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Schmitz’ Sternstunden

Wer bin ich?

Ich bin bei einem alten Schulfreund zu einer Grillparty im Garten eingeladen. Jochen feiert einen runden Geburtstag. Die meisten der Anwesenden kenne ich nicht, da Jochen und ich uns in den letzten Jahren aus den Augen verloren hatten.

von Franziska Schmitz erschienen am 24.06.2025
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Jochen weiß natürlich, was ich arbeite, aber die anderen nicht. Seine Freunde bestehen hauptsächlich aus Pärchen, die im gleichen Alter wie wir sind, aber beruflich was völlig anderes als ich machen. Viele sind in einer weltweit vertretenen Firma angestellt, dem größten Arbeitgeber der Stadt, und verdienen ihr Geld vor ihrem Computer sitzend. Freunde aus der grünen Branche haben Jochen und seine Frau außer mir keine.

Jochen stellt mich also nach meinem Eintreffen vor, die üblichen Floskeln: „Woher kennt ihr euch, wie lange, ach das ist ja nett.“ Noch sind wir nicht beim Kapitel: „Und was machst du so beruflich?“ angekommen.

Nach dem Essen sitzen wir in großer Runde zusammen. Ein Mann bestreitet mit langweiligen Monologen über seine Arbeit den Hauptteil der Unterhaltung. In einer seiner wenigen Atempausen richtet seine Frau das Wort an mich: „Und was machst du so beruflich?“

Innerlich stöhne ich auf. Für gewöhnlich scheue ich bei Nicht-Gleichgesinnten diese Frage. Gelegentlich weiche ich ein wenig von der Wahrheit ab, sage, dass ich gelernte Landschaftsgärtnerin bin, was ja auch stimmt, aber nicht, dass ich Landschaftsplanung studiert habe und als Umweltbauüberwacherin mein Geld verdiene. Diese Taktik führt aber oft dazu, dass ich mich in Gesprächen über Rasenprobleme, Gemüsesorten oder Obstbaumschädlingen wiederfinde oder schlimmstenfalls kränkelnde Orchideen vor die Nase gehalten bekomme. Wenn ich dann weder Informationen zu Pflanzenkrankheiten, Tipps zu Gemüse oder Zimmerpflanzen geben kann – denn weder bin ich Baumschuler, Landwirt noch Florist – rümpfen die Anwesenden die Nase. Habe ich wirklich Ahnung von Pflanzen?

Ich möchte nicht behaupten, dass es anderen Berufszweigen anders geht: Sämtliche Handwerker sehen sich in „Du schaust doch sicher gerne nach Feierabend mal bei mir vorbei, ich hätte da was zu tun für dich“-Gespräche wieder, Physiotherapeuten müssen nebenbei schnell mal Schultern einrenken, Anwälte umsonst Urteile aus dem Hut zaubern und von den armen Ärzten möchte ich gar nicht erst anfangen.

Bleibe ich bei der Wahrheit und antworte: „Ich bin Umweltbauüberwacherin und habe Landschaftsplanung studiert“, erscheinen auf den Gesichtern um mich herum große Fragezeichen und ich versuche, Menschen mit wenig Bezug zur Natur, meine Tätigkeit näherzubringen. Die Reaktionen reichen von „Ach das ist ja niedlich, klingt nach Spazierengehen, Bäumchen malen und Käferzählen, das ist ja mehr so ein Ehrenamt, oder?“ bis zu „Warum habe ich letztes Jahr meine Fällgenehmigung nicht bekommen?“ oder verständnislosem Kopfschütteln „ach immer diese weltverbessernden Umweltfanatiker“.

Da ich heute keine Lust habe, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen, blicke ich die Frau ernst an und sage: „Leider darf ich über meine berufliche Tätigkeit nicht sprechen, streng geheim.“ Das bringt die Dame zu einem verschämten Lächeln und kurz aus dem Konzept, ein unangenehmer Moment der Stille folgt und ich bleibe den Abend über eine geheimnisumwobene Frau.

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