NABU und Fledermausaktive fordern Artenhilfsprogramm für Jäger der Nacht
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Viele Fledermausarten sind gefährdet
In Baden-Württemberg gehören 18 der 23 heimischen Fledermausarten zu den sogenannten „windenergiesensiblen“ Arten. Ihre Bestände sind schon heute größtenteils stark gefährdet. „Fledermäuse können trotz ihrer hochsensiblen Echoortung die sich schnell bewegenden Rotoren so gut wie nicht orten und kollidieren mit den Windrädern. Auch können durch den Bau der Anlagen Fortpflanzungs- und Nahrungshabitate verloren gehen. Wir müssen die negativen Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Fledermäuse so gut wie möglich minimieren und gleichzeitig etwas für die Arten tun“, betont die AGF-Vorsitzende Ingrid Kaipf.
Schutzkonzept definiert Vorrangflächen für Fledermäuse
Ein wesentlicher Baustein des mehr als 135 Seiten starken, vom Freiburger Institut für angewandte Tierökologie (FrInaT) erarbeiteten Konzepts, sind Karten, die auf Modellberechnungen und Artnachweisen basieren. Diese Karten zeigen, an welchen Standorten mit einem besonders hohen Konfliktpotenzial zu rechnen ist. NABU und AGF fordern, Gebiete mit absehbar hohem Konfliktpotenzial grundsätzlich von Windenergieanlagen frei zu halten.
Gezielte Schutzmaßnahmen, vor allem im Wald
Darüber hinaus sollen laut Konzept im ganzen Land Maßnahmen zur Förderung von Fledermäusen umgesetzt werden. „Typische Maßnahmen zum Fledermausschutz sind beispielsweise die Sicherung von Sommer- und Winterquartieren etwa in Dachstühlen, Kirchtürmen, Brücken, Höhlen, unterirdischen Stollen oder Eisenbahntunneln sowie der Erhalt von Streuobstwiesen“, sagt Fledermausexpertin Kaipf.
Eine besondere Bedeutung für den Fledermausschutz haben Maßnahmen im Wald: „Nach unseren Berechnungen wäre es sinnvoll, etwa 23.000 Hektar Waldfläche in Baden-Württemberg besonders fledermausfreundlich zu gestalten. In der Regel geschieht das durch den Verzicht auf die forstliche Nutzung der Waldflächen. Die sich dann entwickelnden, urwaldähnlichen Waldstrukturen sind für Fledermäuse besonders wertvoll“, führt Kaipf aus. Im Siedlungsbereich gehe es darum, die Lichtverschmutzung zu reduzieren. In der Landwirtschaft hilft es Fledermäusen, wenn Pflanzenschutzmittel reduziert und insektenfreundliche Blühflächen angelegt werden: „Die Jäger der Nacht ernähren sich ausschließlich von Insekten. Das heißt, alles, was den Insekten hilft, hilft auch den Fledermäusen.“
Um das Kollisionsrisiko an Windrädern zu reduzieren, müssen diese in Zeiten erhöhter Fledermausaktivität konsequent abgeschaltet werden, erklärt Kaipf: „Klar ist, dass alle Anlagen – auch die Altanlagen – über solche Abschaltmechanismen verfügen müssen.“ Es sei Aufgabe der Behörden, die Einhaltung dieser Vorgabe regelmäßig zu überprüfen. „Bislang, so haben Untersuchungen ergeben, wird diese Vorgabe in vielen Fällen aber gar nicht umgesetzt oder kontrolliert“, bemängelt Kaipf.
Grundstock von 1,5 Millionen Euro für den Fledermausschutz
Der NABU-Landesvorsitzende fasst zusammen: „Wir brauchen die Energiewende. Windenergieanlagen bedeuten aber eine zusätzliche Belastung für Fledermäuse. Wenn wir als Gesellschaft den Ausbau der Windenergie beschleunigen wollen, müssen wir diese zusätzliche Belastung ausgleichen.“ NABU und AGF rechnen mit Kosten von rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr als Grundstock, um die landesweiten Strukturen für den Fledermausschutz zu professionalisieren, zu festigen und die Schutzbemühungen landesweit besser zu koordinieren. Auch ein systematisches Monitoring ist Teil dieser Kostenschätzung. Für Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft seien ergänzend Mittel in den Förderprogrammen der Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung zu stellen.
Insgesamt rund 30 Millionen Euro pro Jahr für Versöhnung von Windkraft und Artenschutz
Insgesamt, so hatten NABU, BUND und LNV Anfang März 2022 berechnet, dürfte ein Betrag von rund 30 Millionen Euro jährlich notwendig sein, um im Zuge des verstärkten Windenergieausbaus Artenhilfsprogramme für windenergiesensible Vogel- und Fledermausarten umzusetzen. Etwa die Hälfte dieses Betrags sollte aus Bundesmitteln stammen, die andere Hälfte aus dem Landeshaushalt. „Beim Ausbau der Windenergie und beim Artenschutz drängt die Zeit. Deshalb erwarten wir, dass im anstehenden Doppelhaushalt für 2023 und 2024 die entsprechenden Mittel eingestellt werden“, betonen Enssle und Kaipf.
Hintergrund:
- „Schutzkonzept für Fledermäuse in Baden-Württemberg – Grundlagen für ein Artenhilfsprogramm für windkraftsensible Fledermäuse“: www.NABU-BW.de/Fledermaus-Schutzkonzept
- Zusammenfassung (Auszug aus dem „Schutzkonzept für Fledermäuse in Baden-Württemberg“): www.NABU-BW.de/Fledermaus-Schutzkonzept
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