Ist EU-Monitoring vergleichbar?
Eine Zwischenfrage von Barbara Froehlich-Schmitt
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Die Pflichtaufgabe EU-Monitoring wird in den 16 Bundesländern in bunter Vielfalt erledigt: bezüglich des Zeitrahmens, der Erfassungsräume, der Erfassungsmethoden, der Bewertungsschlüssel, der Ausschreibung und der Honorierung. Dies ist eigentlich ein unhaltbarer Zustand von rückständiger Kleinstaaterei. Aber kein Naturschutzschutzverband fordert im internationalen Jahr der Biodiversität 2010 von Bundesumweltminister Röttgen diesbezüglich Leitlinien an.
Der BUND hat 2010 in seinem Biodiversitäts-Ranking zwar Bundesländer miteinander verglichen und u.a. wegen fehlender FFH-Managementpläne schlechte Noten vergeben. Aber für die Basis der Pläne, nämlich für das Monitoring und die Berichte an die EU, steht letztlich der Bund gerade. Und der bekam keine Noten.
Der Bundesumweltminister müsste die Vollkompetenz des Bundes in Sachen EU-Monitoring endlich wahrnehmen und dafür sorgen, dass die Bundesländer
nicht nur in den FFH-Gebieten, sondern wie von der EU gefordert flächendeckend,
ein vergleichbares EU-Monitoring nach einheitlicher klarer Methode betreiben,
das Vergaberecht nicht mehr mit Füßen treten,
realistisch den Zeitaufwand kalkulieren,
nur auskömmliche Honorarangebote akzeptieren,
die Stichproben-Flächen zur Trendabschätzung verzehnfachen.
Biotopkartierung: EU-Monitoring nach der FFH-Richtlinie erfolgt großteils im Rahmen von Biotopkartierungen. Daher geben die Ergebnisse von zwei Umfragen zur Biotopkartierung bei den Bundesländern von 2008 auch Hinweise zum unterschiedlichen EU-Monitoring (Drachenfels 2009, Froehlich 2008).
Stichproben-Flächen: Zur Trendabschätzung sollen in den drei biogeographischen Haupteinheiten Deutschlands statistisch belastbare Daten erhoben werden, um darüber Auskunft zu erhalten, wie sich eine FFH-Anhangsart oder ein FFH-Lebensraumtyp (LRT) entwickelt. Hier hat die Statistik der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz (LANA) einen Streich gespielt. Man hat sich um eine Zehner-Potenz vertan, müsste eigentlich die Zahl der Flächen von 63 auf 630 pro Haupteinheit verzehnfachen. Aber die LANA hat beschlossen abzuwarten, ob die EU diese Ergebnisse schluckt. Ein solch peinliches Vorgehen könnte man vielleicht bei armen Ländern wie Griechenland entschuldigen. Aber Griechenlands EU-Monitoring-Konzepte sind ehrgei-zig (Ellwanger et al. 2006, 250ff.).
Vogelschutzgebiete: Berufsornithologen werden nur von einigen Bundesländern mit der von der EU geforderten Grunddatenerhebung von EU-Vogelschutzgebieten beauftragt. Dies geschieht in Bremen, Hamburg, Brandenburg, Saarland und Schleswig-Holstein (Froehlich 2008). Ansonsten verlässt man sich wohl hauptsächlich auf das Ehrenamt. Darunter verbergen sich viele Berufsornithologen, die es aus moralischer Verpflichtung dann halt gratis machen.
Verschiedene Erfassungsbögen und Bewertungsschlüssel der FFH-LRT mehrerer Bundesländer hat der Arbeitskreis „Freie Berufe“ des Bundesverbandes Beruflicher Naturschutz (BBN) bereits 2006 und 2007 verglichen. Am Beispiel einer Salbei-Glatthaferwiese, die zum FFH-Lebensraumtyp Magere Flachland-Mähwiesen (6510) gehört, kamen mit den unterschiedlichen Schlüsseln auch unterschiedliche Bewertungsergebnisse heraus (Wedra 2006). Bergwiesentypen und Hochstauden wurden 2007 in der Rhön untersucht, wobei die Schlüssel von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen zum Einsatz kamen. Die Ergebnisse wichen im Vergleich öfter um eine der drei Wertstufen voneinander ab. Die Methoden der Bundesländer zeigten unterschiedliche Stärken und Schwächen (Herkommer & Wedra 2007). Der BBN-AK Freie Berufe beklagte, dass eine systematische Erhebung von FFH-Lebensraumtypen außerhalb von FFH-Gebieten kaum erfolgte.
Welche Bundesländer FFH-Lebensraumtypen landesweit erfassen lassen, hat ein Beamter aus Niedersachsen 2008 durch Umfrage bei den Ländern zu klären versucht (Drachenfels 2009). Acht Bundesländer antworteten uneingeschränkt mit ja, sieben sagten nein, das Saarland: „nur Grünland“. Unter den Ja-Sagern war auch Rheinland-Pfalz. Nachweislich lässt RP aber LRT nur in Biotopkulissen erfassen, die von den Biotopkartierern dann außerhalb von Natura-2000-Gebieten aus fadenscheinigen politischen Gründen nicht als solche kenntlich gemacht werden dürfen. Eine Bewertung der LRT wurde bisher in Rheinland-Pfalz nicht beauftragt. Die saarländische Naturschutzverwaltung lässt im gesamten Grünland ihre LRT erfassen und bewerten und gibt zu, dass sie das im Wald außerhalb von FFH-Gebieten nicht darf. Es fragt sich, was die anderen Ja-Sager wie und wo wirklich machen. In fünf Bundesländern kartiert die Forstverwaltung LRTs im Wald. Dass Forstleute anders bewerten als Ökologen ist bekannt. Man wundert sich, dass die Landwirtschaftsbehörden nicht auch ihr Grünland selbst kartieren wollen.
Die HNV-Farmland-Probeflächen werden in allen Bundesländern außer Schleswig-Holstein von Ökologen kartiert. Die Zeitvorgaben und akzeptierten Stundensätze schwanken aber je nach Bundesland beträchtlich (Gottfriedsen 2009). Ob sich so ein stichhaltiger „High Nature Value Farmland“-Indikator erzielen lässt, erscheint fraglich.
Zu Ausschreibung, Vergabe und Honoraren für landschaftsökologische Leistungen hat sich der BBN wiederholt geäußert. Laut Gütestelle Honorar- und Vergaberecht (GHV) verstößt eine Ausschreibung nach VOL für Leistungen von Freiberuflern generell gegen das Vergaberecht (Kalte 2009). In Bremen wird bei Biotopkartierung mit dem Mindestsatz nach HOAI, in Brandenburg 2008 mit 35€/h vorkalkuliert (Froehlich 2008), im Saarland werden Angebote mit Honoraren unter 35€/h abgelehnt (Miedreich 2010), das BfN gibt eine Empfehlung für HNV-Kartierung von 45€/h (Gottfriedsen 2009). In der Realität kartieren ÖkologInnen für Stundensätze oft weit unter Auskömmlichkeit, weil sie durch die Art der Vergabe der öffentlichen Hand dazu gezwungen werden.
Literatur
BBN = Bundesverband Beruflicher Naturschutz, vgl. http://www.bbn-online.de
BUND = Bund für Umwelt Und Naturschutz Deutschland (2010): Bundesländer-Ranking Biodiversität. http://www.bund.net .
Drachenfels, O. v. (2009): Erfassung für den Naturschutz bedeutsamer Lebensräume. – Bedeutung und Stand selektiver Biotopkartierungen in Deutschland. In: BBN-Jahrbuch für Naturschutz und Landschaftspflege Bd. 57: 153-160.
Ellwanger, G., Schröder, E. (2006): Management von Natura 2000-Gebieten. Erfahrungen aus Deutschland und ausgewählten anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Naturschutz und Biologische Vielfalt 26, BfN, Bonn.
Froehlich-Schmitt, B. (2008): Vergabepraxis von Biotopkartierungen – eine Umfrage bei Bund und Ländern. Naturschutz und Landschaftsplanung 40 (12), 415-417.
Gottfriedsen, R. (2009): Arbeitskreis Freie Berufe – Bericht von der Sitzung am 9. Mai 2009 in Frankfurt. High Nature Value Farmland-Indikator. BBN-Mitt. 48, 16-18.
Herkommer, U., Wedra, C. (2007): FFH-Exkursion – BVÖB und VHÖ zum Test von Bewertungsschlüsseln für FFH-Lebensräume in der Hessischen Rhön. BBN-Mitt. 44, 14.
Kalte, P. (2009): Vergabe von freiberuflichen Leistungen im Naturschutz und Empfehlungen zur Bewertung des Honorars. Vortrag bei BBN-Herbsttagung, 24.09. 2009, Bonn.
Miedreich, H. (2010): Über Vergabe, LUA-Struktur sowie Wind und Wasser. Mitgliederrundbrief des Saarländischen Berufsverbandes der Landschaftsökologinnen u. ökologen 1/10, 2-4.
Sachteleben, J., Behrens, M. (2008): Konzept zum Monitoring des Erhaltungszustandes von Lebensraumtypen und Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Ergebnisse des F(orschungs)- und E(ntwicklungs)-Vorhabens „Konzeptionelle Umsetzung der EU-Vorgaben zum FFH-Monitoring und Berichtspflichten in Deutschland“ im Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) – FKZ 805 82 013 (Gutachten als pdf, 189 S.).
Wedra, C. (2006): AK Freie Berufe – FFH-Exkursion am 10. Juni 2006 im Taubertal. BBN-Mitt. 42, 20.
Anschrift der Verfasserin: Barbara Fröhlich-Schmitt, Auf der Heide 27, D-66386 St. Ingbert, E-Mail info@natur-text.de , Internet http://www.natur-text.de .
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