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Editorial

Aus Nagoya und Brüssel: Signale der Hoffnung

Die Agrarförderung der Europäischen Union wird sich in der nächsten Förderperiode von 2014 bis 2020 ändern, so viel ist sicher. Was sich in den letzten Wochen bereits andeutete, hat sich am 18. November erhärtet:

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Der aus Rumänien stammende Agrarkommissar Dacian Ciolos stellte seine Ziele für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vor. Und er scheint entschlossen, einen grundsätzlichen Kurswechsel weg von der Dominanz der Einkommensstützung für die Landwirte und hin zu einer gerechteren Hono­rierung von Umweltleistungen der Landwirtschaft einzuleiten.

Ciolos bestätigte die Erwartungen, die besonders Umweltverbände in ihn allein schon aufgrund seiner Vita gesetzt haben: Er ist studierter und promivierter Landwirt mit Vertiefung in Produktionstechnik und ländlicher Entwicklung, arbeitete beim Regionalverband der Biobauern in der Bretagne, gründete die Bauernorganisationen Agroecologi mit, wirkte seit 2000 in der Brügge-Fraktion mit, einer unabhängigen europäischen Grup­pe zur Analyse der EU-Agrarpolitik, arbeitete in der EU-Generaldirektion Landwirtschaft und war zuletzt Landwirtschaftsminister in Rumänien. Ciolos kennt also viele Facetten der Landwirtschaftspolitik neben der Ökonomie.

Es ist offensichtlich, dass die Landwirtschaft einen grund­sätzlichen Kurswechsel benötigt: Alle Indikatoren zur biologischen Vielfalt in Europa sind für die Agrarlandschaft stark negativ. Landwirtschaft in der derzeit praktizierten Form ist einerseits Opfer des Klimawandels, trägt aber auch selbst maßgeblich zu ihm bei. Ein offenes Geheimnis ist auch, dass der aktuelle Landnutzungswandel unter der Prämisse der Nutzung von Bioenergien nicht grundsätzlich nachhaltig, sondern selbst für den Klimaschutz zum Teil nicht ausreichend zielführend wirkt. Europäische Vorgaben zwingen zum Umsteuern – seien es FFH- und Vogelschutzrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie oder auch die Forderung in einer Resolution, die das EU-Parlament am 22. September verabschiedete: Stopp des Artenverlustes bis 2020, nachdem dieser nicht schon 2010 erreichbar war, als absolutes Minimalziel.

Wohl zufällig einen Tag vor den neuen Vorschlägen aus Brüssel legte das Bundesumweltministerium den Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt vor. Artenvielfalt im Agrarland: 66 % des Zielwertes für das Jahr 2015, der Trend entwickelt sich statistisch signifikant weg vom Zielwert. Ökologischer Gewässerzustand: Nur 10 % der Wasserkörper befinden sich in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand – die Landwirtschaft hat immerhin einen wesentlichen Anteil daran. Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert (High Nature Value Farmland): 13 %, der Zielwert liegt bei 19 % im Jahr 2015. Genetische Vielfalt in der Landwirtschaft: Nur 17 % der Nutztierrassen sind nicht gefährdet. Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft: Der aktuelle Wert mit 115 kg/ha liegt noch weit vom Zielwert 80kg/ha im Jahr 2010 entfernt, der Trend immerhin ist aber signifikant positiv. Stickstoffeinträge: Lediglich 4,3 % der bewerteten Flächen empfindlicher Ökosysteme überschreiten die Critical Loads für Eutrophierung nicht – begründet zwar maßgeblich durch Verkehr und Industrie, aber auch durch Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft.

Somit liefert der deutsche Indikatorenbericht nicht Indizien, nein, er belegt mehrfach einen klaren Handlungsauftrag für die Agrarpolitiker in Brüssel: Jetzt muss der Nachhaltigkeit in der Agrarpolitik der dringend notwendige Stellenwert eingeräumt werden. Wohl niemand möchte damit den Landwirten ans Port­monee, denn eine wirtschaftlich tragfähige Landwirtschaft ist die Voraussetzung, damit sie ihre positiven Ökosystemdienstleistungen auch erbringen kann. Es geht um einen Paradigmenwechsel: Steuergeld nicht allein zur Einkommenssicherung, sondern auch für die Erbringung gesellschaftlicher Leistungen. Wie das funktionieren kann und zugleich warum dieses im Sinne einer multifunktionalen Landwirtschaft notwendig ist, belegt der erste Hauptbeitrag im vorliegenden Heft am Beispiel extensiver Weidewirtschaft. Passend dazu weist eine Literaturauswertung in „Kurz berichtet“ auf die Rolle pilzlicher Regulatoren in Gräsern hin – artenreiches Grünland ist die beste Garantie für verträgliches Futter für die Weidetiere.

Auf globaler Ebene haben die Beschlüsse der 10.Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über biologische Vielfalt im japanischen Nagoya die Richtung auch für die Agrarpolitik in Europa klar vorgegeben: Bis 2020 sind alle die Biodiversität schädigende Subventionen zu beseitigen; stattdessen sind Anreizinstrumente für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu entwickeln und anzuwenden. Ob das in Brüssel gelingt? Wichtig ist eine offene und sachorientierte Diskus­sion ohne Scheuklappen. Die nächsten Wochen und Monate bleiben spannend!

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