Wie falsche Narrative die Umweltpolitik torpedieren
Was muss eigentlich noch passieren, damit Gesellschaft und Politik endlich wach werden? Auf zwei Milliarden Euro werden allein die versicherten Schäden des Juni-Hochwassers in Süddeutschland geschätzt. Großflächig 100 bis 200 mm Niederschlag, lokal bis 300 mm, wertet der Deutsche Wetterdienst als Jahrhundertniederschlag. Unverkennbar beginnt der Klimawandel, mit immer neuen Rekorden unser Leben zu verändern. Und das ist erst der Anfang.
von Eckhard Jedicke erschienen am 19.06.2024Umwelt wenig entscheidend
Der Wahlkampf und die Ergebnisse der Europawahl wenige Tage nach der Flut stehen der Dramatik diametral entgegen: Friedenssicherung, soziale Sicherheit und Zuwanderung waren zusammen für 66 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Deutschland die Themen, die die größte Rolle für ihre Wahlentscheidung spielte. Klima- und Umweltschutz stand lediglich für 14 % im Vordergrund, fünf Jahre zuvor waren es noch 23 %. Der starke Rechtsruck in ganz Europa macht Angst, dass es den sozialen und ökologischen Standards, die in den letzten Jahrzehnten gesetzt wurden, mehr und mehr an den Kragen geht.
Nicht allein im rechten Spektrum bestimmte das Nein-Sagen den Wahlkampf. Der Green Deal der Europäischen Kommission wird sukzessive demontiert. Klimaschutz kann warten, die schwächelnde Wirtschaft hat Vorrang. Biodiversitäts- und Gewässerschutz werden gar nicht oder als vermeintliche Widersacher thematisiert – wie Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Hauk es tat: Er forderte angesichts der Hochwasserschäden eine Neubewertung des Natur- und Artenschutzes, denn der Biber verringere Retentionsräume, die Pflege von Gewässern scheitere an Naturschutzvorgaben, Bannwälder würden durch angeschwemmtes Totholz zum Problem. Nichts davon ist fachlich haltbar, Fake statt Fakten!
Negative Zukunftsbilder
Offensichtlich entwickelt sich die Methode, durch Falschinformation Klientelpolitik zu betreiben, als erfolgreiche Strategie. Das Umweltbundesamt hat jüngst den umweltbezogenen Populismus mit sieben Narrativen zur Delegitimation der Umweltpolitik analysiert: eine inszenierte Klimakrise, geplante Deindustrialisierung, absichtliche Benachteiligung, elitäre Ideologieprojekte, Freiheitsberaubung, bedrohter Nationalstaat, Natur- und Heimatzerstörung. Gemein ist ihnen, dass sie mit negativen Zukunftsbildern arbeiten – emotionalisiert, unterkomplex, mit Verschwörungs- und Krisenrhetorik. Solcher Alarmismus kann nur jede Veränderungsbereitschaft im Keim ersticken. Vorausschauende Naturschutz- und Umweltpolitik muss dem Trend massiv durch Narrative mit positiven Zukunftsaussichten einer nachhaltigen Transformation begegnen!
Zurück zur Hochwasser-Thematik: Technische Maßnahmen wie Deiche und Rückhaltebecken können nur ein Teil der Antwort sein. Naturbasierte, multifunktionale Lösungen müssen priorisiert werden. Dazu beleuchten wir in dieser Ausgabe das Beispiel der renaturierten Lippeaue in Nordrhein-Westfalen anhand einer 33-jährigen Zeitreihe, wo 2 km Flussrenaturierung mit Auenbeweidung kombiniert wurde. Libellen als Indikatororganismen nahmen deutlich zu. Einen ebenso ganzheitlichen Ansatz verfolgt das Bewertungssystems Heck.in zum Nachweis der Ökosystemleistungen von Hecken, der zweite wissenschaftliche Beitrag in diesem Heft. Solche positiven Narrative braucht es für eine zukunftsfähige Landschaftsentwicklung. Stattdessen steht das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) nach Schrumpfung von vier auf 3,5 Milliarden erneut in der Diskussion um mögliche Kürzungen. Bereits ein einziges Hochwasser verursacht ein Mehrfaches an Schäden – ist das verhältnismäßig?
- Spruce 02.07.2024 13:17Da wir Menschen dazu neigen können erst einmal nur das wahrzunehmen/ sehen was uns direkt betrifft und es leider vielen in der Gesellschaft schwer fällt über den eigenen Tellerrand hinaus zu gucken...und vielen die eigene Brieftasche näher scheint als das Leben der vielleicht noch nicht geborenen Enkel in der Zukunft...hat es die Klimapolitik wohl eher schwer gegenüber dem was uns die Medien und die aktuelle Politik so herrlich bequem präsentieren. Das Vertrauen vieler...und erschreckend vieler junger Menschen in das was über das Internet, von Influencern und nicht von seriösen Journalisten verbreitet wird...Fake und nicht Fakten ist leider sehr groß. So gelangen oft Falschinformationen in die Köpfe und es wird wie bei dem Rattenfänger von Hameln einer Stimmung gefolgt, die dann leider nicht an den gewünschten Ort führt.Antworten