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180 Milliarden Umweltkosten pro Jahr in der EU

Aber der Bauernverband mag keinen Naturschutz

„Gesunde Böden, Gewässer, Wälder: [Der] Bauernverband möchte lieber keinen Naturschutz“: So titelt die taz einen Beitrag über den Vorstoß dreier Landbesitzerverbände bei Kanzleramtsminister Thorsten Frei. Sie forderten ihn auf, sich „entschieden auf nationaler wie europäischer Ebene für eine Rücknahme, mindestens aber eine grundlegende Überarbeitung“ der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (WVO) einzusetzen. Kein Zufall, dass zuvor die acht CDU-geführten Länder-Agrarministerien die EU-Kommission aufgefordert hatten, die WVO vollständig aufzugeben. Die Nähe von Deutschem Bauernverband, Familienbetrieben Land und Forst sowie der AGDW – Die Waldeigentümer zu den konservativ besetzten Agrarressorts ist ein offenes Geheimnis. Es liegt nahe zu vermuten, wer da wen souffliert hat.

von Eckhard Jedicke erschienen am 02.08.2025
© privat
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WVO als Chance für Landnutzende

Die angeführten Gründe malen Ertragsverluste, Belastungen für Produzierende und Verwaltungen, Einschränkungen der Selbstversorgung mit Lebensmitteln, die Furcht vor Krisen- und Kriegssituationen an die Wand. Kein Wort dazu, dass Land- und Forstwirtschaft immer massiver durch die multiplen Krisen von Klima, Biodiversität, Wasser und Boden beeinträchtigt werden. Dabei wären die Wirtschaftsverbände gut beraten, die WVO für ihre ureigenen Ziele der finanziellen Ertragssicherung in Zeiten der globalen Umweltkrisen zu nutzen. Die Natura-2000-Ziele (Artikel 4) könnten zu besseren Einkommensmöglichkeiten für extensiv wirtschaftende Betriebe auf ohnehin ertragsschwachen Standorten führen. Die Stützung von Bestäuberpopulationen (Artikel 10) verbessert die Ertragssituation in Obst- und Gemüsekulturen. Vor allem aber systemrelevant für die Landwirtschaft könnte Artikel 11 werden: Mehr Wasserrückhalt in Agrarlandschaften kann Erträge in Trockenzeiten (teilweise) erhalten. Hecken und Agroforstsysteme stärken Bodenfunktionen und den Wasserhaushalt, sie fördern Gegenspieler von Schadinsekten und könnten CO2-Zertifikate und die auf EU-Ebene diskutierten „Nature Credits“ für Betriebe generieren. Kulturartenvielfalt mit erhöhter Landschaftsdiversität (siehe zum Status quo der Nutzungsvielfalt Seite 18 in diesem Heft) fördert die Resilienz der Nutzung. Artikel 12 kann helfen, die Nutzung von Waldökosystemen resilienter zu gestalten.

Spiel mit dem Feuer

Doch die genannten Verbände spielen wider besseren Wissens mit dem Feuer. Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind gefordert, den evidenten Fakten Gehör zu verschaffen. Gerade erst hat die Europäische Kommission vorgerechnet, dass Luft- und Wasserverschmutzung, Naturzerstörung und Abfalllasten, kombiniert mit Untätigkeit bei der Umsetzung von Umweltvorschriften, die EU jährlich rund 180 Mrd. € kosten, ein Prozent des EU-BIP. Allein schon volkswirtschaftlich betrachtet ein Skandal, denn die Folgekosten werden von Jahr zu Jahr steigen.

Die Wiederherstellungsverordnung liefert eine dringende Antwort darauf. Sie zu torpedieren, kostet Landnutzungen die Zukunftsfähigkeit und die Gesellschaft Unsummen von Geld – je länger die Politik wartet, umso teurer wird es. Die Reaktion der ebenfalls acht überwiegend grünen Umweltministerinnen und -minister pro WVO wird bei der Kommission wohl kaum das nötige Gegengewicht gegenüber den Beharrungskräften für eine Welt von gestern bieten. Wie war das? Der Bauernverband möchte lieber keinen Naturschutz. Und wieder wird er sich durchsetzen, wie auch bei den rückschrittlichen Zielen der Kommission für die neue Gemeinsame Agrarpolitik nach 2027. Leider.

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