Naturschutz auf DBU-Naturerbeflächen
Abstracts
Die DBU Naturerbe GmbH hat zur Sicherung des Nationalen Naturerbes ca. 46000 ha wertvoller Naturschutzflächen – überwiegend ehemalige Truppenübungsplätze – übernommen, um sie langfristig für Zwecke des Naturschutzes zu sichern.
Im vorliegenden Beitrag werden grundsätzliche Überlegungen zu der Frage dargestellt, welche Naturschutzziele auf diesen Flächen, die sich durch Großräumigkeit, Störungsarmut und vor allen durch eine hohe Standortheterogenität auszeichnen, mittel- bis langfristig erreicht werden sollen. Übergeordnetes Ziel ist es, die Gesamtheit der aus historischen Entwicklungsreihen entstandenen und zukünftig entstehenden Naturelemente auf allen Ebenen der Biodiversität zu bewahren und zu entwickeln.
Im Rahmen einer differenzierten Naturschutzstrategie erfolgt in naturnahen Laubwäldern Prozessschutz, naturferne Nadelbaumbestände werden mit waldbaulichen Maßnahmen in naturnahe Laubwälder überführt und bestehende Offenlandlebensräume werden durch extensive Beweidung und mechanische Pflegemaßnahmen erhalten und entwickelt. Das Zulassen natürlicher Dynamik bzw. das Auslösen dynamischer Prozesse durch anthropogene Eingriffe soll tragendes Element der Naturschutzaktivitäten auf den DBU-Naturerbeflächen sein.
Nature Conservation on Natural Heritage Sites of the DBU – General reflections regarding targets and long-term strategy
In order to protect the national natural heritage the DBU Naturerbe GmbH (German foundation promoting environmental projects) has acquired about 46.000 ha of valuable nature conservation sites – mainly former military training areas – with the aim to protect their nature conservation value on a long-term basis.
The paper presents general considerations about the nature conservation aims to be pursued on these sites which stand out due to their largeness, lack of disturbance and particularly due to a high diversity of habitats. It is a goal of overriding importance to preserve and develop the entirety of the natural elements which have developed so far and will develop in future on all levels of the biodiversity.
In the context of a differentiated nature conservation strategy deciduous forests are secured via process protection, non-natural forest stands will be transformed into near-natural deciduous forests using silvicultural measures, and existing habitats in the open country will be preserved and developed via extensive grazing and mechanical management measures. A fundamental element of the conservation activities on the natural heritage sites of the DBU is the admittance of natural dynamics, respectively the triggering of dynamic processes by anthropogenic interference.
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1 Das Naturerbe
Im Zuge der Sicherung des Nationalen Naturerbes hat die Bundesregierung 2005 beschlossen, 125000 ha wertvoller Naturschutzflächen, die sich in Bundesbesitz befanden, nicht zu privatisieren, sondern den jeweiligen Bundesländern oder Stiftungen oder Naturschutzverbänden zu übereignen. Die neu gegründete gemeinnützige DBU Naturerbe GmbH, eine Tochter der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, wird davon rund 46000 ha, verteilt auf 33 Liegenschaften in neun Bundesländern, übernehmen und dauerhaft für den Naturschutz sichern. In einem im Mai 2008 unterzeichneten Vertrag zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und der DBU Naturerbe GmbH wurden die Bedingungen der Flächenübertragung formuliert. Danach sind auf den Flächen ausschließlich Naturschutzziele zu verfolgen. Diese sind in allgemeinen und liegenschaftsspezifischen Leitbildern formuliert und bindend vereinbart worden.
Mit Ausnahme einer Bergbaufolgelandschaft und einem Feuchtgrünland-Komplex wurden alle DBU-Naturerbeflächen über einen mehr oder weniger langen Zeitraum militärisch genutzt. Diese ehemaligen Truppenübungsplätze zeichnen sich durch ihre Großräumigkeit, Störungsarmut und ungewöhnlich große Standortheterogenität aus. 15 Liegenschaften sind über 1000 ha groß, die größte über 7600 ha. Der überwiegende Teil der Flächen ist mit Wald bestanden (rund 37000 ha). In den östlichen Bundesländern prägen vor allem kieferndominierte 30- bis 60-jährige Altersklassenwälder das Bild. Sie bedecken 29000 ha. Knapp 8000 ha sind mit naturnahen Laubwäldern bedeckt. Sie konnten sich relativ ungestört entwickeln und wurden nur begrenzt forstlich genutzt.
Ehemalige Truppenübungsplätze sind anthropogen geformte Lebensräume, die nach Aufgabe der militärischen Nutzung einer zeitlich stark gestaffelten Sukzession unterliegen. Durch die militärische Nutzung war die Vegetationsdecke fortlaufenden Störungen durch Befahren mit Fahrzeugen (bes. Kettenfahrzeuge), durch Bodenbewegungen und durch Feuer, hervorgerufen durch Schießübungen, ausgesetzt. Auf unterschiedlich großen Arealen und in unregelmäßigen Zeitabständen wurde die Vegetation stark gestört oder gar vernichtet und damit der Oberboden freigelegt. Es entwickelten sich störungsgeprägte und -abhängige Lebensräume wie beispielsweise offene Sandökosysteme (Burkart et al. 2004), die, durch Nährstoffknappheit und hohe Sonneneinstrahlung gekennzeichnet, sehr vielen heimischen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum bieten. Nach Goldammer & Page (1998) sind Truppenübungsplätze die einzigen mitteleuropäischen „Brandrefugien“, d.h. Flächen, die regelmäßig abbrennen.
Die ungleichmäßig in Raum und Zeit auftretenden Störungen schufen ein Habitatmosaik, welches deutlich mehr ökologische Nischen für eine höhere Artenzahl bereitstellt als eine uniforme Landschaft (Warren & Büttner 2008, Whittaker & Levin 1977). Damit wird Arten, die regelmäßig tief greifende Störungen benötigen, um konkurrenzfähig zu sein, ebenso ein Lebensraum geboten wie Arten, die dauerhaft ungestörte Lebensräume benötigen bzw. auf Lebensräume angewiesen sind, die alle möglichen Übergänge von frischer Störung und abgeschlossener Sukzession aufweisen. Dies erklärt den ungewöhnlich großen Artenreichtum militärischer Übungsplätze. So kommen allein auf den beiden Truppenübungsplätzen Grafenwöhr und Hohenfels in Bayern 27 % der landesweit bekannten Pflanzenarten vor (Warren & Büttner 2008). In den Niederlanden besiedeln 53 % aller heimischen Gefäßpflanzen und 61 % aller niederländischen Vogelarten militärische Übungsflächen, obwohl diese nur etwa 1 % der Landesfläche ausmachen (Gazenbeek 2005, Warren & Büttner 2008).
Durch die Aufgabe der militärischen Nutzung auf den DBU-Naturerbeflächen ist ohne entsprechende Gegenmaßnahmen davon auszugehen, dass nach und nach die frühen Sukzessionsstadien und damit auch die daran gebundenen Arten verschwinden. Darunter befinden sich viele Arten, die in den Anhängen 2 und 4 der FFH-Richtlinie bzw. der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführt sind. Der Auftrag zum Bewahren ist nur durch aktives Eingreifen in die ablaufenden Sukzessionsprozesse zu erfüllen, d.h. die durchzuführenden Naturschutzmaßnahmen verhindern das Entstehen anderer Lebensgemeinschaften. Dies entspricht zunächst dem Schutzauftrag, ist allein aber noch nicht ausreichend und muss entsprechend ergänzt werden um das Strategieelement eines vorwärts gerichteten Gestaltens des Wandels.
2 Begründung der Naturschutzstrategie auf DBU-Naturerbeflächen
2.1 Warum betreiben wir Naturschutz und was wollen wir schützen?
Bevor die Frage nach den konkreten zu verfolgenden Naturschutzzielen beantwortet werden kann, bedarf es der Diskussion grundlegender Aspekte des Naturschutzes. Nach wie vor ist umstritten, welche Natur zu schützen ist: die wilde, kultivierte, erschlossene, intakte, lebende, nutzbare, erholsame Natur? – oder ihr Haushalt, ihre Leistungen, Eigenart und Schönheit? (Haber 2009). Die Auffassungen sind einem erheblichen Zeitgeist unterlegen. Am Beginn der Naturbewegung zum Ende des vorletzten Jahrhunderts war der Naturschutz von einem kulturellen Naturzugang geprägt und zielte auf so genannte Naturdenkmäler sowie besondere Landschaften, Tier- und Pflanzenarten. Im Zuge einer Verwissenschaftlichung des Naturschutzes in den letzten 30 Jahren wurden „Arten“, „Biotope“ und „Ökosysteme“ zu zentralen übergeordneten Schutzobjekten. Seither wird der Naturschutz fast ausschließlich ökologisch begründet, obwohl der Versuch, Naturschutzziele ökologisch zu begründen, bisher nicht überzeugend gelungen ist (Haber 2006).
Letztlich ist Naturschutz eine Kulturaufgabe, deren Ziele sich in einem gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess fortlaufend weiterentwickeln. Der aktuelle Stand lässt sich ablesen an den heute gültigen internationalen Vereinbarungen und gesetzlichen Regelungen. Sie sollten die argumentative Basis für die Zielsetzungen auf den Naturerbeflächen sein.
Auf globaler Ebene hat die Welt-Naturschutzorganisation IUCN (1980) folgende Schutzobjekte benannt:
Arten und innerartliche Diversität, einschließlich funktional bedeutsamer Arten und Arten mit hohem Indikationspoten-tial,
Biotope und Geotope, insbesondere naturnahe Elemente in Mischlandschaften,
Wasser, Boden und Luft als zusammengesetzte Naturgüter, in denen Organismen entscheidende Steuer-, Auf- und Abbaufunktionen wahrnehmen,
ökologische Prozesse,
Ökosysteme, einschließlich regelmäßig genutzter,
regionstypische Landschaften.
Auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro im Jahre 1992 wurde die Nachhaltige Entwicklung von den meisten Ländern der Erde zum Leitbild anthropogenen Handelns erhoben (UNCED 1992). Die Ziele des Naturschutzes wurden in der Biodiversitätskonvention, der Convention on Biological Diversity (UNCED 1992) formuliert. Im gleichen Jahr wurde auf europäischer Ebene die „Richtlinie 92/43/EWG des Rates der EU zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen“, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, zur Naturschutznorm erhoben. Darin heißt es: „Hauptziel dieser Richtlinie ist es, die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu fördern, wobei jedoch die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und regionalen Anforderungen berücksichtigt werden sollten. Diese Richtlinie leistet somit einen Beitrag zu dem allgemeinen Ziel einer nachhaltigen Entwicklung. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt kann in bestimmten Fällen die Fortführung oder auch die Förderung bestimmter Tätigkeiten des Menschen erfordern.“
Sowohl die UN-Biodiversitäts-Konvention als auch die Natura-2000-Richtlinien klammern die unbelebte Natur, obwohl sie ja Grundlage und Auslöser der Vielfalt des Lebens und seiner Anpassungsstrategien ist, aus und gehen zudem davon aus, dass ein vorgefundener Zustand im konservierenden Sinn zu erhalten ist (Haber 2006, 2009). In der rechtlich-verwaltungsmäßigen Umsetzung auf der Ebene der Bundesländer kommt es in der Praxis durch die Fokussierung auf die in den Anhängen 1, 2 und 4 genannten Lebensräume und besonders zu schützenden Arten zu einer weiteren starken Einengung der Biodiversität. Diese Reduktion von Natur auf Biodiversität ist aus ökologischer Sicht nicht begründbar und führte zu Akzeptanzproblemen in weiten Kreisen der Gesellschaft (Haber 2006).
Demgegenüber sind die Zielvorgaben des aktuellen Bundes-Naturschutzgesetzes weiter gefasst. Danach sind Natur und Landschaft auf Grund ihres eigenen Wertes und als Grundlagen für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass
die biologische Vielfalt,
die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie
die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft
auf Dauer gesichert sind.
Mit den Strategien „Schützen“, „Pflegen“ und „Entwickeln“ bezieht der Gesetzgeber die ganze Skala menschlicher Aktivitäten in Naturschutz und Landschaftspflege ein. Damit vollzieht er bewusst den Schritt vom klassischen Naturschutz bewahrender Art zum modernen Naturschutz mit seinen durchaus dynamischen Momenten, der auch die heutigen technischen Möglichkeiten in den Dienst der Sache stellt (Kolodziejcok et al. 2008). Für die Umsetzung ist von Bedeutung, dass ein grundlegendes Element der belebten Natur deren dynamische Veränderung ist, die nicht nur kontinuierlich verläuft (z.B. Sukzession), sondern auch chaotische Ereignisse (Brände) oder natürliche Katastrophen (Insektenkalamitäten, Windwürfe) beinhaltet.
Zieht man die vier Grundziele des Naturschutzgesetzes als Basis für die Naturschutzstrategie auf den DBU-Naturerbeflächen heran, ist zu berücksichtigen, dass diesen Zielen unterschiedliche Grundwerte zugrunde liegen. Bei der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts, der Regenerationsfähigkeit der Naturgüter und partiell auch bei der Biodiversität ist es die dauerhafte Nutzbarkeit von Ressourcen für den Menschen. Bei der Eigenart und Schönheit sowie dem Erholungswert von Natur und Landschaft und auch überwiegend bei der Biodiversität sind es dagegen ausschließlich moralische und/oder ästhetische Grundwerte (Plachter et al. 2003). Alle Naturschutzziele gleichzeitig am gleichen Ort anzustreben und zu erreichen, ist kaum möglich. Naturschutzziele müssen räumlich stark differenziert werden, sonst wirken sie nivellierend. Konkreter Naturschutz muss stets regionale oder sogar lokale Ansätze verfolgen, sonst konterkariert er seine eigenen Ziele, z.B. den Erhalt einer möglichst großen Vielfalt auf globalem Niveau (Plachter et al. 2003).
Auf den DBU-Naturerbeflächen sind die oben genannten Grundziele nur mit einer Strategie zu erreichen, die die gesamte Breite der Naturschutzinstrumentarien gezielt einsetzt, indem standortspezifisch, zeitgleich oder zeitlich gestaffelt schützende, pflegende und/oder Dynamik zulassende und schützende Maßnahmen ergriffen werden, unter Nutzung aller heutigen technischen Möglichkeiten. Für einen erfolgreichen Naturschutz auf den DBU-Naturerbeflächen kommt es entscheidend darauf an, die richtigen Maßnahmen in der „richtigen“ räumlichen und zeitlichen Strukturierung zu planen und umzusetzen. Grundlage dafür bilden die verbindlich vereinbarten liegenschaftsspezifischen Leitbilder und die Erfassung und Bewertung der vorgefundenen Naturgüter. Darauf aufbauend werden im Idealfall sehr vielfältige, flächenscharfe Naturschutzziele formuliert, die zusammengenommen für eine Liegenschaft bzw. für das gesamte DBU-Naturerbe alle übergeordneten Ziele erfüllen. Damit wird die Entscheidung auf den einzelnen Teilflächen nicht nach grundsätzlichen Gesichtspunkten („Wildnis oder Pflege“) getroffen, sondern vorrangig nach Standortgegebenheiten. Eine generelle Zieldiskussion ist aber erforderlich, in welchen Größenordnungen (Flächenausmaßen) einzelne Grundziele vorrangig verfolgt werden sollen.
2.2 Naturentwicklung/Prozessschutz oder bewahrender Biodiversitätsschutz im Sinne der FFH-Richtlinie?
Ein Wesensmerkmal der Natur ist ihre Dynamik, ihre Prozesshaftigkeit. Daraus resultiert, dass Naturschutz dies gebührend berücksichtigt und ebenfalls dynamisch sein muss. Naturschutz hat demnach das Ziel, die Natur ihren eigenen Gesetzen und Zufällen zu überlassen. Diese als Prozessschutz bezeichnete Form des Naturschutzes umschreibt Bibelriether (1990) als „Natur Natur sein lassen“. Ihr Resultat ist „Wildnis“, ein großflächiger Raum, den wir bewusst der freien, natürlichen Entwicklung überlassen (Broggi 1996). Wildnis ist Ausdruck eines realen Zustandes oder Ziels einer von menschlicher Einflussnahme weitestgehend ungestörten Entwicklung (Klein 1998).
Succow & Jeschke (2008) sehen als prioritär schutzwürdig jene Lebensräume, die sich im Laufe der Nacheiszeit unter den gegebenen klimatischen und standörtlichen Bedingungen in Abhängigkeit vom geologischen Substrat natürlich, d.h. spontan entwickelten, die also aus globaler Sicht hier ihren „Stammplatz“ haben. Sie sehen die zentrale Aufgabe des Naturschutzes darin, diese Ökosysteme zu schützen, indem sich möglichst große zusammenhängende Flächen ohne menschliches Zutun selbst entwickeln können (Naturentwicklungsgebiete, werdende Wildnis). Es handelt sich nicht um Natur ohne menschlichen Einfluss, sondern es sind Flächen, aus denen sich der die Naturressourcen nutzende Mensch der Hochzivilisation zurückzieht und alles Entstehende im System verbleibt (Succow & Jeschke 2008).
Einem wichtigen Ziel des Naturschutzgesetzes, nämlich die biologische Vielfalt dauerhaft zu bewahren, wird das Wildniskonzept aber nicht gerecht, weil viele Lebensräume und deren Biozönosen das Ergebnis anthropogener Landschaftsgestaltung sind. Dies gilt insbesondere für die Offenlandlebensräume. „Wildnis“ allein bietet keine Gewähr für die Bewahrung der historisch entstandenen Biodiversität (Kowarik 2005).
Die vorgefundene Biodiversität zu bewahren, ist ein weltweit anerkanntes Ziel des Naturschutzes. Hohe Biodiversität ist ein wünschenswerter Zustand. Anders als die Regenwälder, Tundren oder Savannen sind die Landschaften Mitteleuropas bis auf wenige Reste seit dem Neolithikum entscheidend durch den Menschen geprägt worden. Die Landnutzung war ein entscheidender Faktor für die Entstehung jener reich strukturierten Kulturlandschaften, die bis heute einen großen Teil der Artenvielfalt beherbergen (Beinlich 1996, IUCN 1980, Konold 2005, Phillips 1998).
Der Erhalt solcher reich gegliederter Kulturlandschaften aus einem Mosaik natürlicher, naturnaher und mit geringem Energie- und Stoffeinsatz genutzter Lebensräume ist einer der wesentlichsten Beiträge Europas zu einer globalen Naturschutzstrategie (Plachter 1999). Daher ist die Biodiversität der anthropogen beeinflussten und geformten Kulturlandschaften Schutzziel auf den DBU-Naturerbeflächen. Soll die vergleichsweise hohe Biodiversität der durch militärische Nutzung entstandenen Offenlandstandorte zumindest größtenteils erhalten werden, bedarf es ergänzend zur Sicherung natürlich ablaufender Prozesse auch konservierender Naturschutzstrategien.
Große Teile des Offenlandes und in geringem Umfang auch Wälder des DBU-Naturerbes sind als FFH-Gebiete ausgewiesen. Die jeweiligen Schutzgebietsverordnungen enthalten konkrete Erhaltungsmaßnahmen. Damit besteht für die DBU die rechtliche Verpflichtung, alle schützenswerten Lebensraumtypen im zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung vorhandenen Zustand zu bewahren, d.h. das Verschlechterungsverbot zu beachten. Hierbei handelt es vor allem um Sandtrockenrasen, Calluna-Heiden und magere Flachland-Mähwiesen.
Allerdings ist die hohe Biodiversität anthropogen überformter Ökosysteme letztlich nur bei Weiterführung der Nutzungsform zu erhalten. Dies ist im Fall von Truppenübungsplätzen, deren sehr hohe Biodiversität das Ergebnis regelmäßig wiederkehrender als auch einmaliger Störungen und damit immer wieder auftretender Pioniersituationen und sich vollziehender Sukzessionsprozesse ist, nicht oder nur in abgewandelter Form möglich. Der Status quo wird sich unweigerlich verändern. Ungeachtet dessen sollte auf den bewahrenden Auftrag des Naturschutzes, nämlich die gesamte Vielfalt der Arten, Lebensgemeinschaften und Lebensräume zu erhalten, nicht verzichtet und nach Pflegeansätzen gesucht werden, die der vormaligen militärischen Nutzung in ihrer Wirkung ähnlich und mit vertretbarem Aufwand leistbar sind.
3 Naturschutzkonzept auf DBU-Naturerbeflächen
3.1 Ziele
Mit der Flächenübernahme verpflichtet sich die DBU Naturerbe GmbH, auf allen Liegenschaften die Gesamtheit der aus historischen Entwicklungsreihen entstandenen und der zukünftig entstehenden Naturelemente auf allen Ebenen der Biodiversität zu bewahren und zu entwickeln. Mit Naturelementen sind hierbei nach Kowarik (2005) die verschiedenen Ebenen der biologischen Vielfalt gemeint, die auch Gegenstand der Biodiversitätskonvention sind: genetische Vielfalt, Artenvielfalt, Vielfalt an Lebensgemeinschaften und Lebensräumen.
Naturschutz ist undenkbar ohne einen bedeutenden Einsatz von Landressourcen in Form von ungenutzten oder in sehr spezifischer Weise genutzten Gebieten (Goeschl 2009). Nicht nur in globalem Maßstab, sondern insbesondere im dicht besiedelten Mitteleuropa ist Fläche ein knappes Gut, mit steigender Tendenz. Daher ist es ein Gebot der Nachhaltigkeit, die übertragenen Naturerbeflächen so zu entwickeln, dass ein größtmöglicher Naturschutzeffekt erzielt wird. Gleichzeitig sollen die gesetzten Naturschutzziele im Sinne der Nachhaltigkeit mit möglichst geringem materiellen und ökonomischen Aufwand realisiert werden. Kosteneffizienz und eine konsequente Erfolgskontrolle sollen wesentliche Kriterien der DBU-Naturerbe-Aktivitäten sein.
Die Herausforderung für die DBU besteht darin, sowohl vorhandene als auch in Zukunft neu entstehende Naturelemente sowohl durch Bewahren im konservierenden Sinn als auch durch Zulassen von Veränderung zu erhalten und zu entwickeln. Angesichts des Klimawandels ist den dynamischen Komponenten ein stärkeres Gewicht zu geben, beispielsweise, indem auf DBU-Naturerbeflächen ein zeitliches und räumliches Nebeneinander verschiedener Lebensräume und Sukzessionsstadien vorgehalten wird und Entwicklungsmöglichkeiten für Arten und Lebensräume geschaffen werden.
3.2 Das Konzept einer differenzierten Naturschutzstrategie
Die vom Flächenumfang her dominierende Naturschutzstrategie auf den DBU-Naturerbeflächen ist der Prozessschutz, die vom Menschen unbeeinflusste Naturentwicklung. Diese Strategie wird ab sofort auf allen Flächen mit naturnahen Laubwäldern und in den Vorwäldern verfolgt, die in den letzten Jahren auf vielen ehemaligen Offenlandflächen entstanden sind.
Naturferne Nadelbaumbestände werden mit waldbaulichen Maßnahmen möglichst schnell in naturnahe Laubwälder überführt. Dazu wurde ein ausführliches Waldumbaukonzept entwickelt. Zentrales Element ist die Naturverjüngung und deren Sicherung. In geringem Umfang werden bestehende und ehemalige Nieder- und Mittelwälder erhalten.
Begründet durch die hohe Dynamik auf den DBU-Naturerbeflächen wird nur auf Teilflächen mit entsprechenden Schutzgebietsverordnungen angestrebt, die derzeit aktuellen räumlichen Verteilungsmuster von Arten, Populationen und Biotopen zu erhalten. Der genaue Umfang der für die konservierende Pflege vorgesehenen Flächen, deren konkrete Festlegung und Schutzzielformulierung wird erst auf der Basis der in Arbeit befindlichen Erfassung und Bewertung der Biotoptypen und wichtiger naturschutzrelevanter Arten festgelegt. Er soll sich an ökologischen Erkenntnissen über Minimumareale und kleinste überlebensfähige Populationen (Kowarik 2005) als auch an der technischen, rechtlichen und ökonomischen Machbarkeit orientieren.
Überall dort, wo durch diverse Pflegemaßnahmen bestehende Offenlandlebensräume nicht konservierend erhalten werden können, wird angestrebt, durch extensive Beweidung zumindest den Offenlandcharakter der ehemals militärisch genutzten Flächen zu erhalten. Dabei ist von weit reichenden, jedoch schwer vorhersagbaren Veränderungen der jetzt anzutreffenden Lebensräume und Lebensgemeinschaften auszugehen. Dieser Ansatz bietet auch Chancen für das Bewahren alter Elemente in neuer Konfiguration, etwa wenn Störungen der Vegetationsdecke statt durch Panzerketten nun durch die Hufe großer Weidetiere verursacht werden und Störungsopportunisten unter den Pflanzen- und Tierarten hier nun in neuen Mustern auftreten (Kowarik 2005).
Anders als bei den o.g. gezielten Pflegemaßnahmen mit klarer Festlegung der angestrebten Ziele ist die großflächige Beweidung ergebnisoffen und damit bereits eine Form des prozessorientierten Naturschutzes, allerdings mit einem gravierenden anthropogenen Element.
Der Umgang mit Neobiota folgt dem Bundesnaturschutzgesetz, welches neben den einheimischen auch etablierte nichteinheimische Tier- und Pflanzenarten in den Schutz einbezieht. Neobiota werden folglich nicht als generelles Naturschutzproblem angesehen, sondern nur dann, wenn sie andere Arten oder Lebensräume gefährden, Naturhaushaltsfunktionen beeinträchtigen oder das Landschaftsbild unerwünscht verändern (BfN 2009). Entsprechend differenziert werden sie auf den DBU-Naturerbeflächen behandelt.
Das Naturschutzkonzept der DBU folgt mit seinen differenzierten und teils flexiblen Zielen und Strategien dem Diversitätsprinzip. Es vermeidet einen „Käseglockennaturschutz“ und trägt der natürlichen Dynamik Rechnung.
4 Praktische Umsetzung
4.1 Planungen
In einem ersten Schritt wurden vor der Flächenübertragung in einem Abstimmungsprozess zwischen dem Bundesamt für Naturschutz, den Naturschutzbehörden der jeweiligen Bundesländer und der DBU die allgemeinen Ziele in Form verbindlicher Leitbilder formuliert. Die flächenscharfe Konkretisierung der Ziele, Strategien und Maßnahmen erfolgt mit Hilfe zehnjähriger Naturerbe-Entwicklungspläne. Sie basieren auf einer vollständigen, nach zehn Jahren zu wiederholenden Biotoptypen- und Lebensraumtypenkartierung sowie deren Bewertung. Zusammenhängende Flächen, die einem Biotoptyp zugeordnet werden können, stellen die kleinste Behandlungseinheit dar, der entsprechend ein konkretes Naturschutzziel sowie dazu notwendige Maßnahmen zugeordnet werden. Dabei ist allen Beteiligten bewusst, dass bei einem derart komplexen Planungsgegenstand, den vielfältigen Zielen und der hohen Dynamik der Schutzgüter das Erreichen der anfangs gesetzten Ziele mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden ist. Deshalb wird nicht nur die Wirksamkeit der Maßnahmen periodisch überprüft, sondern auch die Zielsetzung selbst und gegebenenfalls auch korrigiert. Nach Bürgi (2009) können derart „verzeitlichte“ Schutzstrategien angemessen weiterentwickelt und rechtzeitig an neue Gefahren und sich neu bietenden Chancen angepasst werden. Die in den Entwicklungsplänen vorgesehenen Maßnahmen werden mit Hilfe der jährlich aufzustellenden Maßnahmenpläne umgesetzt.
Flächendeckende, in Intensität und Stichprobendichte abgestufte Erhebungen der Lebensräume und ihres Arteninventars dienen als zentrales Steuerungselement zur Prüfung der Wirkung von Managementstrategien und -maßnahmen, sowohl der durchgeführten als auch der unterlassenen. Hierauf kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
4.2 Naturentwicklung/Wildnis
Das Verständnis von Wald als ein dynamisches System mit einem zufallsbeeinflussten, variablen Mosaik unterschiedlicher Entwicklungsstadien ist Basis für die Naturschutzstrategie der DBU in Wäldern. Naturnahe Laubwaldbestände werden sofort sich selbst überlassen. Das gilt auch für Flächen, auf denen sich nach Einstellung des militärischen Übungsbetriebs Pionierwaldformen entwickeln konnten und auf denen eine Offenhaltung aus Naturschutzgründen nicht angezeigt ist. Auf diesen Flächen ist zukünftig nur noch sicherzustellen, dass die Entwicklung ohne vermeidbare Einflüsse (z.B. durch Besucherverkehr) vonstatten gehen kann.
Naturferne, nadelholzdominierte Altersklassenwälder werden mittelfristig umgebaut, bevor sie der Naturentwicklung überlassen werden. Schrittweise werden standortfremde Baumarten entnommen und die Naturverjüngung standortheimischer Baumarten durch Lichtstellung und angepasste Schalenwilddichten gefördert. In der Phase des Waldumbaus können invasive Neophyten zurückgedrängt werden, wenn sie in einer Dichte vorkommen, die eine Entwicklung des Waldbestands hin zu einem naturnahen Zustand massiv und großflächig verhindern. Eine vollständige Verdrängung wird als unrealistisch angesehen und nicht angestrebt.
Es wird erwartet, dass es auf den Waldumbauflächen bedingt durch die sehr heterogenen Ausgangssituationen zu nicht vorhersehbaren vielfältigen Übergangssituationen, Stagnationsphasen und auch zyklischen Entwicklungen kommen wird und auch Extremereignisse wie Windwürfe oder Schneebruch den Verlauf stark prägen werden. Derartige Ereignisse werden als sukzessionssteuernde Elemente einer natürlichen Entwicklung angesehen. Mit einem Flächenumfang von rund 37000ha auf Dauer sich eigendynamisch entwickelnder Wälder wird das DBU-Naturerbe neben den Waldnationalparken und dem Netz vieler, kleinerer Naturwaldparzellen zum „Rückgrat“ des Waldnaturschutzes in Deutschland.
4.3 Offenlandpflege
Das Offenland der ehemaligen militärischen Übungsplätze zeichnet sich durch ein vielgestaltiges Habitatmosaik und einen ungewöhnlich großen Artenreichtum aus. Seit Aufgabe der militärischen Nutzung verschwinden nach und nach die frühen Sukzessionsstadien und damit auch die daran gebundenen Arten. Darunter befinden sich viele Arten, die im Anhang 2 bzw. 4 der FFH-Richtlinie sowie im Anhang 1 und Art. 4 der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführt sind. Der überwiegende Teil dieser Flächen ist entsprechend von den Bundesländern als FFH-, SPA- oder Naturschutz-Gebiet ausgewiesen worden. Um den Fortbestand der Offenlandlebensräume zu gewährleisten, sind Störungseingriffe unverzichtbar. Die Aufgabe besteht darin, die militärischen Störungseingriffe durch wirksame, aber ökonomisch tragbare Alternativen zu ersetzen. In Abhängigkeit unterschiedlicher standörtlicher Bedingungen und Naturschutzziele werden verschiedene Offenhaltungsstrategien verfolgt.
Auf dem größten Teil der Offenlandes ist die großflächige Beweidung durch verschiedene Haustierarten und nicht domestizierte Großherbivoren geplant und nach Reisinger (1999) und Eischeid et al. (2006) das Mittel der Wahl. Ziel ist es, mit Hilfe der auf den großflächigen, eingezäunten Arealen ganzjährig gehaltenen Pferde, Rinder oder Wildtiere ein Mosaik unterschiedlicher Sukzessionsstadien von offenen, nahezu vegetationsfreien Flächen mit Pioniergesellschaften über halboffenen, mit Gebüschen und Bäumen bestandenen Landschaften zu schaffen. Dies geschieht mit dem Wissen, dass die Entwicklung der halboffenen Weidelandschaften im Detail weder exakt steuerbar noch vorhersehbar ist.
Auf kleineren Flächen werden zur Offenhaltung vor allem Schafe und Ziegen in Form von Hüteschafhaltung und Koppelbeweidung eingesetzt. Zur Qualitätssicherung und langfristigen Sicherung wurden bzw. werden entsprechende Verträge mit geeigneten Schäfern abgeschlossen.
Artenreiches Feuchtgrünland soll vorrangig durch Mahd erhalten werden. Maschinelle Pflegemaßnahmen sind nur auf befahrbaren Flächen durchführbar. An Steilhängen, auf sumpfigen Flächen oder in stark reliefiertem Gelände kommen sie nicht in Betracht. Handarbeit kann aus ökonomischen Gründen nur auf ausgewählten Kleinflächen das Mittel der Wahl sein.
Da Brandereignisse beim militärischen Übungsbetrieb immer eine große Rolle spielten (Goldammer & Page 1998, Prochnow & Schlauderer 2002), ist gezieltes, kleinflächig gestaffeltes Brennen z.B. von Heideflächen ebenfalls eine Pflegeoption. Auch mechanische Eingriffe in den Oberboden sind in Einzelfällen vorgesehen.
Letztlich ist davon auszugehen, dass alle genannten Pflegemaßnahmen nicht den Status quo der Flächen erhalten können. Die Offenlandlebensräume werden als solche zwar zu erhalten sein, sie werden aber einer erheblichen Dynamik unterliegen. Im Sinne eines dynamischen offenen Naturschutzansatzes ist das positiv zu bewerten, ungeachtet wahrscheinlicher Verluste einzelner Lebensraumtypen oder Arten.
4.4 Wasserhaushalt
Auf allen Flächen werden die natürlichen hydrologischen Verhältnisse wiederhergestellt, soweit dies ohne Beeinträchtigung benachbarter Grundstückseigentümer oder mit deren Einverständnis machbar ist. Wasserläufe sind einmalig so zu gestalten, dass sie eine „Eigendynamik“ entfalten können. Sie wird verstärkt durch die gestaltende Kraft der auf vielen Liegenschaften vorkommenden bzw. wieder einwandernden Biber. Auch ein auf einigen Liegenschaften ins Auge zu fassender Deichrückbau kann natürliche Dynamik, sei es durch Hochwässer oder Gezeiten‚ wiederherstellen.
4.5 Wildmanagement
Die Grundsätze des Wildmanagements auf den DBU-Naturerbeflächen sind in einem grundsätzlichen Konzept festgelegt, welches in liegenschaftsspezifischen Jagdkonzepten an die jeweiligen örtlichen Bedingungen angepasst und konkretisiert wird. Jagdliche Maßnahmen werden nur dann ergriffen, wenn sie zur Erreichung der Naturschutzziele und/oder zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen erforderlich sind (Wildmanagement). Sie konzentrieren sich folglich darauf, die Naturverjüngung standortheimischer Baumarten auf den Waldumbauflächen ohne Zaun und Einzelschutz zu gewährleisten, indem Schalenwildbestände auf eine der Naturraumkapazität angemessenen Dichte zu begrenzen sind.
Kennzeichnend für die Jagdmethoden ist, dass künftig nur außerhalb der Paarungs-, Brut-, Setz- und Rastzeiten, dafür aber temporär intensiver gejagt wird. Intervalljagden mit Gruppenansitzen sowie großflächige Ansitzdrückjagden sind dazu vorgesehen. In der Zeit vom 01. Februar bis zum 31. August sollen die regulierenden Eingriffe grundsätzlich unterbleiben. Mittelfristig soll auf diese Weise das Wild weniger scheu und wieder tagaktiv werden, um Beobachtungen durch Naturliebhaber zu begünstigen. Ausnahmen sind nur dann vorgesehen, wenn dies zur Umsetzung der Naturschutzziele bzw. gesetzlicher Vorgaben notwendig ist.
5 Fazit
Alle Naturschutzmaßnahmen sind stark von der Vorstellung geprägt, dass es sich um dynamische Schutzgüter handelt. Das Zulassen natürlicher Dynamik bzw. das Auslösen dynamischer Prozesse durch anthropogene Eingriffe soll das tragende Element der Naturschutzaktivitäten auf den DBU-Naturerbeflächen sein und Vorrang haben vor dem statischen Bewahren aktuell vorgefundener Biotop- oder Lebensraumtypen. Es wird davon ausgegangen, dass es durch den dynamischen Ansatz langfristig besser gelingen wird, nicht nur die selbst gesteckten Ziele, sondern auch die von Natura 2000 und Biodiversitätskonvention zu erfüllen.
Für die Flächen des DBU-Naturerbes ist unter Abwägung aller Handlungsoptionen letztlich die Kombination verschiedener Naturschutzstrategien die den größten Erfolg versprechende. Eine Vielfalt an Naturschutzstrategien in Raum und Zeit führt zu einer Vielfalt von dynamischen Lebensräumen und die wiederum zu einer hohen Biodiversität auf allen Betrachtungsebenen.
Bezogen auf Naturschutz und Landschaftspflege hat Haber (2006) folgenden Satz geprägt: „Aber der Weg zu ihren Zielen wird niemals ein einheitlicher sein, sondern er wird sich aufzweigen müssen nach Traditionen, Kulturverständnissen und vor allem nach den natürlichen Gegebenheiten, die immer und überall verschieden sind und weder starren Vorschriften noch Einengungen gehorchen können. Nur so wird Naturschutz dauerhaft erfolgreich sein und von der Mehrheit der Gesellschaft getragen werden können.“
Literatur
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Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Werner Wahmhoff, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, An der Bornau 2, D-49090 Osnabrück, w.wahmhoff@dbu.de.
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