Wie Insektenschutz künftig besser gelingen kann
Artenschutz first? In der Umweltplanung hat die Artenschutzprüfung in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Im Gegenzug verloren die naturschutzfachlichen Aspekte in der Umweltprüfung und Eingriffsregelung an Relevanz. So liegt der Bewertungsfokus einerseits stark auf planungsrelevanten Einzelarten, andererseits auf Biotopbewertungen ohne Bezug auf die Biozönosen. Das ist zu kurz gegriffen: Biologische Vielfalt ist mehr als die Summe der europäisch durch FFH- und Vogelschutzrichtlinie sowie sonstige besonders und streng geschützte Arten.
von Eckhard Jedicke erschienen am 11.12.202470 Prozent der Tierarten
Seit der Krefelder Studie 2017 hat der massive Rückgang von Biomasse und Artenspektrum der Insekten Eingang in die öffentliche Debatte gefunden. An der eher marginalen planerischen Berücksichtigung der mit Abstand artenreichsten Gruppe der Fauna mit über 33.000 von etwa 48.000 Tierarten in Deutschland hat sich dennoch nichts geändert – obwohl Insekten in hohem Maße relevant sind für vielfältige Ökosystemfunktionen und Ökosystemleistungen.
Dieses gravierende Defizit greift ein Team um Jürgen Trautner in diesem Heft mit einem Vorschlag auf, wie Insekten bei der Bewertung von Eingriffsfolgen besser berücksichtigt werden können – übertragbar auf andere räumliche Planungen. Den bisher begrenzten Blick weitet das in einem F+E-Vorhaben des Bundesamts für Naturschutz entstandene Konzept auf gefährdete Arten und solche, für deren Arterhalt eine besondere Verantwortlichkeit besteht.
Funktionen ausgleichen
Für Standardbearbeitungen rücken so etwa Heuschrecken, Tagfalter und Widderchen, Nachtfalter, Laufkäfer, Köcherfliegen sowie Wildbienen und Grabwespen zusätzlich in den Blick. Hinzu kommen bei begründetem Verdacht auf besondere Vorkommen zum Beispiel Dungkäfer, Schwebfliegen, Zikaden und Ameisen. Kompensation darf sich demnach nicht auf (möglichst multifunktionale) Maßnahmen auf Biotopebene beschränken, sondern muss bei „erheblichen Beeinträchtigungen besonderer Schwere“ zusätzlich Funktionen geschädigter Insektenpopulationen ausgleichen. Bleibt zu hoffen, dass die Vorschläge rasch Eingang in die Planungspraxis finden. Zuversicht fällt hierbei gerade schwer: Deutlich hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen die politische Debatte vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 kritisiert. Themen der Wirtschaft sowie innere und äußere Sicherheit dominierten. Eine ambitionierte Klima- und Umweltpolitik scheine nicht in dieses Umfeld zu passen. Wie fatal diese Ausblendung der multiplen Umweltkrise ist, braucht in diesem Medium wohl nicht betont zu werden – Nichtstun heute wird sich umso gravierender auf die Zukunft auswirken, auch wirtschaftlich. Dennoch: Mehrere Länder streichen die Haushalte im Natur- und Umweltschutz, ebenso wie in der Wissenschaft und Bildung zusammen. Sachsen-Anhalt beispielsweise will keine EU-Mittel mehr für den Naturschutz nutzen durch Verweigerung der erforderlichen Kofinanzierung.
Bevölkerung will Transformation
„Angemessener Klima- und Umweltschutz ist eine Frage der Verantwortung für die Zukunft, der sich alle Parteien stellen müssen“, fordert der Umweltrat. Das sieht auch die Mehrheit der Bevölkerung so: Fast drei Viertel (74 %) der Erwachsenen sind sehr oder zumindest eher von der Dringlichkeit eines transformativen Wandels überzeugt, um der Natur-, Umwelt- und Klimakrise zu begegnen – vor zwei Jahren waren es 60 %. Das ergab die jüngste Naturbewusstseinsstudie. Warum ist die Politik quer durch alle Parteien weitgehend taub auf diesem Ohr?
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