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Editorial

Werden Umweltbelange „wegbeschleunigt“?

Erinnern Sie sich an das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz von 1991? Der Bundesgesetzgeber verfolgte damit nach der Wende das Ziel, in den neuen Bundesländern und Berlin die Planungszeiten für neue Bundesverkehrswege zu verkürzen.

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Die Zuständigkeit für die Linienbestimmung wurde im Verkehrsministerium konzentriert, um Voruntersuchung und Linienbestimmung zu beschleunigen. Den beteiligten Ländern stellte es frei, ob sie ein Raumordnungsverfahren durchführen. Fristen wurden verkürzt. 2007 trat das Gesetz außer Kraft, es wurde im Dezember 2006 durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben (Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz – IPBeschlG) abgelöst. Mit nun bundesweiter Gültigkeit trifft es verfahrensrechtlichen Regelungen im Planfeststellungsrecht.

Aufbauend auf dieser 20- jährigen Tradition legt das Bundesinnenministerium nun noch eins nach: mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Beschleunigung von Planfeststellungsverfahren (Planungsvereinheitlichungsgesetz – PlVereinhG). Es setzt damit einen über vier Jahre alten Auftrag von Bundestag und Bundesrat um, die beschleunigenden Maßnahmen auf das Planfeststellungsrecht insgesamt auszudehnen. Im Grundsatz spricht Vieles dafür, Planungsverfahren zu vereinfachen – die meisten Politiker haben es schwer, nachzuvollziehen, über welche Planungsverfahren sie abstimmen und wie diese im Detail ablaufen. Erst recht gilt das für das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger. Aber: Schneller heißt nicht unbedingt besser und verständlicher. Es birgt die Gefahr, dass genau das Gegenteil dessen erreicht wird, was ein zentrales und generalisierbares Ergebnis der Geißler’schen Schlichtung vom Stuttgart 21 ist: mehr Transparenz, mehr Erklärung und Beteiligung der Bürger. Ist das ein paar Wochen später schon vergessen?

So kritisiert der Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) den PlVereinhG-Entwurf vor allem in diesem Punkt: Er konterkariere jüngste Erfahrungen aus Partizipationsprozessen bei großen Infrastrukturprojekten. Bürgerrechte würden weiter eingeschränkt, bewährte Standards in Planfeststellungsprozessen ausgehöhlt. Es sei nichts dagegen einzuwenden, nur die Regelungen aufzugreifen, die ausgehend von einzelnen Fachgesetzen im Verwaltungsverfahrensgesetz zusammengefasst werden könnten, ohne hierbei Standards zu verändern. Was darüber hinaus aber fehle, seien neue Grundpositionen, die eine größere Akzeptanz für öffentliche Infrastrukturprojekte und eine bessere Partizipation und Bürgereinbindung garantierten. „Das bestehende Recht wird dem offenkundig nicht hinreichend gerecht“, urteilt der Berufsverband.

Eines solchen Signals bedarf es in der Tat, will die Politik die richtigen Lehren aus der öffentlichen Debatte der letzten Monate ziehen. Der BBN schlägt wichtige Bausteine vor:

bei allen öffentlichen Infrastrukturprojekten und Planfeststellungsverfahren die Menschen verpflichtend zu informieren,

alle relevanten Auswirkungen und alternativen Lösungen dieser Projekte zu einem frühen Zeitpunkt des Planverfahrens vor Antragstellung öffentlich darzulegen,

Anhörungsrechte zu wahren,

Mediation bei Projekten mit hoher Tragweite vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu ermöglichen,

Volksbefragungen und Volksentscheide rechtlich zu etablieren.

Stattdessen illustriert das Bun­desinnenministerium schon einmal, wie es künftig Verfahren beschleunigen möchte: Offensichtlich hat es im Anhörungsverfahren für den Gesetzentwurf nur ausgewählte Organisationen im Bereich Natur und Umwelt beteiligt. Das mag die Vorbereitung des Gesetzes beschleunigen, zur Akzeptanz trägt das ganz sicher nicht bei.

In dieser Ausgabe von Naturschutz und Landschaftsplanung geht es in zwei Beiträgen um fachliche Fragen des Biotopverbunds. Ein Dauerbrenner in Wissenschaft und Umsetzungspraxis seit bald drei Jahrzehnten. Ganz direkt hängt dieses Thema mit der diskutierten Verschlankung und Beschleunigung von Planungen zusammen. Kommt es doch gerade bei der Planung neuer Infrastrukturen ganz entscheidend darauf an, die komplexen raum-zeitlichen Beziehungen in der Landschaft zu verdeutlichen und beispielsweise bei der Planung von Verkehrstrassen zu berücksichtigen – sonst wird der funktionale Verbund, wo er noch besteht, kaum reversibel zerstört. Naturschutzbehörden und -verbände besitzen vielfach eine hohe Fachkompetenz zur Beurteilung solcher Folgewirkungen und für den Vorschlag besserer Lösungen. Diese Kompetenz zu nutzen, darf keinesfalls zu Gunsten vermeintlicher Vereinfachung und Beschleunigung geopfert werden. Alles andere wäre schlicht kurzsichtig.

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