Wissenschaftlicher Beirat ordnet wichtige Ergebnisse ein
Im Oktober 2024 wurden die Ergebnisse der Bundeswaldinventur (BWI) 2022 vorgestellt. Nun hat der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) dazu seine Stellungnahme veröffentlicht. Darin ordnet der WBW wichtige Ergebnisse der Bundeswaldinventur in Bezug auf wichtige politische Handlungsfelder ein und spricht Empfehlungen für die Waldpolitik aus.
von Wissenschaftlicher Beirat für Waldpolitik/Redaktion erschienen am 21.01.2025Die Handlungsfelder umfassen Waldnaturschutz, Klimaschutzfunktion und Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel, Eigentum, Arbeit und Einkommen sowie Rohstoffe und Holzverwendung. „Für ein relativ träges System, wie es unsere langlebigen Wälder sind, sehen wir für die letzten zehn Jahre zum Teil sehr deutliche Veränderungen, hervorgerufen durch die klimawandelbedingten Störungen. Dabei liegen Licht und Schatten dicht beieinander“, sagt Prof. Jürgen Bauhus, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats. Positive Entwicklungen sind vor allem im Waldnaturschutz zu verzeichnen, negative Entwicklungen gibt es bei der Produktivität, der Klimaschutzfunktion und der Rohstoffversorgung.
Die Inventurergebnisse zeigen insgesamt eine Waldentwicklung hin zu naturnahen und strukturreichen Wäldern. Der Anteil der Laubwälder an der Waldfläche ist seit 2012 spürbar gestiegen, während die Fläche mit Nadelwäldern erheblich abgenommen hat. Auch die Fläche alter Wälder hat deutlich zugenommen und die Vorräte an Totholz sind stark angestiegen.
Diese indirekten Indikatoren zur Beurteilung der Biodiversität zeigen insgesamt einen positiven Trend. Um die Trends besser interpretieren zu können, wird die Implementierung spezifischer Monitoringprogramme empfohlen, mit denen Schnittstellen zu den Daten der BWI hergestellt werden können. Da die meisten der mit der BWI erfassten naturschutzrelevanten Indikatoren einer waldwirtschaftlichen Steuerung unterliegen, sollten gezielt Untersuchungen und Erfolgskontrollen zur Effektivität der Instrumente und Maßnahmen im Bereich des Waldnaturschutzes und Waldumbaus erfolgen.
Klimaschutzfunktion, Resilienz und Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel
Über den gesamten Inventurzeitraum 2012–2022 hat die Kohlenstoffspeicherung in der pflanzlichen Masse (Bäume, Totholz, Streuauflage) um 4,5?% zugenommen. Für den Zeitraum 2017–2022 (seit der letzten Kohlenstoffinventur) hat die Kohlenstoffspeicherung jedoch aufgrund von Dürre, Hitze, Schädlingen und Krankheiten erstmals abgenommen. Die klimawandelbedingten Störungen und Produktivitätseinbußen lassen die im Klimaschutzgesetz formulierten starren Sollziele für die Aufnahme atmosphärischen Kohlendioxids in die Kohlenstoffsenken des Sektors „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ (LULUCF) als zu ambitioniert erscheinen. Um nicht dauerhaft unrealistische Ziele zu verfolgen und die Dynamik der Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme berücksichtigen zu können, sollte der LULUCF-Sektor mit in die sektorübergreifende Gesamtrechnung und aggregierte Betrachtung des Klimaschutzgesetzes einbezogen werden, die für alle anderen Sektoren gelten. Um die Funktion des Waldes als Kohlenstoffsenke und Kohlenstoffspeicher zu erhalten, ist es notwendig, die Resilienz und Anpassungsfähigkeit der Wälder zu stärken.
Eigentum, Arbeit, Einkommen
Insgesamt haben die Produktivität und die Holzvorräte der Wälder aufgrund zunehmender Störungen wie Dürren und Kalamitäten seit 2012 abgenommen, allerdings mit deutlichen regionalen Unterschieden. Besonders schwerwiegend ist der schwindende Nadelholzvorrat, der die wirtschaftliche Situation vieler Forstbetriebe verschärft. Falls sich für diese Betriebe keine Erlösalternativen eröffnen, sind notwendige Investitionen in den Wald und dessen Anpassung schwer möglich und die Forstwirtschaft in Deutschland verliert dadurch langfristig ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit. Finanzielle Mittel für die Honorierung von Ökosystemleistungen beziehungsweise die Förderung von Maßnahmen zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel müssen daher langfristig bereitgestellt werden.
Rohstoffe, Verwendung und Effizienz
Da mehr als 90?% des verarbeiteten Holzes in der deutschen Holz- und Papierindustrie derzeit von Nadelbäumen stammt, sind Versorgungsengpässe in Regionen mit starken Vorratsverlusten bei Fichten vorhersehbar. Diese Verluste wurden durch den Vorratsaufbau bei anderen Nadelhölzern wie Douglasie und Tanne bei weitem nicht kompensiert. In Regionen mit nach wie vor hohen Nadelholzvorräten können sich dagegen eher Absatzprobleme im Falle zukünftiger Störungen ergeben. Daher sollten vorausschauend ordnungsrechtliche Erleichterungen für Holztransporte zum regionalen Ausgleich geplant und die Ausschöpfung der regional vorhandenen Nutzungspotenziale für Fichte und Kiefer vorangetrieben werden. Dies kann zudem den Waldumbau fördern und das geerntete Holz einer langfristigen Nutzung mit hohem Klimaschutzpotenzial zuführen.
Prof. Bauhus betont, dass die Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2022 trotz gradueller Unterschiede vergleichbare Waldzustände und eine ähnliche Entwicklung wichtiger Waldkenngrößen zwischen den Waldbesitzarten aufzeigen. Diese Ähnlichkeiten seien auf einheitliche gesetzliche Regelungen, großflächige Zertifizierung mit gleichen Standards, eine gemeinsame geschichtliche Entwicklung der Wälder, vergleichbare Markteinflüsse, aber auch auf geteilte Werte und Grundeinstellungen der Waldbesitzenden zum Wald und seine Bedeutung für die Gesellschaft zurückzuführen. Solange dies auch zukünftig das Ziel der Waldpolitik bleibt, sollten einerseits einheitliche gesetzliche Mindeststandards gelten, die sich aus der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ableiten lassen. Andererseits müssen die nichtstaatlichen Forstbetriebe durch eine entsprechende Förderung in die Lage versetzt werden, die Ökosystemleistungen des Waldes weiterhin in dem Maße bereitzustellen, wie dies von der Gesellschaft gewünscht wird.
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