Zwei Prozent für die natürliche Gewässerentwicklung
„Der Kies muss weg!“, betitelte vor fünf Jahren Tjards Wendebourg, Leiter unserer Ulmer-Poolredaktion, ein Buch wider die Verschotterung der Vorgärten. Genauso lange besteht in § 21a das baden-württembergischen Naturschutzgesetzes bei Neubauprojekten und der Umgestaltung von Gartenflächen das Verbot, Schottergärten anzulegen. Die Mehrzahl der übrigen Bundesländer hat über Bauordnungen oder Kommunalrecht Beschränkungen für Schottergärten erlassen. Und doch hat sich seither im Dorf- und Stadtbild kaum etwas verändert – Klima- und Biodiversitätskrise zum Trotz.
von Eckhard Jedicke erschienen am 30.11.2025Warum wirkt die gesetzliche Vorgabe im Ländle nicht ausreichend? Als Haupthindernisse sehen die Kommunen den Mangel an personellen Ressourcen sowie unklare gesetzliche Regelungen. Helfen könnten Zuckerbrot und Peitsche: Aufklärung und positive Anreize auf der einen Seite, Kontrollen und Aufforderungen zum Rückbau von Schottergärten andererseits. Das Thema ist symptomatisch für die kommunalen (und andere Fach-)Verwaltungen: Es fehlt an Personal und Durchsetzungsstärke für Gemeinwohlinteressen.
WVO: mehr als Natura 2000
Es gibt andererseits Orte, zu denen der Kies essenziell dazugehört: naturnahe Fließgewässer. Natürliche Gewässer- und Geschiebedynamik in entfesselten Bach- und Flussläufen ist ein wesentliches Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie, das absehbar auch 2027 – dem zweiten Stichjahr nach 2015 – erneut fundamental gerissen wird. Wir thematisieren auch in diesem Heft wieder die 2024 durch die EU verabschiedete Wiederherstellungsverordnung (WVO), die unter anderem die Rückgewinnung von 25.000 km frei fließenden Flüssen in der EU und eine Verbesserung der natürlichen Funktionen der angrenzenden Auen bis 2030 erfordert. Der Beitrag in der vorliegenden Ausgabe macht klar, dass auch nicht bewirtschaftete Ökosysteme mit Prozessschutz in Auen und Wäldern hergestellt werden müssen. Dazu sind entlang der Fließgewässer ausreichend breite Gewässerentwicklungsstreifen nötig – das Umweltbundesamt bilanziert gerade, dass es hierzu 2 % des Landes bräuchte, mit Effekt für Biodiversität, Hochwasserschutz, Wasserhaushalt und Klimaanpassung. Wenn dann noch der Biber zugelassen wird, führt er die Revitalisierung so kostengünstig aus, wie es der Mensch mit Technikunterstützung nicht bewerkstelligen könnte.
Im März will das Bundesumweltministerium den Entwurf des nationalen Wiederherstellungsplans vorstellen. Er würde zu kurz springen, beschränkte er sich auf die gemäß WVO zeitlich zunächst zu priorisierende bessere Zielerfüllung für FFH- und Vogelschutzrichtlinie. Wir zeigen am Beispiel Hessen, welche Nicht-FFH-Lebensraumtypen und Habitate für Vogelarten wiederhergestellt werden müssten, die bisher bei der Umsetzung der VSRL nicht berücksichtigt werden. Denn viele Arten profitieren maßgeblich von Biotopen, die nicht den Schutzerfordernissen der FFH-Richtlinie unterliegen. Beispiele sind Kiebitz, Braunkehlchen und Bekassine im Grünland frischer, feuchter und nasser Standorte.
Anreize notwendig
Der Kies als mehrfaches Symbol: In den Vorgärten der Nation hat er nichts zu suchen, nach Größenklassen unsortiert und durch Hochwässer regelmäßig umsortiert in den Fließgewässern und Auen hingegen schon. An Kies (oder Schotter) als saloppe Umschreibung für Geld mangelt es bis dato für die Umsetzung der WVO: Solange kein eigenes Finanzierungsinstrument mit Anreizen besteht, wird es an einer wirksamen Zielerreichung genauso mangeln wie bisher schon für FFH-, Vogelschutz- und Wasserrahmenrichtlinie.


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