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Eine kritische Diskussion – es bleiben Fragen

Critical Loads als Bewertungsmaßstab ­geeignet?

Abstracts

Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht davon aus, dass lokale NOx-Emissionen eine relevante Bedeutung für die Verschlechterung von Lebensraumtypen durch Stickstoff-Depositionen in den besonderen Schutzgebieten gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 für die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) haben. Bis jetzt hat die deutsche Rechtsprechung nur die Überschreitung der kritischen Belastungen für Stickstoff um bis 3% als harmlos betrachtet. Grundsätzlich ist das Bundesverwaltungsgericht sehr besorgt über zusätzliche Stickstoff-Immissionen, wenn in einem besonderen Schutzgebiet die Hintergrundbelastung von Stickstoffeinträgen bereits die kritischen Loads der geschützten Lebensräume übersteigen. Es bleiben Fragen, ob das Konzept der Critical Loads akzeptabel ist:

1. Gibt es eine Korrelation zwischen Stickstoff-Immission und Deposition?

2. Ist das Datenmodell, das die Werte liefert, detailliert genug für die Objekt-Ebene?

3. Sind die Modelldaten aktuell genug?

4. Wie berücksichtigen die Critical Loads die Toleranz verschiedener Lebensraumtypen gegenüber Stickstoff?

5. Bilden Critical Loads Schadschwellen oder Ebenen der Bedeutungslosigkeit?

“Critical Loads” as Suitable Evaluation Standard? Discussion and remaining questions

Recent jurisdiction of the German Federal Administrative Court estimates that local NOx emissions have a relevant importance for the deterioration of habitat types by N-deposition in special areas of conservation under the Council Directive 92/43/EEC of 21 May 1992 on the conservation of natural habitats and of wild fauna and flora (Habitats directive). Up to now German case law has only regarded as harmless the exceedance of critical loads for nitrogen by up to 3 per cent. Basically the Federal Administrative Court is very concerned by additional nitrogen immissions, when background levels of nitrogen deposition exceed critical loads of protected habitats in a special area of conservation. There are questions left, whether the actual concept oft critical loads is acceptable:

1. Is there any correlation between nitrogen immission and deposition?

2. Is the data model providing values detailed enough for object level?

3. Are model data sufficiently up to date?

4. How do critical loads take into account the tolerance against nitrogen of different habitat-types?

5. Critical loads: Damage threshold or levels of irrelevance?

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1 Vorbemerkungen

Vorausgeschickt sei zur Vermeidung von Missverständnissen, dass es dringend notwendig ist, die Belastung der Luft mit Stickoxiden und Ammoniak deutlich zu reduzieren. Im folgenden Beitrag steht lediglich zur Diskussion, ob der Bewertungsmaßstab der Critical Loads auf Vorhabenebene der angemessene und zutreffende Ansatz zur Problembewältigung ist oder ob es nicht viel wichtiger wäre, durch sinnvolle Maßnahmen die Hintergrundbelastung deutlich zu reduzieren.

Die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) geht davon aus, dass vorhabensnahe NOx-Emissionen eine relevante Bedeutung für die Beeinträchtigung von Lebensraumtypen mit N-Depositionen haben. Relevant sind insbesondere folgende Urteile:

Urteil des BVerwG Az. 9 A 5.08 vom 14.04.2010 (A 44 VKE 32),

Beschluss des BVerwG Az. 9 B 28.09 vom 10.11.2009,

Beschluss des BVerwG Az. 9 VR 14.08 vom 23.06.2008 (A 4 Jena-Magdala),

Urteil des BVerwG Az. 9 A 3.06 vom 12.03.2008 (A 44 VKE 20 – Hessisch-Lichtenau II) sowie

Urteil des BVerwG Az. 9 A 20.05 vom 17.01.2007 (A 143 Westumfahrung Halle).

In diesem Zusammenhang haben sich auch verschiedene Gremien der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz mit dieser Thematik befasst (z.B. TOP 3.3 der 100. LANA-Sitzung am 01./02.10.2009 in Saarbrücken, TOP 3.3 der 101. LANA-Sitzung am 04./05.03.2010 in Schwerin, 62. Sitzung des stA „Eingriffsregelung und Landschaftsplanung“ der LANA am 31.05. und 01.06.2010 in Hannover, TOP 4 der 102. LANA-Sitzung am 27.09.2010 in Stralsund). In der Rechtsprechung ist (neben der Möglichkeit einer aufwändigen Einzelfallprüfung wie z.B. beim Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt am Main) bislang nur eine Überschreitung von Critical Loads für Stickstoff um bis zu 3v.H. als unbedenklich angesehen worden. Grundsätzlich sieht es das BVerwG ansonsten als bedenklich an, wenn mit der Zulassung eines Vorhabens Zusatzbelastungen entstehen, obwohl eine vorhandene Hintergrundbelastung mit Stickstoffdepositionen die Critical Loads übersteigen, die für einen FFH-LRT in einem FFH-Gebiet verfügbar sind. Diese Grundaus­sage wirft Fragen nach der Nachvollziehbarkeit und fachlichen Begründetheit der rechtlichen Annahmen des BVerwG auf.

2 Besteht eine Korrelation ­zwischen Immission und ­Deposition?

Tatsächlich sind die Hintergrund-Depositionsraten häufig gar nicht mit den lokalen NOx-Immissionswerten korreliert. Dies gibt Anlass zu der Vermutung, dass die Deposition gar nicht als NOx-Gas, sondern insbesondere durch Umwandlungsprodukte nach Ferntransport erfolgt. So liegen Hintergrunddepositionsraten im Großraum Frankfurt (z.B. an der Luftmessstation Raunheim) trotz hoher Immissionsbelastung bei ca. 30 kgN/(ha*a), während die Werte in „Reinluftgebieten“ Nordwest- und Nordosthessens unter nur geringen Immissionsbelastungen bei über 40 kg N/(ha*a) (Bad Arolsen) oder gar über 50kg N/(ha*a) (Witzenhausen) liegen.

Hier schließt sich folgende Frage an: Wenn NOx-Emissionen vieler Vorhaben offenbar erst fern der Emissionsorte zur Deposition gelangen, wie vernünftig ist dann die Annahme, die lokalen Emissionen eines zusätzlichen Vorhabens müsste maßgeblich zur Beeinträchtigung eines benachbarten FFH-Gebiets führen? Allein auf hohe Schornsteine lässt sich heute die Fernwirkung angesichts des rechnerischen Anteils der Verkehrsemissionen nicht mehr zurückführen.

3 Ist das Datenmodell ­engmaschig genug?

Die in den Modellberechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) ( http://gis.uba.de/website/depo_gk3/index1.htm ) bereitgestellten Daten zur Hintergrunddeposition sind nur in einem 1-km²-Raster verfügbar. Dies ist für eine Vorhabensbeurteilung sehr grob, da sich die Belastungswerte bereits in kurzen Distanzen zum Emissionsort stark verringern. Zudem weisen benachbarte Bewertungsquadrate erheblich abweichende modellierte Depositionswerte auf, z.B. in Nordwesthessen im Raum Waldeck zwischen 38 und 53 kgN/(ha*a) bei unterstellten Waldtypen. Vergleichbare Situationen sind auch an anderen Stellen in Hessen reproduzierbar.

Wie belastbar sind die sich aus der Modellberechnung ergebenden Belastungswerte und insbesondere ihre Schwankungen zwischen den einzelnen Modellzellen? Wie sind die dort ermittelten Unterschiede für eine Verwaltungsentscheidung zu interpretieren?

4 Sind die Modelldaten noch ­aktuell genug?

Die vom UBA aktuell bereitgestellten Hintergrunddepositionswerte gehen vom Basisjahr 2004 aus (Gauger 2004). Die Immissionsbelastung mit NOx ist aber mittlerweile z.B. in Hessen gegenüber 2004 deutlich zurückgegangen (s. Abb. 1 bis 4). Hierdurch wird die aktuelle Belastungssituation überschätzt. Hinzu kommt, dass auch die für die Versauerung von Lebensraumtypen viel bedeutendere SO2-Belastung drastisch reduziert wurde. Ferner gehen auf europäischer Ebene Modellierungen jüngeren Datums ebenfalls von deutlich geringeren Belastungswerten aus.

Wie sind unter diesen Rahmenbedingungen die derzeit im Internet verfügbaren Modellwerte von einer Verwaltungsbehörde zu interpretieren? Darf sie überhaupt unreflektiert die „aktuell unzutreffenden“ Daten aus dem Modell übernehmen? Ist sie eventuell verpflichtet, Abschläge vorzunehmen?

5 Wie berücksichtigen die Critical Loads die Stickstofftoleranz ­unterschiedlicher LRT?

Die derzeit verfügbaren Rahmenwerte für Critical Loads überschätzen die tatsächliche Beeinträchtigung vieler für die Beurteilung relevanten FFH-Lebensraumtypen. Bereits die häufig zitierte Spanne von 10 bis 15 kg N/(ha*a) als Critical Load für Laub-, Nadel- und Mischwald wird den in verschiedenen Waldgesellschaften vorherrschenden sehr unterschiedlichen Toleranzen gegenüber Nähstoff- und insbesondere Stickstoffdepositionen nicht gerecht. So sind z.B. für Lebensraumtypen wie

Schlucht- und Hangmischwälder (LRT-Code 9180*),

Waldmeister-Buchenwälder (LRT-Code 9130),

subatlantische oder mitteleuropäische Stieleichenwälder oder Eichen-Hainbuchenwälder (LRT-Code 9160),

Erlen- und Eschenwälder an Fließgewässern (LRT-Code 91E0*) oder

Hartholzauenwälder (Ulmenion minoris) (LRT-Code 91F0)

von Natur aus nährstoff- und auch N-reiche Bodenverhältnisse typisch und damit apodiktische Critical Loads zwischen 10 und 15 kg N/(ha*a) nicht nachvollziehbar. Berücksichtigt man ferner, dass in vielen Fällen „vorsorglich“ (und mangels fachlicher Argumente) dann noch der untere Rahmenwert als Critical Load angehalten wird, wird die Überschätzung des Belastungsrisikos noch höher.

Hierbei ist ferner von Bedeutung, dass die Auswahl der ökologischen Bezugskollektive (Landbedeckungsklasse) nach der Rauigkeit der Oberfläche und nicht etwa der Empfindlichkeit des Typs erfolgte (Gauger 2004). Schon die natürliche N-Akkumulation pro Jahr und Hektar liegt aber oft bereits deutlich oberhalb der für diese LRT benannten Critical Loads. Bei Erlen kann z.B. die jährliche N-Deposition durch den eigenen Laubabfall 70 kg N/(ha*a) übersteigen! Derartige Überschätzungen mögen für großräumige umweltpolitische Einschätzungen geeignet sein, sind aber für eine Vorhabensbewertung nicht zielführend. Schließlich muss man sich vor Augen halten, wie viel kg N „in einen Baum hineinpassen“ und im Zuge einer forstlichen Bestandsbehandlung dem Wald auch entzogen werden können.

Für die Verwaltungsbehörde stellt sich hier die Frage, wie die für einige – zudem prioritäre! – Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie offensichtlich überschätzte Empfindlichkeit zu berücksichtigen ist. Leicht zitierbare und niedrigschwellig verfügbare Literatur hierzu liegt kaum vor.

6 Schadschwelle oder ­Unschädlichkeitsschwelle?

Das aktuelle Konzept der Critical Loads unterstellt einen Wert, bei dessen Einhaltung sämtliche Auswirkungen auf die Umwelt (einschließlich Sickerwasserabfluss) langfristig völlig unschädlich sind. Der Umkehrschluss, eine Überschreitung stelle bereits eine Beeinträchtigung dar, ist unzulässig, weil völlig überzogen und fachlich unbegründet. Es handelt sich damit um einen Bemessungswert, der in seinen Anforderungen weit über die nur LRT-bezogenen Anforderungen der FFH-Richtlinie hinausgeht. Dieser Bewertungsansatz ist medial übergreifend umweltpolitisch gerechtfertigt, naturschutzrechtlich bezogen auf das Regelungsregime des Artikels 6 der FFH-Richtlinie bzw. das Anforderungsprofil des §34 BNatSchG aber nicht fachlich begründbar.

Ist es unter den rechtlichen Rahmenbedingungen zur Bestimmtheit, Begründetheit, Nachvollziehbarkeit und letztlich auch Verhältnismäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen zulässig, auf einer derartigen fachlichen Basis begründet belastende Verwaltungsakte zu erlassen? Haben die Verwaltungsbehörden mangels „wissenschaftlicher Begründetheit“ dennoch Möglichkeiten, oberhalb der Critical Loads für Zwecke der FFH-Verträglichkeitsprüfung einen „anderen“ vernünftigen Schwellenwert anzusetzen?

7 Schlussfolgerungen

Die im Behördenalltag aktuell verfügbare Datenlage zu Stickstoffbelastungen von Ökosystemen sowie die einsetzbaren Bewertungsparameter sind unbefriedigend und führen zu einer oft unverhältnismäßigen Darlegungslast für Vorhabenträger und zu einem nicht angemessenen Verwaltungsaufwand für die Naturschutz- und Zulassungsbehörden. Auch das vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung veranlasste und der Bundesanstalt für Straßenwesen betreute Gutachten hat trotz längerer Laufzeit noch keine praxisverwertbaren Ergebnisse und Problemlösungen hervorgebracht, die auch bei kleineren Vorhaben zu fachlich begründbaren Ergebnissen führen.

Zweifel an der Validität der Vorbelastungsdaten und (teilweise) unspezifische Rahmenwerte für Critical Loads für verschiedene Lebensraumtypen können zu einer erheblichen Benachteiligung von Betreibern von Vorhaben führen, die bei tatsächlicher Bewertung des Einzelfalls nicht entstehen würde. Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz wäre nämlich eine Genehmigung zu erteilen, wenn alle immissionsschutzrechtlichen Pflichten erfüllt sind und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Da die Behörden personell und fachlich aber nur sehr bedingt in der Lage sind, diese detaillierten Bewertungen selbst vorzunehmen, es andererseits aber auch nicht immer Aufgabe eines Antragstellers sein kann, mittels aufwändiger Gutachten den Gegenbeweis anzutreten, müssen die Daten, auf die eine Entscheidung gestützt werden soll, zumindest offenkundig plausibel sein. Ein im Sinne der FFH-Richtlinie und der Rechtsprechung des EuGH „vernünftiger“ Bewertungsmaßstab muss sich aus den aktuell verfügbaren wissenschaftlich modellierten Daten auf dem Wege einer logisch begründeten Interpretation ableiten lassen. Ein „Mehr“ an Wissenschaftlichkeit ließe sich vielleicht im Labor erzielen, nicht aber in der Natur. Daher ist das Bewertungssystem sowohl hinsichtlich der Vorbelastungs-Daten als auch der Struktur der Bewertungsmaßstäbe unbedingt weiterzuentwickeln.

Das aktuell verfügbare Critical-Loads-Konzept als Bemessungsgröße führt aus den vorstehenden Gründen bei der Beurteilung der Verträglichkeit von N-Depositionen und bei der Umsetzung der nach der FFH-Richtlinie vorgesehenen Rechtsfolgen zu unbegründeten Ergebnissen und insbesondere häufig unangemessen hohen Darlegungsanforderungen, wenn die Daten nicht weiter interpretiert werden. Ohne diese Interpretation beruht die Bewertung einer möglichen Verschlechterung eines benachbarten Natura-2000-/FFH-Gebietes derzeit auf berechneten Daten für die vorhandene Vorbelastung und groben Rahmenwerten für Critical Loads.Zwar wird auch in der Luftreinhalteplanung mit Modellrechnungen gearbeitet. Aber allen Beteiligten ist dort klar, dass es sich dabei nur um Orientierungswerte handelt, die im Einzelfall deutlich höher oder tiefer liegen können und einer Interpretation bedürfen. Besteht der Hinweis auf eine hohe Belastung, wird zunächst tatsächlich gemessen, bevor Maßnahmen ergriffen werden.

Dagegen werden wegen der o.g. BVerwG-Entscheidungen bei der FFH-VP Modellwerte als harte Fakten behandelt, was sie aber offensichtlich nicht sind. Darüber hinaus wird anstelle einer differenzierten Betrachtung ein sehr pauschaler Rahmenwert für die Critical Loads angenommen, der als Empfindlichkeitsmaß gegenüber der N-Belastung angesehen wird, auch wenn er auf die tatsächlich betroffenen Lebensraumtypen nicht wirklich zutrifft. Dies widerspricht der rechtlich geforderten Einzelfallprüfung bzgl. der Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen.

Für eine praxisnahe Ausgestaltung von Bewertungsparametern für die Belastung von Lebensräumen mit Stickstoffeinträgen sowie bei der Bereitstellung aktueller und differenzierter Depositionsdaten über die Hintergrundbelastung mit Stickstoff (N) besteht damit dringender Handlungsbedarf. Notwendig erscheint eine fachliche Unterstützung für Verwaltungsbehörden und Gerichte zumindest in den folgenden Bereichen:

(1) Unverzüglich sind plausible und aktuelle Hintergrunddepositionswerte für Stickstoffverbindungen in einem für Zulassungsverfahren geeigneten Auflösungsraster unterhalb 1km² neu zu ermitteln.

(2) Soweit dies nicht kurzfristig möglich sein sollte, bedarf es einer unverzüglichen Abschätzung der aktuell zu unterstellenden Minderung der Hintergrunddeposition gegenüber den derzeit verwendeten, aber veralteten Daten.

(3) Der Anteil unmittelbarer N-Immissionen (NOx, NH3) an den N-Depositionen insgesamt und zu erwartende Beeinträchtigungen sind realistisch abzuschätzen.

(4) Weiterhin müssen spezifische realistische Schwellenwerte für die einzelnen LRT nach Anhang I FFH-RL festgelegt werden, bei deren Unterschreitung eine erhebliche Beeinträchtigung des LRT (vernünftigerweise!) ausgeschlossen werden kann.

(5) Schließlich bedarf es der Entwicklung eines den Belangen des Immissionsschutzrechts und des Naturschutzrechts gleichermaßen entsprechenden groben Prüfrasters für die plausible Abschätzung der Auswirkungen von Kleinvorhaben auf FFH-LRT.

Bis dahin bestehen Zweifel, ob das Critical-Loads-Konzept in der heutigen Ausprägung noch für die Beurteilung von insbesondere kleineren Einzelvorhaben herangezogen werden kann. Eine eingehende Verträglichkeitsprüfung ist nämlich immer nur dann erforderlich, wenn „vernünftige“ Zweifel am Ausbleiben von erheblichen Beeinträchtigungen bestehen [Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.01.2004 in der Rechtssache C-127/02 „Landelijke Vereniging tot Behoud van de Waddenzee und Nederlandse Vereniging tot Bescherming van Vogels gegen Staatssecretaris van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij“ (Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State), „Erhaltung der natürlichen Lebensräume – wild lebende Tiere und Pflanzen – Begriff des ‚Plans’ oder des ‚Projekts’“ Rand-Nr. 74). Nach Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43 bedeutet aber auch die Verträglichkeitsprüfung selbst, dass unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sämtliche Gesichtspunkte zu ermitteln sind, die die für ein FFH-Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können. Die Behörden dürfen ein Vorhaben genehmigen, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein „vernünftiger Zweifel“ daran besteht, dass es sich nicht nachteilig auf dieses Gebiet als solches auswirkt (Urteil des EuGH vom 07.09.2004 „Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen – Begriffe ‚Plan‘ oder ‚Projekt‘ – Prüfung der Verträglichkeit bestimmter Pläne oder Projekte für das Schutzgebiet“ in der Rechtssache C-127/02 Leitsatz Nr. 4).

Literatur

Gauger, T. (2004): Ermittlung der Vorbelastung (ökosystemspezifische N-Gesamtdeposition 2004). http://gis.uba.de/website/depo1/download/N-DepositionVorbelastung_2004.pdf , Zugriff am 15.09.2010.

Anschrift des Verfassers: Klaus-Ulrich Battefeld, c/o Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Referat VI 2 A: Naturschutz bei Planungen Dritter, Landschaftsplanung, Mainzer Straße 80, D-65189 Wiesbaden, E-Mail klaus-ulrich.battefeld@hmuelv.hessen.de . Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.

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