Die will doch nur spielen
Am Rande einer Stadt wurde eine Straße samt Radweg verbreitert und neu angelegt. Da im Mittelstreifen alte Eichen stehen, wurde ich als Umweltbaubegleitung eingesetzt. Das Projekt ist abgeschlossen, die Vegetationsschutzzäune im Grünstreifen wurden abgebaut, die Straße soll am nächsten Tag für den öffentlichen Verkehr freigegeben werden.
von Franziska Schmitz erschienen am 10.12.2025Die angrenzenden Wiesenflächen, die während der Bauzeit als Baueinrichtungsflächen fungierten, sind wiederhergestellt. Ein Fußweg führt parallel durch das neue Areal. Frisch gepflanzte Gehölze unterbrechen den Streifen zwischen den beiden Fahrbahnen. Die modellierten Hügel und Täler passen sich perfekt in die Landschaft ein, die Planie ist tadellos.
Ich begutachte abschließend die Bäume, die keinen Schaden bei den Arbeiten genommen haben. Dabei sehe ich aus dem Augenwinkel, dass die Auftraggeberin zu dem heutigen Abnahmetermin angefahren kommt. Ich weiß, dass sie eine ziemliche Pedantin ist, die sehr viel Wert darauflegt, dass alles ordentlich und DIN-gerecht ausgeführt wird. Herr Kunze, der Chef der Landschaftsbaufirma, hat mir einmal davon erzählt.
Ich höre die unangenehme Stimme der Dame erklingen: „Hallo Herr Kunze, wir können gleich starten, ich habe heute jemanden dabei, bei dem schönen Wetter wollte ich meinen Hund nicht im Büro lassen.“ Dabei öffnet sie die Kofferraumklappe. Bevor sie den Hund an die Leine nehmen kann, schießt dieser an seinem Frauchen vorbei, und hechtet einem Kaninchen hinterher, welches zufällig genau in diesem Moment aus einem der Gehölze sprintet.
„Susilein! Hierher, wirst du wohl hören!“, quietscht Ms. Perfect los. Doch Susilein hört und sieht nichts außer dem potenziellen Hasenbraten vor ihrer Nase. Auf ihrer wilden Hetzjagd hinter dem armen Tier durchpflügt die quirlige Foxterrier-Dame die jungfräuliche Planie von Herrn Kunze.
Dieser steht da, folgt mit seinem Blick dem wildgewordenen Kampfzwerg: „Die ganze Arbeit umsonst!“ Doch das Drama findet nach unglaublichen zehn Minuten sein Ende, die sich für die Protagonisten wie Stunden angefühlt haben mussten. Hechelnd wirft sich das erschöpfte Susilein seinem Frauchen zu Füßen.
„Na bitte, da ist sie ja wieder“, verkündet Ms. Perfect seelenruhig, nimmt die Hundedame an die Leine und wendet sich an Herrn Kunze. „Dann starten wir doch mal!“
Herr Kunze versucht, die Fasson zu bewahren und starrt auf Susis Werk.
„Na, Sie müssen ja eh nacharbeiten, die Susi wollte ja nur ein bisschen spielen“, lacht sie. Dabei sieht die Fläche aus, als wäre ein Panzer durchgepflügt. Faszinierend, dass ein kleines Tier in so einer kurzen Zeit einen solchen Schaden anrichten kann.
„Sagen Sie, sind Sie eigentlich noch ganz dicht?“, kann sich Herr Kunze nun doch nicht zurückhalten. „Die Planie war 1a, ich arbeite da überhaupt nichts nach, das können Sie schön selbst machen!“
Bevor sich die beiden an die Gurgel gehen, gehe ich dazwischen: „Ich würde sagen, Herr Kunze arbeitet die Flächen nach – auf Ihre Kosten, und Sie nehmen die Flächen jetzt ab, denn bevor Susilein Ihnen abgehauen ist, sah alles perfekt aus.“
„Ich denke ja gar nicht dran!“, bellt Ms. Perfect.
„Gut, dann werde ich Anzeige bei der Polizei erstatten, dass Ihr Hund ein harmloses Kaninchen gehetzt hat. Und im Gegensatz zu Susilein will ich nicht nur spielen, ich zieh das durch.“ Was dazu führt, dass sie mürrisch ihre Unterlagen rauszieht, und das Abnahmeprotokoll mit dem Vermerk „Ohne Mängel“ unterschreibt.

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