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Metastasen, Pandemien, Nierenversagen der Ökosysteme

Benötigen wir eine offensivere Krisenkommunikation?

Die Erde und ihre Ökosysteme sind krank – todkrank. Regelmäßige Fieberschübe sind eines der Symptome, mit Temperaturen aktuell bis jenseits der 40 Grad in Süd- und Osteuropa, mit gravierendem Wassermangel für die Bevölkerung, verdorrenden Landschaften, dürstenden Tierherden sowie einem bedrohlichen Waldbrand vor den Toren Athens. Und mit immer neuen Fieberrekorden seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das Klimasystem steht vor Kipppunkten, die es Metastasen gleich unrückholbar verändern.

von Eckhard Jedicke erschienen am 15.08.2024
© privat
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Organversagen droht

Nicht weniger gravierend ist die Pandemie der Biodiversitätskrise: Weitgehend unkontrolliert schwindet die biologische Vielfalt und bringt die Ökosysteme mit ihren Funktionen im Naturhaushalt und für die menschliche Gesellschaft ins Wanken. Waldsterben hat eine neue Dimension und das für Lufthaushalt und Klimasystem, für Biodiversität und menschliche Erholung essenzielle Ökosystem steht vor dem Kollaps. Wird dieses kühlende und wasserspeichernde Organ seinen Dienst versagen? Das ökologische Immunsystem des Planeten schwächelt mehr und mehr, ein wachsendes Problem nicht nur für die biologische Vielfalt, sondern auch für Wohlergehen und Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung.

Die Diagnosen haben noch viele weitere Facetten: Dehydrierung und Nierenversagen mit Blick auf die Wasserkrise, Osteoporose als Metapher für die Schwächung der Bodenfruchtbarkeit durch Erosion und Humusverlust und Bodenanämie aufgrund von Nährstoffmangel in Böden (hier ist nicht der Stickstoff auf den meisten Standorten gemeint!).

Es hat auch etwas von Mord auf Raten, nimmt man die Ökosysteme als Subjekt wahr. Oder anthropozentrisch gesehen ist es Selbstmord, der diese langfristig und für Tausende Menschen auch ganz aktuell in diesem Moment – mehr als 47.000 Hitzetote zählte Europa im vergangenen Jahr – letale Krankheit immer weiter anheizt anstatt zumindest zu versuchen, sie zum Stillstand zu bringen.

Medizinische Sprache

Sprechen Sie solche Beschreibungen der großen Krisen der Welt an? Zugegeben, als Wissenschaftler nutze ich lieber ein neutrales Wording, ist die Situation auch noch so dramatisch. Das könnte aber falsch sein, ergab eine Analyse in der Fachzeitschrift Frontiers in Climate unter dem Titel A medical language for climate discourse. Die Klimakommunikation bringe die Ernsthaftigkeit des Problems nicht zum Ausdruck, die Sprache selbst stelle ein Hindernis für eine offene gesellschaftliche Debatte dar, sagt Dr. Bálint Forgács, Neurolinguistiker an der Freien Universität Berlin. Er schlägt eine medizinische Terminologie als Methode zur Klimakommunikation vor, um zu produktiveren politischen Lösungen zu gelangen. Die wissenschaftliche Kommunikation um den Klimawandel – und das lässt sich sicher auf die anderen globalen Krisen übertragen – werde häufig missverstanden oder vermittele nicht die notwendige Dringlichkeit des politischen Handels. Medizinische Begriffe seien für den Menschen gut verständlich, damit würde eine ehrliche Bewertung der notwendigen rechtlichen und regulatorischen Schritte zur Erhaltung der Lebensfähigkeit des Planeten stärker gefördert.

Eine Anregung, die es unbedingt wert ist, interdisziplinär weiter zu denken und zu erforschen! Denn es verwundert schon, dass bei den Umweltkatastrophen – obwohl mit viel weitreichenderen Folgen, nicht nur für Einzelpersonen – beispielswiese im Vergleich zu Verkehrssicherheit und Baustatik nur ein Bruchteil an Vorsorge betrieben wird.

Nebenbei bemerkt: Einen Teil der oben verwendeten Metaphern entstammt maschinellem Lernen. Es kann auch gestandenen Schreiberlingen Formulierungshilfen bieten.

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