Aktuelles aus Brüssel – nachgehakt
Nicht nur der Netzausbau für die erneuerbaren Energien, auch andere „Mega-Themen“ gewannen vor der Sommerpause des Europäischen Parlaments an Fahrt. Etwa die Vorstellung der Kommissionsentwürfe für die Gemeinsame Fischereipolitik (CFP) am 13. Juli 2011, hierüber wird im nächsten Heft referiert. Hinzu kamen neue Entwicklungen bei Themen, über die an dieser Stelle schon berichtet wurde. Eine kleine Auswahl:
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Europas ungebremster Hunger nach Rohstoffen
Auf die Mitteilung der Kommission zur Rohstoffsicherung (Naturschutz und Landschaftsplanung 43, Heft 3, S.66) folgten im Frühjahr mehrere hochrangig besetzte Tagungen. Im Europäischen Parlament (EP) erarbeitete Reinhard Bütikofer, Mitglied der Grünen im Industrieausschuss, seinen Bericht zu einer effizienten Rohstoffstrategie für Europa. Kaum ein Thema wird derzeit so kontrovers – und im EP mit durchaus „harten Bandagen“ – diskutiert. Aus Umweltsicht ist dabei besonders hervorzuheben, dass auf einer Tagung der Europäischen Kommission mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy am 14. Juni auch Handelskommissar Karel De Gucht hervorhob, dass bei der Gewinnung von Rohstoffen weltweit neben handelspolitischen auch Umwelt-, sozialen und entwicklungspolitischen Aspekten gleiche Beachtung geschenkt werden müsse. Hinsichtlich der Rohstoffgewinnung in der EU verwies auch er, wie bereits im Februar Industriekommissar Antonio Tajani, auf den Kommissionsleitfaden zum Rohstoffabbau in Natura-2000-Gebieten, dass solche Kriterien aber auf internationaler Ebene noch entwickelt werden müssten.
Der EP-Bericht von Reinhard Bütikofer kommt zu einer gleich lautenden Bewertung, zudem betont er die Notwendigkeit der Verbesserung der Rohstoffeffizienz und der Wiederverwertung von Rohstoffen. Der Entwurf fand im Industrieausschuss des EP am 30. Juni eine große Mehrheit. Dennoch kam sowohl von der Industrie als auch von entwicklungspolitischen Organisationen Kritik. Industrieverbände wie der in Deutschland ansässige Bundesverband Mineralische Rohstoffe (MIRO, Köln) fordern weiter eine Vereinfachung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren auch in Schutzgebieten. Organisationen wie das Netzwerk „CorporateEurope.org“ (CEO) warfen insbesondere dem Verhandlungsführer der EVP, Dr. Paul Rübig, Österreich, sowie den deutschen EVP-Verhandlern im Industrie- und Handelsausschuss, Herbert Reul und Daniel Caspary (beide CDU), zu große Industrie-Nähe vor. Der Bericht soll Mitte September im Plenum des Europäischen Parlamentes verabschiedet werden.
Vorschlag der EU-Kommission für den Haushalt 2014 bis 2020
Am 30. Juni, also zum letztmöglichen Zeitpunkt, präsentierte die EU-Kommission ihren Vorschlag für die nächste Siebenjahresperiode. Während es im Vorfeld Hinweise gab, dass Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf Druck einiger Mitgliedstaaten eventuell massive Kürzungen oder gar die Streichung der 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (CAP) vorschlagen könnte, bewahrheitete sich diese Befürchtung nicht; allerdings besteht in den Vorschlägen der Kommission ein gewisser Auslegungsspielraum. Es wird jetzt darauf ankommen, dass das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten sich im Rahmen der weiteren Beratungen für konkrete Umweltmaßnahmen in der 1. Säule und die Beibehaltung des bisherigen Förderumfanges in der 2. Säule einsetzen.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass das Europäische Parlament sich in seinem Bericht zur Gemeinsamen Agrarpolitik am 23. Juni ausdrücklich für die Beibehaltung einer starken 2. Säule aussprach, auch wenn dieser Bericht ansonsten – erarbeitet von Berichterstatter Albert Deß (CSU), der selber Landwirt aus Bayern ist – weit hinter den Erwartungen der Umweltverbände zurückblieb und von über 1000 Änderungsanträgen nur wenige eine Mehrheit fanden.
Für LIFE, das bislang einzige Instrument zur Finanzierung von Naturschutzmaßnahmen, sieht der Entwurf der Kommission immerhin eine Erhöhung von derzeit etwa 300 auf 450 Mio. Euro pro Jahr (von 0,2 auf 0,3 %des Haushalts) vor. BirdLife und andere Naturschutzverbände erachten mindestens 1 Mrd. Euro pro Jahr als erforderlich (Naturschutz und Landschaftsplanung 43, Heft 5, S.130), hier wird das Europäische Parlament in den weiteren Haushaltsberatungen – wie in der letzten Legislaturperiode – nachbessern müssen.
EU-Biodiversitätsstrategie
Die neue EU-Biodiversitätsstrategie (Naturschutz und Landschaftsplanung 43, Heft 6, S.162) wurde am 21. Juni 2011 im Ministerrat der EU-Umweltminister diskutiert. Im Vorfeld gab es massive Kritik insbesondere einiger südeuropäischer Mitgliedstaaten an den Zielen (targets) und konkreten Handlungsempfehlungen (actions), so dass die ungarische Ratspräsidentschaft und insbesondere der deutsche Umweltminister die Strategie nur mit einem einigermaßen akzeptablen Formulierungsvorschlag „retten“ konnten. Der Kompromissvorschlag bestätigt zwar die Strategie als solche sowie ihre sechs Ziele, formuliert aber für die von der EU-Kommission im Mai 2011 vorgeschlagenen zwanzig konkreten Aktionspunkte weiteren Diskussionsbedarf. Diese actions sollen jetzt im Rahmen der polnischen EU-Ratspräsidentschaft diskutiert und auf der Sitzung des Umweltministerrates am 19. Dezember beschlossen werden. Auf die weiteren Ratspräsidentschaften der „triple presidency“ Dänemark (1. Jahreshälfte 2012) und Zypern (2. Jahreshälfte 2012) zu warten, käme zu spät und könnte dem neuen 2020-Ziel das gleiche Schicksal bescheren wie dem „alten“ 2010-Ziel, nämlich das Scheitern.
Claus Mayr, NABU Direktor Europapolitik, Brüssel,
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