Waldrandetablierung in der Elbaue
Abstracts
2007 erfolgte eine Erfolgskontrolle von 17 in der Elbaue bei Klieken angelegten Waldrändern. Sechs bis sieben Jahre nach der Pflanzung wurden pro Gehölzart, meist individuengenau, die Vitalität und die Höhe erfasst. Signifikante Unterschiede waren in der Gehölzentwicklung zwischen Altaue und rezenter Aue feststellbar.
In sechs Waldrändern (je drei in der Altaue und in der rezenten Aue) betrug der Etablierungserfolg der zwölf häufigsten Gehölzarten jeweils ca. 60 %, wobei einzelne Arten signifikante Unterschiede zwischen beiden Auenbereichen aufwiesen. Als Ursachen für die Unterschiede in der Gehölzentwicklung und etablierung werden für die rezente Aue die verschiedenen Überflutungstoleranzen der Gehölze sowie die extremen Hochwasserereignisse und in der Altaue die unterschiedlichen Grundwasserflurabstände diskutiert.
Es werden als Fazit einige Empfehlungen für die Verwendung von Gehölzarten in den unterschiedlichen Auenbereichen gegeben.
Establishment of Forest Edges in the Floodplain of the River Elbe – Results of an efficiency review in the Biosphere Reserve Mittelelbe
In 2007 an efficiency review of 17 forest edges was carried out in the Elbe floodplain close to the municipality of Klieken. All forest edges were planted in 2000/2001. For each woody plant vitality and height was recorded. The results show significant differences in the development of these species between historical and recent floodplain areas. The rate of establishment of the 12 most frequent trees and shrub species averages 60 % in six forest edges (3 in the historical and 3 in the recent floodplain area), with single species revealing significant differences between both floodplain areas. Within the recent floodplain area differences in development and establishment of woody species are probably caused by both differing flood tolerances and extreme flooding events. Within the historical floodplain differences are primarily caused by different depths to groundwater table. Finally, the study suggests trees and shrub species which particularly suited for the different floodplain regions.
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1 Einleitung
Hartholz-Auenwälder (Querco-Ulmetum minoris und weitere Vegetationseinheiten des Ulmenion) sind charakteristische, azonale Vegetationsgesellschaften entlang der großen Flussauen (LAU 2000, Schmidt et al. 2002) sowie wichtige Retentionsräume. Nach der Rodung vieler Hartholz-Auenwälder (Ellenberg 1996) unterlagen die verbliebenen Auenwälder im 19. Jahrhundert wasserbaulichen Maßnahmen, was zu großflächigen und tief greifenden hydrologischen Veränderungen führte. Zusätzlich veränderten der Wandel der Betriebsarten (Übergang vom Nieder- über den Mittel- zum Hochwald), der Anbau von auenwald- und gebietsfremden Baumarten sowie das Ulmensterben die Raumstrukturen der Bestände im 19. und 20. Jahrhundert (Deiller et al. 2001, Glaeser & Schmidt 2007, Glaeser & Volk 2009, Tremolieres et al. 1998). Trotz dieser zahlreichen anthropogenen Einflüsse gehören Hartholz-Auenwälder aufgrund ihrer kleinräumigen standörtlichen Vielfalt heute zu den struktur- und artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa (FFH-LRT 91F0) (Koenzen 2005), deren Erhaltung, Entwicklung und Erweiterung wesentliche Ziele des Natur- und Hochwasserschutzes sind (Finck et al. 2002).
Im Vergleich zu Aufforstungen in Bereichen ohne Überflutung wird die Begründung von Hartholz-Auenwäldern neben einer dichten Krautschicht und Wildverbiss zusätzlich durch kleinräumige Reliefunterschiede, verbunden mit unterschiedlichen Überflutungsdauern und -häufigkeiten, beeinträchtigt. Zwar stehen für Aufforstungen Gehölzarten mit unterschiedlichen Überflutungstoleranzen zur Verfügung (Dister 1983, Glenz et al. 2006, Hellwig 2000, Macher 2008, Späth 1988 und 2002), jedoch kann insbesondere bei großflächigen Pflanzmaßnahmen eine entsprechende Berücksichtigung des Mikroreliefs nicht immer gewährleistet werden. Außerdem wird unter dem zunehmenden Einfluss der Klimaerwärmung, die sowohl mit häufigeren und längeren Überflutungen (Jentsch et al. 2007, Mudelsee et al. 2003) als auch längeren Trockenperioden im Sommer verbunden sein wird (Solomon et al. 2008), die Renaturierung von Hartholz-Auenwäldern zusätzlich erschwert.
Vor diesem Hintergrund wurden in dem EU-LIFE-Projekt „Renaturierung von Fluss, Altwasser und Auenwald an der Mittleren Elbe“ in den Jahren 2000/2001 u.a. ca. 60 ha Hartholz-Auenwald in der überwiegend landwirtschaftlich genutzten Kliekener Elbaue (Biosphärenreservat Mittelelbe) begründet. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Waldrandgestaltung. Dafür wurden in der Altaue und in der rezenten Aue einheimische und standorttypische Sträucher sowie Bäume 1. und 2. Ordnung unter Berücksichtigung der jeweiligen Lichtbedürfnisse im Randbereich der flächigen Auenwaldbegründungen verwendet (Gläser et al. i.Dr.). Neben der Reihenpflanzung erfolgte bei einigen Waldrändern die Umsetzung von aufwändigen Pflanzkonzepten mit ineinander übergehender Gehölzartenanordnung (Abb. 1; 5a-c).
Zur Erfolgskontrolle der Aufforstungen fand in der Vegetationsperiode 2007 eine Erfassung des aktuellen Zustandes aller 17 Waldränder statt. Zusätzlich wurden jeweils drei Waldränder in der Altaue und in der rezenten Aue detaillierter analysiert. Dabei standen folgende Fragestellungen im Vordergrund:
Mit welcher Anzahl, Vitalität und Höhe haben sich die verschiedenen Gehölzarten in allen Waldrändern der Altaue bzw. der rezenten Aue etabliert?
Gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Etablierungsraten der jeweiligen Gehölzarten in den Waldrändern der Altaue und der rezenten Aue?
Welche abiotischen und biotischen Faktoren fördern bzw. behindern die Etablierung der Waldrandgehölze?
2 Untersuchungsgebiet und Methoden
2.1 Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet liegt in der Kliekener Elbaue südlich des Ortes Klieken, im südöstlichen Teil des Biosphärenreservates Mittelelbe, im Bundesland Sachsen-Anhalt (Abb. 2) und umfasst eine Fläche von 22 km². Die Geländehöhe des Untersuchungsgebietes beträgt ca. 60 m über NN. Insgesamt zeigt sich die Landschaft als ebenes Großrelief, das nur am Elbufer durch Geländestufen unterbrochen wird (Künster 2003). Die klimatischen Verhältnisse zeichnen sich im langjährigen Mittel (1961 – 1990) durch jährliche Niederschlagssummen von ca. 589mm und einer Jahresmitteltemperatur von 8,7 °C aus (Station Coswig, Lutherstadt Wittenberg; DWD 2008).
2.2 Datenerhebung
Von den 17 Waldrändern liegen neun in der Altaue und acht in der rezenten Aue. Die Waldrandbegründung erfolgte bei Bäumen 1. Ordnung, z.B. mit Stiel-Eiche (Quercus robur), Feld-Ulme (Ulmus minor) und Flatter-Ulme (U. laevis) vorwiegend mit Heisterhöhen von 50–120 cm. Bäume 2. Ordnung, z.B. Feld-Ahorn (Acer campestre), Holz-Apfel (Malus sylvestris) und Wild-Birne (Pyrus pyraster), wurden als 50–80cm hohe Heister gepflanzt. Sträucher, z.B. Blutroter Hartriegel (Cornus sanguinea), Gewöhnliches Pfaffenhütchen (Euonymus europaea), Gewöhnliche Schlehe (Prunus spinosa), Gewöhnlicher Schneeball (Viburnum opulus), Haselnuss (Corylus avellana), Hunds-Rose (Rosa canina), Purgier-Kreuzdorn (Rhamnus cathartica), Eingriffliger Weißdorn (Crataegus monogyna) und Zweigriffliger Weißdorn (C. laevigata), wurden mit Höhen von 30 – 80 cm verwendet.
In allen 17 Waldrändern wurden die Parameter Gehölzart, Vitalität in Klassen (Tab. 1) und Höhe in Klassen (bis 3 m entspricht eine Klasse 50cm, ab 3 m entspricht eine Klasse 1m) erfasst. Während in 13 Waldrändern eine individuengenaue Erfassung möglich war, wurde bei zwei Waldrändern die Polygonmethode verwendet. Polygone sind als Teilflächen unterschiedlicher Form und Größe innerhalb des Waldrandes definiert, die jeweils die gleiche Gehölzart, Vitalitäts- und Höhenklasse aufweisen. In weiteren zwei Waldrändern erfolgten, entsprechend der vorgefundenen Strukturen, sowohl Polygon- als auch individuengenaue Erfassungen.
Für zwölf Gehölzarten in je drei Waldrändern in der Altaue und der rezenten Aue waren detaillierte Pflanzpläne vorhanden bzw. es konnten aus der aktuellen Anordnung der Gehölzarten und unter Annahme von regelmäßigen Pflanzabständen innerhalb und zwischen den Reihen eindeutige Rückschlüsse auf das ursprüngliche Pflanzkonzept und die Anzahl der gepflanzten Individuen pro Gehölzart gezogen werden. Damit konnte für diese zwölf Gehölzarten der Etablierungserfolg pro Auenbereich berechnet werden.
Da im Untersuchungsgebiet keine Grundwassermessstellen in der rezenten Aue zur Charakterisierung der hydrologischen Standortbedingungen vorhanden waren, wurden die wöchentlichen Wasserstandswerte der Elbe über das Gefälle des nächsten flussaufwärts gelegenen Elbe-Pegels in Coswig sowie des flussabwärts gelegenen Elbe-Pegels in Dessau berechnet. Die Aufforstungsflächen galten als überflutet, wenn der wöchentliche Wasserstandswert der Elbe über 60m über NN (entspricht der Höhe des Untersuchungsgebietes) lag. In der Altaue standen zur Charakterisierung der hydrologischen Standortbedingungen für zwei benachbarte Aufforstungsflächen Informationen aus der Bodenansprache mittels Pürckhauer Bohrstock bis zu 2m Tiefe zur Verfügung.
2.3. Datenauswertung
Auf Grund der ausschließlich im vegetativen Zustand vorhandenen Individuen und einer z.T. nur unzureichenden Dokumentation in den Pflanzplänen wurden für die Datenauswertung Feld-Ulme (Ulmus minor), deren Anpflanzung hauptsächlich in der rezenten Aue und vereinzelt in der Altaue erfolgte, und Flatter-Ulme (Ulmus laevis) zu Ulmen (Ulmus spec.) zusammengefasst. Ebenso wurde der in beiden Auenbereichen gepflanzte Eingrifflige Weißdorn (Crataegus monogyna) mit dem nur im Altauenbereich gepflanzten Zweigriffligem Weißdorn (C. laevigata) zu Weißdornen (Crataegus spec.) zusammengefasst. Gehölzarten, die mit weniger als zehn Individuen in einem der beiden Auenbereiche vorhanden waren, wurden als „Rest“ summiert.
Pro Gehölzart erfolgte der Mann-Whitney-U-Test, um auf signifikante Unterschiede der Parameter Vitalitäts- und Höhenklasse zwischen Altaue und rezenter Aue zu testen. Signifikante Unterschiede im Etablierungserfolg von Gehölzarten wurden unter Verwendung des Chi²-Tests ermittelt. Die Digitalisierung und anschließende Bearbeitung der Geländedaten erfolgte mit AutoCAD 2004® und der ESRI Software ArcGIS 9.1®.
3 Ergebnisse
3.1 Aktueller Zustand der 17 Waldränder
In der Altaue wurden neun Waldränder mit einer maximalen Tiefe von 26m und in der rezenten Aue acht Waldränder mit einer maximalen Tiefe von 22 m angelegt. Die Unterschiede in Anzahl und Größe spiegeln sich auch in der Gesamtindividuenanzahl wider (Tab. 2). Mit vergleichbaren Individuenzahlen wurden 2007 sechs Gehölzarten in beiden Auenbereichen erfasst. Höhere Individuenzahlen waren für sieben Gehölzarten in der Altaue sowie für die Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus) in der rezenten Aue vorhanden. Mit wenigen Individuen wurden Hainbuche (Carpinus betulus) in beiden Auenbereichen, Schwarz-Erle (Alnus glutinosa), Weiden (Salix spec.) und Winter-Linde (Tilia cordata) in der Altaue sowie Spitz-Ahorn (Acer platanoides) und Gewöhnliche Esche (Fraxinus excelsior) in der rezenten Aue aufgenommen, die als „Rest“ zusammengefasst wurden.
Zwischen der Altaue und rezenten Aue wurden folgende signifikante Unterschiede bezüglich Vitalitäts- und Höhenklassen nachgewiesen (Abb. 3 und 4). Im Vergleich zur rezenten Aue weisen in der Altaue sechs bis sieben Jahre nach der Pflanzung Blutroter Hartriegel (Cornus sanguinea), Weißdorne (Crataegus spec.), Gewöhnliche Schlehe (Prunus spinosa) und Gewöhnlicher Schneeball (Viburnum opulus) eine signifikant bessere Vitalität und eine signifikant größere Höhe auf. Außerdem zeichnen sich Wild-Birne (Pyrus pyraster) und Wild-Apfel (Malus sylvestris) durch eine signifikant bessere Vitalität und Hunds-Rose (Rosa canina) durch eine signifikant größere Höhe in der Altaue aus. In der rezenten Aue sind Gewöhnliches Pfaffenhütchen (Euonymus europaea), Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus), Stiel-Eiche (Quercus robur) und Purgier-Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) signifikant vitaler und höher als in der Altaue. Des Weiteren erreichten die Ulmen (Ulmus spec.) in der rezenten Aue eine signifikant größere Höhe. Bei Hunds-Rose (Rosa canina) und Ulmen (Ulmus spec.) konnten in Hinblick auf Vitalität und bei Wild-Apel (Malus sylvestris) und Wild-Birne (Pyrus pyraster) bezüglich der Höhe keine signifikanten Unterschiede zwischen den zwei Auenbereiche festgestellt werden.
Bezüglich der Sukzession konnten sich in der Altaue, insbesondere wenn Altwaldbestände unmittelbar an die Aufforstung angrenzen, Feld-Ahorn (Acer campestre), Schwarz-Erle (Alnus glutinosa), Blutroter Hartriegel (Cornus sanguinea), Gewöhnliche Esche (Fraxinus excelsior), Gewöhnliche Schlehe (Prunus spinosa) und Hunds-Rose (Rosa canina) mit hohen Individuenzahlen etablieren. In der rezenten Aue wiesen nur Schwarz-Erle (Alnus glutinosa) und Ulmen (Ulmus spec.) eine relativ hohe Anzahl von spontan etablierten Individuen auf.
Aufgrund nicht mehr intakter Schutzzäune war bei allen Gehölzen, auch bei bewehrten Sträuchern wie Hunds-Rose (Rosa canina), Wildverbiss feststellbar. Besonders große Vitalitätseinbußen durch Wildverbiss wurden in der Altaue am Gewöhnlichen Pfaffenhütchen (Euonymus europaea) beobachtet.
Während alle Aufforstungsflächen in der rezenten Aue vergleichbare Überflutungsdauern und -häufigkeiten aufweisen, konnten Unterschiede in den hydrologischen Standortbedingungen zwischen zwei benachbarten Aufforstungsflächen in der Altaue ermittelt werden. Die Waldränder in beiden Aufforstungsflächen bestehen aus einer aufwändigen Mischpflanzung. In Abb. 5 sind der Pflanzplan (Abb.5a), das aktuelle Vorkommen der Gehölzarten (Pflanzung und Sukzession) (Abb. 5b) und die aktuellen Vitalitätsklassen der Gehölzarten (Pflanzung und Sukzession) (Abb. 5c) exemplarisch für einen Waldrand dargestellt. Als Sukzession wurden Individuen >30 cm mit einer diffusen Anordnung zwischen den oder innerhalb der Reihen erfasst.
Die Unterschiede in den Grundwasserflurabständen im Jahresverlauf zwischen beiden Aufforstungsflächen spiegeln sich in der Vitalität und im Höhenwachstum der Gehölze wider. Alle Gehölzarten auf der Fläche mit dem ganzjährig hoch anstehendem Grundwasser (Gr-Horizont ab 53 – 125 cm Tiefe) haben im Vergleich zu der benachbarten, etwas höher gelegenen Fläche (Gr-Horizont ab 112 – 160 cm Tiefe) eine geringere Vitalität und vor allem ein geringeres Höhenwachstum. Lediglich die Ulmen (Ulmus spec.) wiesen auf der Aufforstungsfläche mit ganzjährig hoch anstehendem Grundwasser eine bessere Vitalität und größere Höhen auf.
3.2 Etablierungserfolg in jeweils drei Waldrändern der Altaue und der rezenten Aue
Der Etablierungserfolg der zwölf häufigsten Gehölzarten ist insgesamt in beiden Auenbereichen etwa gleich groß (Altaue 58 %, rezente Aue 60 %). Allerdings zeigen sich bei der Analyse des Etablierungserfolges einzelner Gehölzarten folgende Unterschiede (Abb. 6): Fünf Arten weisen eine signifikant höhere Etablierungsrate in der Altaue als in der rezenten Aue auf. Hingegen konnte für vier Arten ein signifikant besserer Etablierungserfolg in der rezenten Aue als in der Altaue nachgewiesen werden. Drei Arten zeigen keine signifikanten Unterschiede im Anwuchserfolg zwischen den zwei Auenbereichen.
4 Diskussion
Die Ergebnisse der Erfolgskontrolle von 17 Waldrändern in der Kliekener Aue zeigen, dass sich sechs bis sieben Jahre nach der Pflanzung gut strukturierte Bestände entwickelt haben. Bedingt durch die verschiedenen Überflutungstoleranzen der Gehölzarten (zusammengefasst in Glenz et al. 2006) sowie durch unterschiedliche Standortbedingungen konnten allerdings für die zwölf häufigsten Gehölzarten deutliche Unterschiede in der Vitalität und dem Höhenwachstum in den zwei Auenbereichen nachgewiesen werden.
Anhand von sechs detaillierter untersuchten Waldrändern wurde insgesamt eine Etablierungsrate von ca. 60 % ermittelt. In der Altaue zeigten die generell als überflutungsintolerant eingestuften Arten Weißdorne (Crataegus spec.), Gewöhnliche Schlehe (Prunus spinosa) und Gewöhnlicher Schneeball (Viburnum opulus) (Dister 1983, Späth 1988, 2002) signifikant höhere Etablierungsraten sowie eine bessere Vitalität und ein stärkeres Höhenwachstum als in der rezenten Aue. Umgekehrt erreichte die Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus) als typische Art feuchter, nährstoffreicher Standorte in der rezenten Aue eine signifikant bessere Etablierungsrate.
Neben der Überflutungstoleranz sind aber auch das Überflutungsregime nach der Pflanzung sowie die Standortbedingungen bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass das in Zeitpunkt und Dauer extreme Sommerhochwasser 2002 (Schiermeier 2003, Petrow et al. 2007), ein bzw. zwei Jahre nach der Pflanzung, die Vitalität und Höhe der gepflanzten Gehölze in der rezenten Aue nachhaltig beeinflusst hat. Schaffrath (2000) belegt für Weißdorne (Crataegus spec.), Gewöhnliche Schlehe (Prunus spinosa) und Gewöhnlichen Schneeball (Viburnum opulus) eine starke Schädigung bis ein völliges Absterben nach dem Sommerhochwasser 1997 an der Oder. Generell können Überflutungen neben der mechanischen Schädigung schon durch eine kurzfristige Überstauung zu Beeinträchtigungen des vegetativen und reproduktiven Wachstums, zu Veränderungen in der Anatomie sowie zu zeitigen Alterungsprozessen und zur Mortalität der Gehölze führen (Kozlowski 1997). Bei längeren Überflutungszeiträumen wurde immer eine Abnahme des Wurzelwachstums festgestellt (Frye & Grosse 1992, Kozlowski 1997), das mit einer verminderten Vitalität und einem geringeren Höhenwachstum der Gehölze verbunden sein kann. Während viele Gehölzarten an die Winter- und Frühlingshochwässer angepasst sind, können Hochwässer in der Vegetationsperiode gravierende Schäden verursachen (Yin 1998). Des Weiteren war das sich im Winter 2002/03 anschließende Winterhochwasser mit starkem Eisgang verbunden und verursachte in der rezenten Aue durch treibende und absinkende Eisschollen eine deutliche Schädigung der Gehölze vor allem in Form von abgeknickten Haupttrieben. Angesichts dieser starken mechanischen und physiologischen Belastungen ist der in der Kliekener Aue nachgewiesene Etablierungserfolg der jungen Gehölze durchaus bemerkenswert.
Im Gegensatz zur rezenten Aue, in der sich das Überflutungsregime maßgeblich auf den Erfolg der Gehölzetablierung auswirkt, sind in der Altaue Grundwasserstandsschwankungen entscheidend. Während die meisten Gehölzarten durch einen ganzjährig geringen Grundwasserflurabstand geschädigt werden, trifft dies auf die Ulmen (Ulmus spec.) nicht zu. Ansonsten sind die Ulmen (Ulmus spec.) durchgängig in der rezenten Aue durch bessere Vitalitätsklassen und höhere Zuwachsraten als in der Altaue ausgewiesen, was die gute Anpassung beider Ulmenarten an die hydrologischen Bedingungen der Hartholzaue widerspiegelt (Schubert 2001).
Zusätzlich wirken sich in beiden Auenbereichen fehlende bzw. nicht mehr intakte Schutzmaßnahmen vor Wildverbiss maßgeblich auf die Entwicklung vor allem von unbewehrten Sträuchern aus. Insbesondere das Gewöhnliche Pfaffenhütchen (Euonymus europaea) und der Gewöhnliche Schneeball (Viburnum opulus) weisen in der rezenten Aue teilweise starke Verbissschäden auf, da nach den Hochwässern in den Jahren 2002/03 die Wildschutzzäune nur sukzessive wieder instand gesetzt werden konnten. Ein starker Verbiss von Haselnuss (Corylus avellana), Gewöhnlichen Pfaffenhütchen (Euonymus europaea), Wild-Apfel (Malus sylvestris) und Wild-Birne (Pyrus pyraster) wurde auch in der Altaue infolge von Zaunschäden nachgewiesen. Demzufolge sollte ein erhöhter Aufwand für die Zauninstandhaltung in den ersten Jahren nach der Aufforstung vor allem in Gebieten mit hoher Wilddichte einkalkuliert werden, um den Erfolg der Pflanzungen zu sichern.
Angesichts der hohen Ausfallrate von Gewöhnlichem Schneeball (Viburnum opulus) sollte die Verwendung dieser Gehölzart bei Aufforstungsvorhaben in der rezenten Aue zukünftig stark eingeschränkt werden. Hingegen können Gewöhnliche Schlehe (Prunus spinosa), Wild-Birne (Pyrus pyraster) und Wild-Apfel (Malus sylvestris), aber auch Hunds-Rose (Rosa canina), Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus) und Purgier-Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) für die Etablierung von Waldrändern sowohl in der Altaue als auch in der rezenten Aue empfohlen werden, da sich diese Arten in beiden Bereichen vergleichsweise gut entwickelt haben (Abb. 3 und 4).
Der Weißdorn zeigte in der rezenten Aue sehr hohe Etablierungsraten. Da jedoch laut Pflanzplänen nur der Eingrifflige Weißdorn in der rezenten Aue gepflanzt wurde und dieser auch nach Erlbeck et al. (2002) als überflutungstolerant gilt, kann entsprechend den vorliegenden Ergebnissen eine Empfehlung zur Verwendung in der rezenten Aue nur für diese Art ausgesprochen werden. Dister (1983) bestätigt ebenfalls ein Vorkommen des Eingriffligen Weißdorns in der rezenten Aue und gibt dabei eine mittlere Überflutungsdauer von 40 Tagen pro Jahr an. Auch der Blutrote Hartriegel (Cornus sanguinea) kann für beide Auenbereiche empfohlen werden. Allerdings spiegelt sich hier der limitierende Einfluss der direkten Überflutung in der rezenten Aue in einer signifikant geringeren Vitalität und Höhe wider. Für die Anpflanzung in der rezenten Aue als sehr gut geeignet erwiesen sich auch Ulmen (Ulmus spec.), Stiel-Eiche (Quercus robur) und Gewöhnliches Pfaffenhütchen (Euonymus europaea) (Abb. 3 und 4). Unabhängig von der Lage in der Altaue oder in der rezenten Aue führte die zeit- und arbeitsaufwändige Umsetzung einer gut geplanten Mischpflanzung bereits nach sechs bis sieben Jahren zu einem reich strukturierten Waldrand (Abb.5).
Insgesamt hat sich während den Untersuchungen gezeigt, dass für eine effiziente Erfolgskontrolle eine vollständige Dokumentation der Planungsunterlagen (Pflanzpläne, Pflanzlisten) von entscheidender Bedeutung ist.
Dank
Ganz herzlich möchten wir dem „Verein der Freunde und Förderer des UFZ e.V.“ für die Unterstützung bei der Durchführung des Projektes danken. Außerdem danken wir den Mitarbeitern des Biosphärenreservates Mittelelbe für die Hilfe bei der Geländearbeit sowie Frau Eichhorn vom WWF für die Bereitstellung von Informationen und die Durchsicht des Manuskriptes. Bei Arlena Brosinsky, Christian Timpe und Sven Guttmann bedanken wir uns für Unterstützung bei der Gehölzerfassung sowie bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung für die Bereitstellung der Wasserstände an den Elbe-Pegeln. Das Projekt wurde von der Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt“ gefördert.
Literatur
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Anschrift der Verfasserinnen: Susanne Osterloh und Prof. Dr. Birgit Felinks, Hochschule Anhalt (FH), Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung, Strenzfelder Allee 28, D-06406 Bernburg, E-Mail s.osterloh@loel.hs-anhalt.de; Madlen Kreibich und Judith Glaeser (korrespondierende Autorin), UFZ-Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Department Naturschutzforschung, Permoserstraße 15, D-04318 Leipzig, E-Mail judith.glaeser@web.de.
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