen (Bernotat et al. 2002a, b).
Im Detail ist an dem vorgeschlagenen Verfahren zu monieren, dass Vorkommen von Arten der Roten Liste der Gefährdungskategorien V (Vorwarnliste) und R (extrem selten) hinsichtlich ihrer Wertigkeit gleichgesetzt werden. Bereits im Lehrbuch von Kaule (1986) ist nachzulesen, dass die Gefährdungskategorie R (seinerzeit noch mit „4“ oder „P“ bezeichnet) in einer Zustands-Wertigkeits-Relation eher der Gefährdungskategorie 2 (stark gefährdet) gleichzustellen ist. Diese Zuordnung findet sich unter anderem auch in den Methodenstandards von Bernotat et al. (2002a) wieder.
Ihre Plausibilität wird spätestens dann deutlich, wenn der normative Wertehintergrund dieser Zustands-Wertigkeits-Relation hinterfragt wird, der sich aus §1 des Bundesnaturschutzgesetzes ableiten lässt. Für den Erhalt lebensfähiger Populationen einer wild lebenden Art und für den Austausch zwischen den Populationen ist eine Landschaftseinheit mit Vorkommens einer extrem seltenen oder sehr lokal vorkommenden Art weitaus bedeutsamer als eine Landschaftseinheit, in der eine Art vorkommt, die zwar merkliche Rückgangstendenzen zeigt, die aber aktuell noch nicht einmal als gefährdet einzustufen ist (Gefährdungskategorien nach Ludwig et al. 2009). Beispielsweise gefährdet die Schädigung der ersteren Landschaftseinheit unmittelbar das Ziel der Sicherung der biologischen Vielfalt, während eine Schädigung der letzteren Landschaftseinheit erst dann wirklich problematisch wird, wenn an vielen anderen Stellen ähnliche negative Entwicklungen eintreten.
Literatur
Bernotat, D., Jebram, J., Gruehn, D., Kaiser, T., Krönert, R., Plachter, H., Rückriem, C., Winkelbrandt, A. (2002a): Entwicklung und Festlegung von Methodenstandards im Naturschutz – Gelbdruck „Bewertung“. Schr.-R. Landschaftspfl. Naturschutz 70, 357-407.
–, Schlumprecht, H., Brauns, C., Jebram, J., Müller-Motzfeld, G., Riecken, U., Scheurlen, K., Vogel, m. (2002b): Entwicklung und Festlegung von Methodenstandards im Naturschutz – Gelbdruck „Verwendung tierökologischer Daten“. Schr.-R. Landschaftspfl. Naturschutz 70, 109-217.
Kaule, G. (1986): Arten- und Biotopschutz. Ulmer, Stuttgart.
Ludwig, G., Haupt, H., Gruttke, H., Binot-Hafke, M. (2009): Methodik der Gefährdungsanalyse für Rote Listen. Naturschutz und Biologischen Vielfalt 70 (1), 23-71.
Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Thomas Kaiser, Leuphana Universität Lüneburg, Institut für Ökologie; Büro: Arbeitsgruppe Land & Wasser, Am Amtshof 18, D-29355 Beedenbostel, E-Mail Kaiser-alw@t-online.de.
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