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Förderung von Wildbestäubern

20 Jahre Forschung auf Obstbaubetrieben am Bodensee

Die Obstbauringe Überlingen und Tettnang luden am 11. August zur Vorstellung der jüngst veröffentlichten Doktorarbeit von Vivien von Königslöw ein. Zwei Jahre lang hatte die Ökologin auf 20 Obstbaubetrieben am Bodensee untersucht, wie Wildbestäuber am Rande von Apfelplantagen gefördert werden können.
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Dr. Vivien von Königslöw (rechs) erläuterte den Obstbäuerinnen und Obstbauern auf dem Betrieb von Markus Maier in Riedern bei Markdorf unter anderem, wie schon ein nur wenige Quadratmeter großer Blühstreifen am Rand einer Obstanlage ein wertvolles Nahrungsangebot und Rückzugsmöglichkeiten für Wildbestäuber bieten kann.
Dr. Vivien von Königslöw (rechs) erläuterte den Obstbäuerinnen und Obstbauern auf dem Betrieb von Markus Maier in Riedern bei Markdorf unter anderem, wie schon ein nur wenige Quadratmeter großer Blühstreifen am Rand einer Obstanlage ein wertvolles Nahrungsangebot und Rückzugsmöglichkeiten für Wildbestäuber bieten kann.Obsthof Kitt/Antonia Kitt
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Auf dem Betrieb von Markus Maier in Riedern bei Markdorf stellte Dr. von Königslöw die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit nun den Obstbäuerinnen und Obstbauern vor. Miteingeladen war auch Thomas Ueber vom Landschaftserhaltungsverband (LEV) Bodenseekreis. Er informierte über die im Biodiversitätsstärkungsgesetz vorgeschriebenen Biotopverbunde. Moderiert wurde die Veranstaltung von Katja Röser vom Beratungsteam der Marktgemeinschaft Bodenseeobst (MABO).

Vivien von Königslöw promovierte im Frühjahr 2022 am Institut für Geo- und Umweltnaturwissenschaften der Universität Freiburg bei Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein. In ihrer Doktorarbeit legte die Wissenschaftlerin den Schwerpunkt auf das Vorkommen und die Förderung von Wildbienen und Schwebfliegen in den Saumstrukturen der Obstanlagen. Ihr Augenmerk lag dabei sowohl auf Blühstreifen, als auch auf Hecken, Böschungen, Gräben und überwachsenen Zäunen. Solche naturnahen Lebensräume sind in der kleinstrukturierten Kulturlandschaft am Bodensee noch häufig zu finden und können laut von Königslöw eine wichtige Ergänzung zu den Blühstreifen darstellen. „Meine Arbeit forscht an der Schnittstelle zwischen Naturschutz und Landwirtschaft,“ erklärte die Ökologin, und bedankte sich ausdrücklich bei den Obstbaubetrieben, auf deren Flächen sie dazu forschen durfte. Es beschäftige sie die Frage, so von Königslöw, wie auch bei intensiver Landnutzung Biodiversität hergestellt werden könne. Ziel ihrer Arbeit sei gewesen, dazu Maßnahmenpakete zur praktischen Anwendung vorschlagen zu können.

Wichtig sei bei der Förderung von Insekten generell, immer den ganzen Lebenszyklus und die verschiedenen Entwicklungsstadien in Blick zu haben. Die Wildbestäuber bräuchten eben nicht nur ein ausreichendes Nahrungsangebot, sondern auch Orte zur Eiablage und Lebensräume für die Larven und Puppen. Nistmöglichkeiten sollten nicht nur oberirdisch in Insektenhäusern vorhanden sein, denn 2/3 der nestbauenden Wildbienenarten nisteten im offenen Boden, wie ihn die Baumstreifen der Obstanlagen oft bieten. „Es braucht insgesamt möglichst vielfältige Strukturen mit ausreichenden Blütenressourcen und unterschiedlichem Mikroklima,“ führte Vivien von Königslöw aus. Die Schwebfliegen bevorzugten feuchtere Standorte wie beispielsweise Waldränder und offene Waldstrukturen. Die im Obstbau als Nützlinge gern gesehenen Schwebfliegenlarven fräßen zwar Blattläuse, doch die adulten Tiere seien zur Ernährung eben auch auf ein Blütenangebot angewiesen.

In den untersuchten Blühstreifen waren die Zahl der Arten und der Individuen am höchsten. Hier fand die Wissenschaftlerin die überraschend hohe Anzahl von 120 der 580 in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten. Bei den Schwebfliegen zählte die Forscherin 25 Arten, über 400 verschiedene gibt es in Deutschland insgesamt. Von Königslöw empfahl mehrjährige Ansaaten und riet dazu, den Blühstreifen nie auf einmal zu mähen. Ökologisch sinnvoller sei es, einen Teil im Herbst zu mähen oder mulchen, den anderen Teil im darauffolgenden Frühjahr. So würden Wildbestäuber geschützt, die in abgestorbenen Pflanzenstängeln Eier ablegten.

In den Hecken habe laut v. Königslöw weniger Vielfalt geherrscht. Doch habe sich in ihrer Analyse gezeigt, dass die unterschiedlichen Blütezeiten der Pflanzenarten in Hecken, Böschungen und Gräben vor allem Solitär- und oligolektischen, also nur eine Pollenart sammelnden, Bienen zugutekommen. Zur Aufwertung der Hecken setzte von Königslöw für ihre Untersuchungen versuchsweise Strauchpflanzen wie Weiden, Hartriegel und Heckenkirsche ein. Als weniger praktikabel erwies sich das Experiment, im Heckenstreifen für ein frühes Nahrungsangebot Frühblüher wie Krokusse einzusetzen. Die Zwiebeln seien zum Teil von Spaziergängern ausgegraben und mitgenommen worden und böten letztendlich auch kein so gutes Nahrungsangebot. Von Königslöws Ausführungen machten deutlich, dass nicht nur Blühstreifen, sondern eben auch Hecken und andere Saumstrukturen durch ein entsprechendes Management und Pflege aufgewertet werden können.
Für die Obstbäuerinnen und Obstbauern stellte sich in der Diskussion jedoch die Frage, wie dieser zusätzliche Arbeitsaufwand honoriert werden könnte. “Da sehe ich viel Potential für die Landschaftserhaltungsverbände,“ antwortete die Ökologin, die mittlerweile selbst eine Stelle beim LEV in Lörrach angetreten hat. Wie Thomas Ueber vom LEV Bodenseekreis mitteilte, kann für die Ansaat von Blühstreifen über die Landschaftserhaltungsverbände Beratung und Förderung beantragt werden.

Ueber gab anschließend einen kurzen Einblick in die Arbeit des LEV und ging besonders auf die im neuen Biodiversitätsgesetz festgeschriebenen Biotopverbunde ein. „Biotopverbundplanung ist für die Gemeinden verpflichtend, aber die Umsetzung durch die Eigentümer ist freiwillig“, betonte Ueber. Aktuell seien die Planungsbüros draußen unterwegs, um geeignete Flächen zu finden. Der Biotopverbund ziele besonders auf Arten, die weniger mobil seien, z.B. Pflanzenarten, aber auch auf Insekten, Amphibien und Reptilien sowie Feldvögel. Eine Schnittmenge mit dem Obstbau ergäbe sich vor allem beim Streuobst. Es ginge bei den Maßnahmen darum, ausgewiesene Biotope zu erhalten und aufzuwerten. Nach zusätzlichen Flächen würde in Randlagen gesucht und dort, wo es für die Bewirtschaftung zu nass, zu trocken oder zu steil sei.
Bei einem kurzen Rundgang über die Flächen des Obstbaubetriebs Maier wies Dr. Vivien von Königslöw an verschiedenen Stellen darauf hin, wie positiv sich schon kleine Blühflächen und abwechslungsreiche Saumstrukturen auf Wildbestäuber auswirken können.

Zum Abschluss der Veranstaltung gaben Markus Maier, Katja Röser, Erich Röhrenbach (Vorsitzender der Obstregion Bodensee) und Johannes Michel, auf dessen Betrieb in Altheim eine der beiden Versuchsanlagen errichtet wurde, noch einen kurzen Bericht zum Stand des Nachhaltigkeitsprojekts ECHT-Bodenseeapfel. Die im Frühjahr in der Versuchsanlage aufgestellten Insektenhäuser seien innerhalb von vier Wochen belegt gewesen, berichtete Michel. Ab nächstem Jahr soll ein intensives Monitoring die Bestäuberpopulationen dokumentieren. Mit den Projektgeldern aus dem MLR konnte dafür am Kompetenzzentrum Obstbau in Bavendorf (KOB) eine eigene Stelle geschaffen werden. Eine weitere neue Stelle für den Bereich Marketing sei gerade besetzt worden. „Wir wollen mit dem Projekt ECHT-Bodenseeapfel die Werte, für die unser Bodenseeobst steht, ganz neu sichtbar machen,“ sagte Katja Röser. Und diese Werte seien eben die noch Familien-geführten Obstbaubetriebe in ihrer Vielfalt, die langjährigen freiwilligen Biodiversitätsinitiativen und vieles mehr. Der Bodenseeapfel sei kein austauschbares Produkt, so Röser. Das müsse im Verkaufsregal wieder sichtbar werden. „Mit dem Projekt „Echt- Bodenseeapfel wollen wir den Apfel `hip‘ machen,“ so ihr abschließendes Statement.

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