Deutschlands Landwirtschaft
Das Bundeskabinett hat den Agrarpolitischen Bericht 2011 der Bundesregierung verabschiedet. Darin wird die Entwicklung der Landwirtschaft im Berichtszeitraum 2007 bis 2011 analysiert. Welches sind die wichtigsten Ergebnisse im Hinblick auf Natur und Landschaft? Eine kurze Zusammenschau.
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Bilanz und Perspektiven im Agrarbericht 2011
Von Eckhard Jedicke
Betriebssituation
Die Zahl von Landwirtschaftsbetrieben nahm von 2007 bis 2010 jährlich um 2,2 % ab – von 321600 auf 300700 Betriebe. Dabei hat die Zahl der Betriebe in den Betriebsgrößenklassen bis 100 ha LF zum Teil erheblich abgenommen. Dennoch verfügen 72 % der Betriebe über weniger als 50 ha LF. Rund 55 % der LF wird bereits von Betrieben bewirtschaftet, die über mindestens 100 ha LF verfügen. Bei regionaler Betrachtung wird sowohl in West- als auch in Ostdeutschland ein Nord-Süd-Gefälle der Betriebsgrößen deutlich. In der landwirtschaftlichen Tierhaltung führten strukturelle Veränderungen zu im Durchschnitt größeren Beständen in zunehmend spezialisierten Betrieben. In 2010 gab es noch 217400 Betriebe mit Viehhaltung, rund 9 % weniger als noch 2007. Während die Besatzdichte insgesamt geringfügig auf 78 Großvieheinheiten je 100 ha LF zurückging, stiegen insbesondere die Bestände an Mastgeflügel.
Wertet man die Situation der Hofnachfolge in landwirtschaftlichen Familienbetrieben als Frühindikator für eine langfristige Entwicklung des Agrarstrukturwandels, so sind folgende Zahlen interessant: Die Hofnachfolge war 2010 nur in 30 % der einzelnen Unternehmen mit älterem Betriebsinhaber (>44 Jahre) geregelt. Jeder fünfte befragte Betriebsinhaber ohne Hofnachfolger war bereits mindestens 60 Jahre alt.
Förderungen
Unternehmensbezogene Direktzahlungen und Zuschüsse beliefen sich im Wirtschaftsjahr 2009/10 insgesamt auf durchschnittlich 435 €/ha Landwirtschaftsfläche (LF) oder 15193 € pro Arbeitskraft oder 29635 € pro Unternehmen; Zahlungen aus Agrarumweltmaßnahmen von Bund und Ländern nehmen davon 2340 € oder 7,9 % ein.
Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) bildet das zentrale Instrument zur Koordinierung der Agrarstrukturpolitik. Ihr Fördervolumen aus EU-, Bundes- und Landesmitteln beträgt insgesamt etwa 1Mrd. € pro Jahr. Mit dem Health Check und dem Europäischen Konjunkturprogramm 2008 wurden neue Akzente gesetzt, unter anderem um dem Klimawandel zu begegnen, erneuerbare Energien auszubauen, das Wassermanagement zu verbessern und biologische Vielfalt zu erhalten. Durch Kürzung der Direktzahlungen (Modulation) wurden zusätzliche Fördermittel verfügbar, so dass aus dem Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) im För-derzeitraum 2007 bis 2013 für Deutschland insgesamt 9,1Mrd. € zur Verfügung stehen. Hinzu kommen nationale Mittel in fast gleicher Höhe.
Betrachtet man den Ein-satz der öffentlichen Mittel für die 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nach Schwerpunkten in Deutschland unter Berücksichtigung des Health Check und des EU-Konjunkturprogramms, so fließen 30 % in die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft, 41 % in die Verbesserung der Umwelt und Landschaft und 23 % in die Verbesserung der Lebensqualität in ländlichen Räumen und die Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft. Regional setzen die Bundesländer jedoch sehr unterschiedliche Schwerpunkte – die Verbesserung der Umwelt und Landschaft besitzt in den Bundesländern zwischen 16 und 59 % Anteil.
Flächen und Viehhaltung
Von rund 9099000 ha Anbaufläche in Deutschland werden 72,9 % zum Getreideanbau genutzt (siehe Abb. 1 und 2) – darunter dominiert Winterweizen (35,9 % der gesamten landwirtschaftlichen Anbaufläche), gefolgt von Wintergerste (14,3 %) und Roggen einschließlich Wintermenggetreide (6,9 %) und an vierter Stelle Körnermais und Corn-Crob-Mix (5,1 %). Häufigstes Nicht-Getreide bilden Raps und Rübsen mit 16,2 % der Anbaufläche.
Für die stoffliche und energetische Nutzung von Biomasse wurden in Deutschland 2010 auf 2,15Mio.ha nachwachsende Rohstoffe angebaut – 18 % der gesamten Ackerfläche. Diese Flächengröße ist nach starkem Anstieg seit vier Jahren etwa konstant – im Jahr 1994 waren es lediglich 377000ha. Erneuerbare Energien trugen 2009 mit 10,1 % zum gesamten Energieverbrauch in Deutschland bei; Bioenergie stellte davon knapp 70 %.
Im Jahr 2010 wurden 12706200 Rinder gehalten, außerdem 4181700 Milchkühe, 26900800 Schweine und 29860800 Legehennen.
Wirtschaftsdaten
Die Landwirtschaft einschließlich Fischerei trug im Jahr 2009 nur noch zu etwa 0,8 % zur Bruttowertschöpfung der deutschen Gesamtwirtschaft bei – unter Einschluss der vor- und nachgelagerten Bereiche jedoch zu 6,5 %.
Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands (Gesamterzeugung in Prozent des Gesamtverbrauchs) betrug im Wirtschaftsjahr 2010/11 bei Milch 101 %, Zucker 119 %, Getreide 110 %, Wein 48 % (einschließlich Sonderdestillation), Eiern 58 %, Rind- und Kalbfleisch 118 %, Schweinfleisch 110 %, Geflügelfleisch 102 %.
Ziele und Perspektiven
Auf den ersten 26 Seiten beschreibt der Agrarpolitische Bericht Herausforderungen, Ziele und Perspektiven. Die Abschnittstitel verdeutlichen eine breit angelegte Programmatik: leistungsfähige Landwirtschaft stärken, Produkt- und Prozessqualität entlang der Wertschöpfungskette sichern, ländliche Entwicklung gestalten, natürliche Ressourcen nutzen und bewahren, Innovationen für einen Zukunftssektor, soziale Sicherung der Landwirte zukunftsfest gestalten, bei der internationalen Zusammenarbeit für einen fairen Interessenausgleich sorgen, Forst- und Holzwirtschaft nachhaltig betreiben, Fischereiwirtschaft nachhaltig betreiben. Grundlegend Neues ist darin nicht enthalten, die referierten hehren Ziele – etwa zur Umsetzung von Natura 2000 und Wasserrahmenrichtlinie – passen mit der realen Praxis noch nicht zusammen, doch solche Widersprüche zeugt der Bericht überhaupt nicht auf.
Ein (subjektives) Fazit
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner fokussierte bei der Vorstellung des Berichts auf die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft und betonte, dass sich diese verbessert habe. Doch Aigner warnte vor „überhöhten Erwartungen“. Damit springt sie jedoch eindeutig zu kurz: Landwirtschaft ist nicht allein Einkommensquelle – für die Landwirte natürlich ein berechtigtes Anliegen –, sondern weit mehr, nimmt man das Selbstverständnis der Bauern als Gestalter und Pfleger einer vielfältigen Kulturlandschaft ernst.
Deutschlands Landwirtschaft ist regional stark differenziert – aus den bundesweiten Durchschnittswerten ist diese Vielfalt herausgemittelt. Nachwachsende Rohstoffe (Nawaro) werden auf knapp einem Fünftel der LF angebaut – überwiegend zur Gewinnung von Bioenergie, die 7 % zum Gesamtenergieverbrauch beiträgt. Nachhaltig und effizient ist das nicht in vollem Umfang, doch auch diese Beurteilung benötigt eine Blick ins Detail. Die zum 01.01.2012 geplante Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bietet nicht nur die Chance dazu, sondern erfordert diese differenzierte Bewertung. Denn 16,2 % Raps-/Rübsen- und vor allem 5,1 % Maisanbau im bundesweiten Mittel verschleiern, dass es in vielen Regionen starke Konzentrationen gibt, die Nachhaltigkeitskriterien krass widersprechen.
Die deutsche Landwirtschaft weist überwiegend einen hohen Selbstversorgungsgrad mit über 100 % auf – trotz des Verlusts von Anbauflächen für die Nawaro-Produktion. Die als Automatismus erscheinende Spirale des „immer mehr“ und „immer intensiveren“ Produzierens ist somit zur Versorgung der eigenen Bevölkerung nicht zwangsläufig. So gesehen geben die Zahlen des Agrarberichts Rückendeckung für die Berücksichtigung der Multifunktionalität der Landwirtschaft im neuen Fördergebäude der GAP: Steuergelder nicht für Höchstproduktion, sondern für das Erzielen bestmöglicher Synergiewirkungen für den Schutz von Biodiversität, Wasserressourcen, Boden und Klima durch Landnutzung, selbst wenn damit unter dem Strich etwas weniger produziert wird. Das gilt auch für den Öko-Landbau, der auch nach dem jüngsten Agrarbericht einen höheren wirtschaftlichen Benefit als die konventionelle Landwirtschaft abwirft. Und wenn es dann noch gelingt, den (ungesund hohen) Fleischkonsum der Deutschen zu drosseln, wäre nicht zuletzt auch für die Gesundheitspolitik etwas Positives erreicht.
Der Agrarpolitische Bericht 2011 der Bundesregierung (VII+108 Seiten) ist als Download erhältlich unter http://www.bmelv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2011/094-AI-Agrarpolitischer-Bericht-2011.html .
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