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Tagungsbericht

Umgang mit historischer Kulturlandschaft – nur miteinander

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Seit 1998 ist die Erhaltung der historischen Kulturlandschaften und ihrer Bestandteile ausdrücklich in den Zielen der Naturschutzgesetze verankert und wird in der aktuellen Novellierung nochmals besonders hervorgehoben (§ 1 (4) BNatSchG). Bei einer interdisziplinären Fachtagung zum „Umgang mit historischer Kulturlandschaft“ ging es um die fachliche Praxis der Zusammenarbeit der zuständigen Fachressorts aus Denkmalpflege und Naturschutz und in der Arbeit „vor Ort“.

Der Landkreis Hildesheim veranstaltete die Tagung im Rahmen des Großprojektes „Gartenregion Hannover“ in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD), der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA), dem Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover (IUP) und den Landesgruppen des Bundesverbandes Beruflicher Naturschutz (BBN) sowie der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL). Gefördert wurde das Vorhaben von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).

Die zweitägige Tagung mit einer zusätzlichen Exkursion näherte sich der Aufgabenstellung in vier Themenblöcken. Einführend beleuchteten Dr. Reiner Zittlau (NLD) und Wilhelm Breuer (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, NLWKN) das Thema aus den fachlichen Perspektiven von Denkmalpflege und Naturschutz. Sie stimmten darin überein, dass historische Kulturlandschaften heute bestenfalls in Restbeständen existieren und anhaltenden Gefährdungen ausgesetzt sind. Dem ehrenamtlichen Engagement der in Bund und Ländern organisierten Heimatbünde sei es in erster Linie zu verdanken, dass die Inventarisierung historischer Kulturlandschaften überhaupt vorangetrieben werde. Die Umsetzung des gesetzlich normierten Schutzzieles erfahre bei den zuständigen Behörden überwiegend nicht die gebührende Aufmerksamkeit, obwohl ein geeignetes Instrumentarium von den Denkmalschutzkatastern über die Landschaftsplanung, die Eingriffsregelung bis zur Schutzausweisung nach Naturschutzrecht zur Verfügung steht.

Prof. Dr. Hans Hermann Wöbse (Fachgruppe Kulturlandschaft im Niedersächsischen Heimatbund, NHB) plädierte für die Erhaltung historischer Kulturlandschaft als Dokumentation des Vergangenen und als Lehrstück für einen zukünftigen Umgang mit Landschaft. Er mahnte einen überfälligen Paradigmenwechsel der modernen Gesellschaft an, welcher ökonomische, ökologische, ethische und ästhetische Motive in einem Akt kulturellen Schaffens zu stimmigen landschaftlichen Kontexten führen müsse.

„Zum Verhältnis von Denkmalpflege und Naturschutz“ referierten Heinrich Walgern (Landschaftsverband Rheinland LVR) über „Alte Feindbilder – gemeinsame Ziele“ und Thomas Neiss (Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen) „Über die schöne Einheit von Natur und Kultur“. Sie resümierten, dass in der aktuellen planerischen Praxis ehemalige Ressentiments einer gedeihlichen Zusammenarbeit gewichen seien. Beispiele aus NRW zeigten, wie es der Landschaftsplanung gelingt, komplexe Anforderungen an den Schutz historischer Kulturlandschaft zu integrieren. Grund­voraussetzung sei jedoch die Bereitschaft aller Beteiligten, über den Tellerrand der eigenen Fachdisziplin hinaus zu denken und ins Gespräch miteinander zu kommen. Für die Ebene einer Unteren Naturschutzbehörde zeig­te Ulrich Weber (Landkreis Hildesheim) Beispiele für Kooperationsprojekte in der Region.

Im Themenblock „Traditionelle Kulturlandschaft und Engagement von unten“ berichtete Stephan Sander vom Aufbau und vom integrativen Wirken des Wallhecken-Umwelt-Zentrums in Leer/Ostfriesland. Dort wird auf ehrenamtlicher Basis der Schutz und die Pflege von Wallhecken organisiert und zusätzlich ein regionales Informations-, Bildungs- und Beratungsangebot vorgehalten. Dr. Dietrich Maschmeyer von der Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V. zeigte an zahlreichen Beispielen Erfordernisse und Möglichkeiten der Baudenkmalpflege in ländlichen Bereichen auf. Im Spannungsfeld zwischen widerstreitenden Interessen von Naturschutz, Raumordnung, Landwirtschaft und kommunalen Befindlichkeiten gelte es, private Initiative und gesellschaftlichen Konsens zu praktikablen und nachhaltigen Lösungen zu befördern. Das Ziel sei die Wiederherstellung größtmöglicher Übereinstimmung von Nutzung und historischer Bausubstanz. Karolin Thieleking (Büro KoRiS Kommunikative Stadt- und Regionalentwicklung Hannover) beschrieb als langjährige Moderatorin regionaler Entwicklungsprozesse die aktuellen „Formen der Kommunikation in der Regionalentwicklung“.und leuchtete die Möglichkeiten, Anstrengungen und Grenzen partizipativer Planungsprozesse in der Praxis aus.

Am folgenden Tag ging es zunächst um die Frage, welche Verantwortung für Kulturlandschaft von welcher Fachverwaltung wahrgenommen wird. Prof. Dr. Christina von Haaren (IUP) bekräftigte den Anspruch und die sich geradezu aufdrängende Eignung der Landschaftsplanung, die Raum- und Nutzungsansprüche verschiedener Fachdisziplinen im Sinne einer multifunktionalen und flächeneffizienten Umweltplanung zu integrieren und für die politisch verfasste raumordnerische Abwägung aufzuarbeiten. Sowohl in der Zusammenarbeit der Umwelt-Fachdisziplinen als auch in der Integration der UVP-Schutzgüter „menschliche Gesundheit“ und „Kulturgüter“ bestehen dabei aktuell noch erhebliche Defizite. Dr. Henning Haßmann (NLD) lenkte den Blick auf die Probleme der archäologischen Denkmalpflege, die im Zuge der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie mit Renaturierungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen auftreten. Hier fehle vielen beteiligten Fachinstitutionen noch entscheidendes Wissen über die denkmalpflegerischen Befindlichkeiten, welche sich „unter der Pflugsohle“ befinden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Rahmen des anzuwendenden Instrumentariums, beispielsweise der UVP, müsse deshalb dringend intensiviert und selbstverständliche Planungspraxis werden. Dr. Johannes Prüter, Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue, skizzierte den Schutz der historisch gewachsenen Kulturlandschaften, ihre nachhaltige Entwicklung als nutzungsbestimmte Ökosysteme und als Träger regionaler Identität als ein Hauptziel der dortigen Verwaltung. Im Zusammenspiel des naturschutzrechtlichen Instrumentariums und der landwirtschaftlichen Förderprogramme gelinge es, die erforderlichen Kooperationsbezüge zu Denkmalschutz, Landwirtschaft und Tourismus herzustellen und lebendige Kulturlandschaft in die heutige Zeit zu tradieren.

„Lebendige Kulturlandschaft durch Kooperation“ bildete den letzten thematischen Schwerpunkt. Stefan Könneke berichtete von soziokulturellen Projekten aus der Region Hildesheim. Hier schloss sich für die rund 100 Teilnehmenden der weit gespannte Bogen zum lebendigen Umgang mit historischer Kulturlandschaft, belegt mit Beispielen aus gelebter Praxis weitab jeder Verwaltungstristesse. Michael Jürging und Manfred Wassmann, Hannover, präsentierten Konzept und Umsetzung des offenen Kommunikationsprojektes „Auf Entdeckertour in Linden-Limmer“, welches sich, ausgehend von Vergleichsfotografien früher und heute, mit der permanenten Entwicklung und Veränderung urbaner Landschaft auseinandersetzt. Sie zeigten, wie ein sorgfältig geplanter Moderationsprozess eigene Dynamik entwickeln kann, zu mäandrieren beginnt und schließlich zu neuen Wahrnehmungen von (Stadt-)Landschaft kommt. Danach referierte Anke Werner über ihre planerischen Arbeiten zur Ausgestaltung und Erschließung touristischer Projekte anhand von Radrouten durch die Kulturlandschaft in Schleswig-Holstein und Brandenburg.

Das Resümee der Tagung zogen Prof. Dr. Ilke Marschall, Fachrichtung Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Erfurt, und Prof. Dr. Lutz Hieber, Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Leibniz Universität Hannover. Marschall entwickelte aus dem Kontext allgemeiner gesellschaftlicher Befindlichkeiten und staatlichem Fürsorgeauftrag ein umfassendes Bild der Aufgaben und Ziele des Kulturlandschaftsschutzes. Der Kultursoziologe Hieber näherte sich dem Thema aus der Darstellung grundsätzlich unterschiedlicher Sichtweisen und Wertehaltungen zu Landschaft. Anhand von Clusteranalysen zu sozialen Milieus und der Interpretation von Landschaftsdarstellungen verschiedener Epochen zeigte er auf, wie die ästhetische Dimension in die Diskussion über den Umgang mit historischer Kulturlandschaft dringend einzubeziehen sei – nötig sei, den Blick über den fachlichen Tellerrand hinaus in die Alltagswelten und politischen Realitäten zu richten.

Der dritte Veranstaltungstag führte in Ausschnitte historischer Kulturlandschaften der Region Hildesheim. Fachleute aus Behörden und Ehrenamt stellten mehrere Projekte zur Erhaltung und zur Pflege von Magerrasen sowie von weitläufigen Parklandschaften des 18. und 19. Jahrhunderts vor. Den Abschluss bildete ein Besuch der Tatorte anhaltenden soziokulturellen und landschaftsverändernden Wirkens im Dorf Heinde.

Kontaktadresse: Landkreis Hildesheim, Dezernat 3 – Bildung, Bau und Umwelt, Bischof-Janssen-Straße 31, D-31134 Hildesheim.

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