In privater Sache
Geht es den anderen Kolleginnen und Kollegen, die im Naturschutz oder sogar direkt in der Umweltbaubegleitung tätig sind, eigentlich genauso wie mir? Privat kann ich die Warnweste, die unverzichtbar zu der Arbeit am Bahngleis dazugehört, kaum abstreifen. Gehe ich im Wald spazieren, wandert mein Blick immer an alten Baumstämmen entlang und sucht nach Zeichen von Fledermäusen. Für meine Lieblinge, die Zauneidechsen, kann ich an keinem besonnten Steinhaufen vorbeigehen, ohne auf eine zu hoffen, und wenn ich eine finde, freue ich mich aus vollstem Herzen. Für meine Bekannten und Freunde, die nicht im Naturschutz oder der Landschaftsplanung arbeiten, kann das zum Teil befremdlich und auch anstrengend sein.
von Franziska Schmitz erschienen am 07.01.2025Ich möchte das an einem Beispiel erklären: Letztes Jahr fahre ich mit einer meiner besten Freundinnen, Andrea, mit der Bahn in eine andere Stadt. Wir wollen dort ein Weinfest besuchen. Die Strecke führt an einigen Orten vorbei, die ich aufgrund meiner Arbeit kenne. An jeder Stelle, die ich schon mit anderen Augen als der der Reisenden betrachtet habe, spähe ich aus dem Fenster: Wurden die Reptilienschutzzäune abgebaut oder verwittern sie vor sich hin? Werden die Stein- und Holzhaufen, die zum Unterschlupf dienen sollen, noch gepflegt, nachdem meine Arbeit abgeschlossen ist, oder sind sie bereits völlig eingewachsen?
Meine Freundin Andrea ist das komplette Gegenteil von mir. Sie ekelt sich vor fast allem mit mehr als zwei Beinen und schaut die Natur am liebsten im Fernsehen an. Sie arbeitet in einem Büro einer sehr großen Weltfirma. Ihr Job beginnt um 8 Uhr und endet um 16.30 Uhr – sowohl körperlich als auch geistig. Sie schafft es, nach 16.30 komplett abzuschalten und erwähnt ihre Arbeit fast nie.
„Heute mal kein Viechzeuch, Franzi“, sagt sie zu mir, als wir am Bahnhof aussteigen. „Heute schaltest du mal ab. Ja, ich weiß, du liebst deinen Job, aber heute mal ganz ohne Arbeit, auch im Kopf!“
Ich bemühe mich, ihrem Wunsch Folge zu leisten, und widerstrebe dem Drang, am Bahnhof nach Eidechsen zu spähen. Am Festplatz finden wir eine schöne Bank am Rande des Trubels. Die Sonne scheint, die Band spielt gute Musik, und der Wein schmeckt auch. Nach einiger Zeit beobachte ich eine Gruppe von Kindern, die am angrenzenden Hang etwas gefunden haben. Als ich genauer hinsehe, bemerke ich, dass sie eine Eidechse gefunden haben und sie versuchen zu fangen. Andrea, die sich eben noch angeregt mit ihrem Banknachbarn unterhalten hat, verdreht die Augen: „Franzi, bitte, keine Eidechsen heute!“
Aber es ist zu spät – ich bin aufgestanden und greife ein. „He, was macht ihr denn da? Lasst doch die Eidechse in Frieden!“
Ich bin etwas schroff und bereue es schon im nächsten Moment. Denn die fünf etwa achtjährigen Buben und Mädchen schauen mich erschrocken an und lassen sie sofort in Ruhe. Die kleine Eidechse sieht sofort ihre Chance und ergreift die Flucht. „Tschuldigung“, murmeln die Kinder.
Und auch mein Ton wird gleich sanfter, als ich sie frage, ob sie nicht wissen, dass die Tiere ihre Schwänze bei Gefahr abwerfen, und sie dann nicht mehr haben, falls sie von einem Raubvogel oder einer Katze angegriffen werden. Dass Zauneidechsen sehr selten geworden sind und unseres Schutzes bedürfen. Die Kinder lauschen mir mit großen Augen. Die Oma eines kleinen Mädchens kommt dazu und sagt zu mir: „Die Kleinen lernen gar nichts mehr in der Schule und die Eltern sind auch von der Natur zu weit weg. Eigentlich kann man ihnen fast nicht böse sein, dass sie so vieles nicht wissen.“
Tatsächlich sehe ich es ähnlich wie die Dame, denn bei einem Spaziergang wurde ich einmal Zeuge folgender Szene: Eine tote, kleine Maus liegt auf dem Gehweg. Zwei kleine Kinder, Mutter und Vater beugen sich darüber. Kind eins: Was ist das? Mutter: Na, das ist ein Maulwurf. Vater: Nein, ein Maulwurf hat doch keine Ohren. (Jedenfalls keine sichtbaren, soweit korrekt.) Vater: Das ist eine Ratte.
Andrea schaut mich an, als ich zurück zum Tisch komme, und ihr die Geschichte erzähle. „Ach Franzi, das ist schon gut so, wie du bist. Wenn du dich nicht um die Natur kümmerst und dein Wissen ungefragt teilst, wer soll es denn sonst machen“, zwinkert sie und stößt mit mir an.
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