Wird die europäische Landwirtschaft ökologisch nachhaltiger?
Die Europäische Kommission hat nach einem mehrjährigen intensiven Diskussionsprozess mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und den gesellschaftlichen Gruppen am 12. Oktober ihre Legislativvorschläge für die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik vorgestellt.
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Nach Ansicht des NABU, anderer Naturschutzverbände und vieler Europaabgeordneter greift die Reform aber zu kurz. So bezeichnete NABU-Präsident Olaf Tschimpke in einer ersten Stellungnahme als „überfälligen Kurswechsel mit gravierenden Schönheitsfehlern“. Die für das „Greening“ der ersten Säule vorgesehenen Maßnahmen bleiben auch weit hinter dem zurück, was einige deutsche Landes-Agrarminister bereits Anfang September gefordert hatten (Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (10), S. 290).
Positiv ist zu bewerten, dass künftig 30 % der Fördermittel aus der 1. Säule an Umweltauflagen („Greening“) gekoppelt sind. So sollen Landwirte unter anderem auf mindestens 7 % ihrer Fläche ökologische Vorrangflächen wie Buntbrachen, Blühstreifen oder Landschaftselemente anlegen. Damit kann eine dringend nötige „ökologische Infrastruktur“ in der Agrarlandschaft entwickelt werden, die einen Beitrag zum Stopp des Artensterbens sowie zum Schutz von Gewässern und Klima leistet. Unverständlich bleibt allerdings, dass Grünlandbetriebe von der Vorgabe freigestellt werden, obwohl gerade in hochintensiven Grünlandregionen erhebliche Defizite im Natur- und Umweltschutz bestehen.
Auch mit ihren Greening-Vorschlägen zum Grünlanderhalt sowie zur Fruchtfolge verfehlt die Kommission die selbst gesteckten Ziele. So darf auch in Zukunft auf 70 % der Ackerfläche eine Kultur wie Mais angebaut werden, was den durch den Anbau von „Bio“energie-Pflanzen verschärften Trend zu Monokulturen nicht aufhält. Beim Grünlanderhalt ist sogar ein Rückschritt zu befürchten, da die Kommission als Referenz das Jahr 2014 vorschlägt. Der NABU befürchtet, dass dieser „Ankündigungseffekt“ die Landwirte zu weiterem Umbruch animieren und 2013 als „Europäisches Jahr des Grünlandverlustes“ in die Geschichte eingehen könne, wenn Mitgliedstaaten und Europäisches Parlament (EP) hier nicht nachbessern. Die Umweltverbände hatten sich schon bisher für ein Referenzdatum 1. Januar 2011 eingesetzt.
Auch die Vorschläge zur Reform der ländlichen Entwicklung (ELER-Verordnung) sind aus Sicht des Naturschutzes enttäuschend und bleiben sogar hinter den jetzigen Vorgaben zurück. So wurden die förderfähigen Höchstsätze für Agrarumweltmaßnahmen trotz deutlicher Kostensteigerungen nicht angehoben, und auch erfolgsorientierte Förderansätze sind nicht berücksichtigt worden. Besonders gravierend ist die Tatsache, dass Agrarumweltmaßnahmen künftig nur noch mit einem Regelsatz von 50 % aus Brüssel kofinanziert werden sollen, während für Erzeugergemeinschaften oder Maßnahmen im Bereich Wissenstransfer ein Kofinanzierungssatz von 80 % vorgesehen ist. Dies bedeutet einen Rückschritt gegenüber dem Status quo und wirft die Frage auf, wie die Kommission ihre selbst gesteckten Ziele im Bereich Biodiversität und Umweltpolitik erreichen möchte.
Von den weiteren Verhandlungen im Ministerrat und im Europäischen Parlament (EP), das zum ersten Mal volles Mitbestimmungsrecht in der Agrarpolitik hat, wird es nun abhängen, ob eine Ökologisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik im Sinne der Verbraucher und Steuerzahler, aber auch zum Schutz von Ressourcen und Umwelt gelingt. Daher sollte auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner das Gesetzespaket als Chance für den ländlichen Raum nutzen und sich dafür einsetzen, die Umweltauflagen zu verbessern, statt sie zu verwässern. Insbesondere sollte sie die Kopplung der Agrarzahlungen, die die europäischen Steuerzahler im Zeitraum 2014 bis 2020 immerhin fast 440 Mrd. Euro kosten werden, als dringend notwendige Maßnahme zur Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz der Landwirtschaft begreifen. Die bisherigen Äußerungen insbesondere der Bundesregierung und Frankreichs, aber auch aus dem Europaparlament, lassen allerdings befürchten, dass aus dem geplanten „Greening“ nur ein „Greenwashing“ wird. So kritisierte BirdLife International, der Dachverband des NABU, scharf den Vorsitzenden des Agrarausschusses im EP, Paolo de Castro (Italien), der auf einer Tagung des einflussreichen Bauern-Dachverbandes „Copa-Cogeca“ gefordert hatte, die Reform müsse vorrangig den Interessen der Landwirte dienen, und nicht denen der Gesellschaft.
Link zu den Legislativvorschlägen der EU-Kommission:
http://ec.europa.eu/agriculture /cap-post-2013/legal-propos als/index_de.htm
Florian Schöne, NABUAgrarexperte, Berlin, Florian.Schoene@NABU.de
Claus Mayr, NABU, Direktor Europapolitik, Brüssel,
Claus.Mayr@NABU.de
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