Buchenwald von Weltrang – und sein Schutz?
Hurra: „Wir sind Weltnaturerbe“, hätte eine bekannte deutsche Tageszeitung getitelt, wenn sie das Thema für titelwürdig gehalten hätte. Das Welterbekomitee der UNESCO hat in Paris entschieden, die „Alten Buchenwälder Deutschlands“ in die Liste des Welterbes einzuschreiben.
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Die Gebiete Nationalpark Jasmund, Serrahn im Müritz-Nationalpark (beide Mecklenburg-Vorpommern), Grumsin im UNESCO-BiosphärenreservatSchorfheide-Chorin (Brandenburg), Nationalpark Hainich (Thüringen) und Nationalpark Kellerwald-Edersee (Hessen) dürfen sich nun mit dem Welterbe-Titel schmücken. Und in der Tat sind die Buchenwälder Deutschlands – darauf haben auch wir in dieser Zeitschrift immer wieder hingewiesen – global gesehen eine Besonderheit. Aus diesem Befund aber erwächst auch besondere Verantwortung – zum Handeln!
Wie so häufig, hat der Erfolg plötzlich viele Väter (und Mütter). Viel wichtiger aber ist die Frage: Was folgt daraus? Drei Gedanken zu den Themenfeldern Tourismus, Naturschutz und Biotopverbund.
Erstens: Die Tourismusmanager in den fünf genannten Regionen werden mit dem Welterbe-Titel werben. Verwerflich ist das nicht, denn Naturschutz dient immer auch, zwar nicht ausschließlich, so doch zu einem wesentlichen Teil dem Menschen. Wenn es gelingt, damit auch Informationen und Handlungskompetenzen zu vermitteln, ist das ein Gewinn. Aber bitte nicht wie das Bundesumweltministerium auf dem Niveau des aktuellen Posters „Wir erhalten Vielfalt – der lebendige Buchenwald“ stehen bleiben: Wer erhält den Buchenwald und wie? Die Antwort bleibt offen. Zweifel keimen da mit Recht – siehe unten. Buchenwald besteht aus mehr als nur Buchen.
Zweitens: Naturschutz im Buchenwald vor Ort ist und bleibt ein Politikum. Trefflich gestritten wird seit Jahren über die Frage, wie viel nutzungsfreie Prozessschutzfläche und wie viel Totholz im genutzten Buchenwald notwendig sind. Derweil spricht der Zustand zahlloser Natura-2000-Buchenwälder in Deutschland eine klare Sprache: Holz wird dort ohne Einschränkung genutzt, der Naturschutz hat auch in diesen Vorrangflächen zurückzustehen. „Wir erhalten Vielfalt“?
Klar, es gibt Erfolge – Naturschutzstrategien etwa der Staatsforsten oder 5 % ungenutzte Wälder als Referenzflächen in FSC- und Naturland-zertifizierten Wäldern. Doch auf der Fläche bleibt die Umsetzung meist in den Ansätzen stecken. So schön grün und strukturreich die Buchenwälder erscheinen: Unter regulärer forstlicher Nutzung können sie die lebensraumtypische Biodiversität insgesamt nicht erhalten. Doch das merkt kaum jemand, denn wer kennt schon die Situation von Urwald-Reliktarten in Deutschland? Sie fallen weitgehend durch’s Raster jeden Biodiversitäts-Monitorings, so es das überhaupt gibt.
Für die deutschen Biosphärenreservate ist die Frage nach dem Flächenanteil nutzungsfreier Prozessschutz-Gebiete beantwortet: Gerade mal 3 % sind vorgeschrieben. Bayern, Hessen und Thüringen führen im Biosphärenreservat Rhön der Welt zum 20-jährigen Bestehen in erbärmlicher Weise vor, wie schwer es ist, auch nur 3 % aus der Nutzung zu nehmen. Getreu dem Motto: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren! Und das nur und trotz der Drohung, bei Nichterfüllen 2013 den Status als UNESCO-Biosphärenreservat aberkannt zu bekommen.
Drittens: Auch für die Buchenwälder muss das Konzept des Biotopverbunds auf den verschiedenen räumlichen Ebenen realisiert werden. Norbert Panek, unermüdlicher Vorkämpfer für den Nationalpark Kellerwald und für einen wirksamen Schutz des Buchenwald-Naturerbes, zuletzt als Autor der Greenpeace-Studie „Deutschlands internationale Verantwortung: Rotbuchenwälder im Verbund schützen“ (wir berichteten), meldet sich in diesem Heft mit einem internationalen Blick zu Wort: ganz konkreten Vorschlägen für die Verknüpfung der neuen deutschen Welterbe-Gebiete mit den bereits 2007 ausgezeichneten Buchenurwäldern mit zusätzlichen Arealen zu einem transnationalen Welterbe-Cluster für Buchenwälder Europas. Sie zu realisieren, trüge zur Erfüllung der Anforderungen der FFH-Richtlinie (ein Netz von Schutzgebieten, Maßnahmen zur Kohärenz), der Europäischen Biodiversitätsstrategie und des 2020-Ziels gleichermaßen bei.
Worauf noch warten? Konzipiert und geschrieben ist nun genug – jetzt ist die Umsetzung der Vorschläge von der europäischen Ebene bis hin zu den einzelnen Forstrevieren an der Reihe. Naturschutz und Landschaftsplanung hat auch hierfür in den letzten Jahren eine Reihe von Fachbeiträgen publiziert. Nun wünschen wir uns Praxisberichte zu deren Umsetzung.
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