Baustellenschwester
Bei einem Projekt in der tiefsten Oberpfalz habe ich das Vergnügen, eine sehr beeindruckende Frau, die Polierin der ausführenden Baumfirma, kennen zu lernen. Beate ist damals Mitte 50 und somit gut 20 Jahre älter als ich. Sie trägt einen „pfiffigen“ Kurzhaarschnitt, ist drahtig und kommt auf den ersten Blick sehr rau und biestig rüber. Auf den zweiten auch. Und auf den dritten. Aber nachdem ich länger mit ihr zu tun habe, merke ich: Die Frau hat sich im Laufe der Zeit durch ihre Erfahrungen, die sie in der Baubranche gemacht hat, einen dicken Panzer zugelegt.
von Franziska Schmitz erschienen am 21.01.2025Die Zusammenarbeit mit ihr ist in Ordnung, ich hatte aber schon einfachere Baustellen. Sie hält sich an meine Ansagen, brummt manchmal über den Sinn beziehungsweise in ihren Augen den Unsinn meiner Maßnahmen, gibt aber mir keinen Grund zur Beschwerde.
Eines Tages, als ich die Baustelle betrete, muss ich als erstes den Container mit den Toiletten aufsuchen. Es ist noch düster, und es gibt nur eine Toilettenmöglichkeit – für Männer und Frauen. Kein Problem für mich, solange kein Mann am Pissoir steht und ich mehr zu sehen bekomme, als mir lieb ist. Als ich aus der Kabine komme, öffnet sich die Tür und einer der Bauarbeiter betritt den Container. Aber anders, als ich erwartet habe, lässt dieser mich nicht erst den Raum verlassen, sondern stellt sich mir in den Weg, grinst blöde und öffnet seine Hose.
Bevor ich reagieren kann, steht Beate in der Tür: „Christian, du verlässt augenblicklich den Container, bis Frau Schmitz hier fertig ist, hast du verstanden?“
Genannter Herr zuckt zusammen, macht verlegen seine Hose wieder zu und stammelt: „Ich habe doch nur ein bisschen Spaß gemacht, ich habe ja gar nicht richtig gesehen, dass sie hier drin ist!“ Was Beate mit einem „Okay, ich werde den Chef gleich anrufen, und ihn fragen, was für Konsequenzen dein Spaß für dich haben wird“ quittiert. Als wir zwei Frauen allein sind, bedanke ich mich bei ihr. Ich bin beeindruckt, wie gut sie die Männer im Griff hat.
„Weißt du, Franzi, ich war auch mal so hübsch und jung wie du. Ich hatte Baustellen, da konnte ich nur mit einem Kollegen, dem ich vertraut hatte, die Toiletten aufsuchen … Was meinst du, warum ich mir meine langen Haare abgeschnitten habe? Heute sehen mich die Jungs mit anderen Augen, aber sie schätzen meine Erfahrung und mein Wissen. Für uns Frauen ist es schwer am Bau, du bist ja nur immer kurz bei uns auf der Baustelle. Ich verstehe den Sinn deiner Arbeit zwar nicht und sehe da vieles anders. Aber trotzdem finde ich, wir Frauen müssen zusammenhalten, damit uns die Arbeit nicht vermiest wird.“
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