Neuer Naturschutz im Zeichen erneuerbarer Energien?
„Neuer Naturschutz im Zeichen erneuerbarer Energien?“ Diese Frage betitelte eine Podiumsdiskussion zum 20-jährigen Jubiläum des Berufsverbandes der saarländischen Landschaftsökologen (SBdL). In einer hochkarätigen Besetzung aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung wurden Windenergie, Solaranlagen und Biomasse behandelt.
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Von Barbara Froehlich-Schmitt
Die Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes, Dr. Simone Peter, beantwortete die erste Frage: Sollte der Naturschutz wegen der Nachhaltigkeit der erneuerbaren Energien seine Wertmaßstäbe ändern? Die Biologin und Politikerin der Grünen, die im Saarland in einer so genannten Jamaika-Koalition engagiert für erneuerbare Energien kämpft und der bezüglich Windkraft wegen geplanter Abschaffung der Vorranggebiete Kritik von SBdL und NABU entgegenweht, verneinte überraschenderweise die Frage. Der Naturschutz müsse nicht seine Wertmaßstäbe ändern. Im Abwägungsprozess bei Planungsverfahren zu erneuerbaren Energien würden die Argumente des Naturschutzes neben anderen Aspekten ja berücksichtigt.
Dr. Alfred Herberg vom Bundesamt für Naturschutz und ehrenamtlich stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Beruflicher Naturschutz (BBN) unterstrich, dass soziokulturelle Argumente in allen gesellschaftlichen Kontexten, damit auch im Naturschutz, eine bedeutsame Rolle spielten. Sie seien ein wichtiger, oft emotional besetzter Zugang von Menschen zum Naturschutz und für seine Wertschätzung wichtig. Der Naturschutz benötige aber weitere Begründungen. Dazu gehörten selbstverständlich auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse und wenn man unter technokratischen Argumenten rechtliche Regeln verstünde, brauche man auf jeden Fall auch diese, um sich in der Ausbalancierung gesellschaftlicher Interessen behaupten zu können.
Prof. Dr. Kai Tobias, Landschaftsplaner an der Universität Kaiserslautern, verneinte die Frage, ob es Konflikte versachlichen helfe, wenn sich die Landschaftsökologie als Wissenschaft vom bewertenden Naturschutz besser abgrenze. Tobias, der zusammen mit Beate Jessel ein Buch „Ökologisch orientierte Planung“ geschrieben hat, verneinte die Frage und verwies auf den naturalistischen Fehlschluss, der es verbiete, vom Sein aufs Sollen zu schließen. Sobald ein Ökologe jedoch damit beginne, seine Analyseergebnisse zu bewerten, müsse er dabei von der Wissenschaft unabhängige und damit auch gar nicht begründbare Wertvorstellungen berücksichtigen. Dann könne er sagen, was gut und schlecht sei, und auch, was besser werden sollte, also auch planerische Aussagen treffen.
Die Titelfrage wurde auf dem Podium wohl eher verneint – der Boom der erneuerbaren Energien bringt keinen „neuen Naturschutz“ im Sinne geänderter Ziele und Prioritäten mit sich. Aber lässt sich nicht aus dem BNatSchG von 2010 die Notwendigkeit eines neuen Naturschutzes herauslesen? Unter Sicherung des Naturhaushaltes in §1, Abs. 3, Nr. 4 wird die besondere Bedeutung „einer nachhaltigen Energieversorgung insbesondere durch zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien“ betont. Ein neuer Naturschutz müsste im Vorfeld von politischen und technischen Planungen einbezogen werden und nicht erst zu späten Zeitpunkten zwecks Eingriffsminimierung und Kompensation. Er müsste ein solches Renommee haben, dass Windkraftfirmen selbstverständlich zu Rotmilan-Horsten Abstand hielten, weil sie sonst ihre Reputation als Hersteller sauberer Energie verlören. Um gesellschaftlich ernst genommen zu werden, müsste Naturschutz aber bei politischen Abwägungsprozessen nicht nur biologische Vielfalt, sondern ein übergeordnetes Ziel vertreten, z.B. ökologisch orientierte Nachhaltigkeit.
Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) schrieb in seinem Gedicht „Ich ging im Walde so vor mich hin“: „Im Schatten sah ich ein Blümchen stehn“. Im Schatten der Solaranlagen und anderer erneuerbarer Energien sehen manche ein Blümchen namens Naturschutz kümmern. Solange der Naturschutz nur als einer von vielen Akteuren im politisch-planerischen Abwägungsprozess gesehen wird – wie sogar von Politikern der Grünen –, kann er noch so viele kluge Argumente auffahren – wie vom Bundesamt für Naturschutz –, er wird nicht aus dem Schlagschatten der Wirtschaft treten. Der fachliche Naturschutz sieht die Nutzung der erneuerbaren Energien (zur Kernenergie äußert er sich kaum!) überwiegend als Eingriff und Gefahr für Natur. Das bedrohte Blümchen – nach Goethe „sagt es fein: Soll ich zum Welken gebrochen sein?“. Es wäre doch gelacht, wenn sich Naturschutz bei der Nutzung der erneuerbaren Kräfte der Natur (!) von Technokraten und Ökonomen wieder in die weinerliche Ecke schieben ließe. Kreative Köpfe finden hoffentlich den Dreh, da heraus zu kommen. Ökologisch orientiert planen heißt ja wohl a priori mit der Natur – nicht gegen sie.
Ein persönliches Fazit: Der fachliche Naturschutz müsste im Vorfeld politischer und technischer Planungen mehr mitreden dürfen und ein Vetorecht haben, dessen Gebrauch ihn nicht ins Abseits stellt. Dazu wird es nur kommen, wenn Naturschutz selbstbewusst aus seiner Schattenblümchen-Nische in die Sonne tritt und ein übergeordnetes Ziel verfolgt, z.B. ökologisch orientierte Nachhaltigkeit – auch für Menschen.
Anschrift der Verfasserin: Barbara Froehlich-Schmitt, Auf der Heide 27, D-66386 St. Ingbert, E-Mail info@natur-text.de , Internet http://www.natur-text.de
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