Vorschläge für eine Reform der europäischen Fischereipolitik
Weltweit gelten etwa 85 % der Fischbestände als zu stark befischt oder bereits überfischt – im Mittelmeer sind 82 %, im Atlantik immerhin 63 % der Bestände überfischt. Da die Fangflotten der EU-Mitgliedstaaten maßgeblich zu diesem Desaster beitragen, hat die Europäische Kommission am 13. Juli 2011 ihre Mitteilung zur dringend erforderlichen Überarbeitung der gemeinsamen Fischereipolitik (KOM(2011) 417 endgültig) und ein begleitendes Legislativpaket für die Zeit nach 2013 vorgelegt.
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Hauptziel der Reformvorschläge ist es, die Überfischung der Meere bis 2015 zu stoppen und die Fänge auf ein „nachhaltiges Niveau“ zu reduzieren. Zu diesem Ziel hatte sich die EU bereits 2002 im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen verpflichtet, es aber bislang aufgrund des massiven Druckes einiger südlicher Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreich, Spanien und Portugal, verfehlt. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen künftig auf wissenschaftlichen Grundlagen basierende Langzeitpläne verabschiedet werden, in denen sich die Mitgliedstaaten auf Höchstmengen festlegen, die den Fischbeständen jährlich entnommen werden können, ohne deren Produktivität zu gefährden. Der Schlüsselbegriff hierfür ist der „höchst mögliche Dauerertrag“ oder „maximum sustainable yield“ (MSY).
Dieses Ziel wurde auch bereits in die neue Biodiversitätsstrategie der EU übernommen, dort als Ziel 4 (s. Aktuelles aus Brüssel, Heft 6, Seite 162). Diese Langzeitpläne sollen die bisher üblichen jährlichen Quotenverhandlungen zwischen den EU-Fischereiministern ersetzen. Zudem sollen die so festgelegten Fangquoten künftig innerhalb eines Landes handelbar sein. Die Kommission erhofft sich dadurch eine Konzentration der Fangflotten und damit einen Abbau der derzeit vorhandenen Überkapazitäten. Das Problem, dass neben der Überfischung der wirtschaftlich nutzbaren Fischbestände aufgrund der praktizierten Fangmethoden jährlich Millionen Tonnen „unerwünschter“ Beifang kleiner oder nicht nutzbarer Fische zurück ins Meer geworfen werden, will die Kommission durch ein Verbot dieser „Rückwürfe“ und eine bessere Kontrolle der angelandeten Fänge lösen.
BirdLife International, der WWF, das Verbände-Netzwerk „Ocean2012“ und Entwicklungsorganisationen haben die Vorschläge der Kommission zwar begrüßt, halten aber insbesondere die Zeitvorgaben und den Umsetzungsrahmen nicht für verbindlich genug. Die Kontrolle des Rückwurfverbotes und der Anlandungen mittels auf den Schiffen installierter Kameras scheint ebenfalls fragwürdig, verbindliche selektive Fangmethoden wären eine bessere Lösung gewesen. Auch an den erforderlichen wissenschaftlichen Daten für die Langzeitpläne mangelt es, da sich die Mitgliedstaaten bisher weigern, der Kommission diese Daten zur Verfügung zu stellen. Zudem seien die Vorschläge zur Verringerung des Fischereidruckes der EU-Fangflotten in internationalen Gewässern und vor den Küsten Afrikas unzureichend. Immerhin 60 % der in der EU konsumierten Fische werden außerhalb europäischer Gewässer gefangen und fehlen als wichtige Proteinnahrung für die dortige, oft arme Bevölkerung.
Dennoch dürfte es angesichts der massiven, oft kurzsichtigen wirtschaftlichen Interessen einiger Mitgliedstaaten nicht einfach sein, die Vorschläge der Kommission über die anstehenden Beratungen mit den Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament zu „retten“, geschweige denn, sie noch nachhaltiger zu gestalten. BirdLife hat zudem darauf hingewiesen, dass neben den „Rückwürfen“ von Fischen jährlich auch Hunderttausende von Seevögeln an den Haken der Langleinen und in Stellnetzen verenden. Neben der generellen Reform der Fischereipolitik ist daher auch ein Aktionsplan zur Verhinderung dieses Seevogelsterbens dringend erforderlich (Bericht folgt).
Die Mitteilung der Kommission und das gesamte Gesetzespaket sind abrufbar unter: http://ec.europa.eu/fisheries/reform/index_en.htm
Claus Mayr, NABU Direktor Europapolitik, Brüssel,
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