Mehr Tiere in die Landschaft!
Im Oktober 2023 ist das Projekt „WeideVielfalt“ in Sachsen-Anhalt gestartet. Der Name ist Programm: Das Team will mit verschiedenen Maßnahmenpaketen dazu beitragen, die Vielfalt von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen auf Weiden zu fördern. Dr. Daniel Elias hat uns das Projekt vorgestellt.
von Julia Schenkenberger erschienen am 03.02.2025Wenn Daniel Elias und ich sprechen, geraten wir schnell ins Fachsimpeln: Wir setzen uns beide mit dem Thema Beweidung auseinander. Daniel Elias beschäftigt sich schon seit 2009 damit und hat zum Thema Ziegenbeweidung promoviert, und auch in meiner Dissertation beschäftige ich mich mit extensiven Weideflächen. Beim Kennenlernen wird schnell deutlich: Wir beide brennen für das Thema. Nicht verwunderlich also, dass Daniel Elias im Projekt „WeideVielfalt“ mitarbeitet.

Vielfalt bedeutet für ihn dabei eine Vielfalt der Weidetiere, eine Vielfalt der Lebensräume, aber auch eine Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten. Er beschreibt das optimale Bild einer Weide als „Mosaik unterschiedlicher Vegetationsstrukturen, die, zeitlich versetzt, über die Weidefläche wandern. In dieser Habitatheterogenität finden viele Arten Raum: Arten, die kurzrasige Bereiche bevorzugen, ebenso wie die Arten höherwüchsiger Bereiche oder Tiere und Pflanzen der Gebüschstrukturen.
Es ist dieses Bild und vor allem diese Vielfalt, die mithilfe des Projekts nach Sachsen-Anhalt zurückkehren soll. Denn: Weidetiere verschwinden immer mehr aus der Landschaft, und mit ihnen verschwindet auch der Artenreichtum – vor allem dann, wenn Flächen intensiviert werden.
Um das zu erreichen, hat sich das Team der Hochschule Anhalt mit Verbundpartnern aus der Praxis zusammengeschlossen: Im Projekt beteiligen sich der NABU Stendal, das Zentrum für Ökologie und Naturschutz, die Primigenius gGmbH, der LPV Saaletal und die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt – allesamt Partner, die bereits praktische Erfahrungen in der Beweidung extensiver Flächen und im Bereich Öffentlichkeitsarbeit mitbringen. „Es ist gut, Verbundpartner an der Seite zu haben, die Jahrzehnte Erfahrung mit Beweidung haben“, betont Daniel Elias.
Gemeinsam möchten sie in der ersten Projektphase Maßnahmen erproben, um den Struktur- und Artenreichtum von Weideflächen zu verbessern. „Wir arbeiten dabei eng mit den Weidetierhaltern zusammen. Verbesserungsmöglichkeiten müssen praktikabel sein, damit sie auch langfristig umgesetzt werden“, erklärt Daniel Elias. Dazu erfasst das Team der Hochschule den Status quo der Vegetation, der Vogelarten, Wildbienen und Tagfalter und untersucht das derzeitige Weidemanagement. Auf dieser Basis werden Wege gesucht, um das Weideregime zugunsten der Artenvielfalt zu optimieren.
„Das können ganz kleine Anpassungen sein“, führt der Landschaftsökologe aus. „Wir schreiben auf keinen Fall einem Tierhalter vor, andere Weidetiere einzusetzen oder seine Herde zu verkleinern.“ Vielmehr geht es darum, Interesse bei den Tierhaltern zu wecken, sie für die Biodiversität auf ihren Flächen zu sensibilisieren – und den weiteren Rückgang der Weidetierhaltung in Sachsen-Anhalt aufzuhalten. Als Anreiz für Betriebe, die vorbildlich arbeiten, will das Team eine Plakette zur Auszeichnung entwickeln. Damit sollen auch weitere Landnutzende motiviert werden, sich für die Biodiversität auf ihren Weideflächen zu engagieren.
1In einem zweiten Arbeitspaket untersucht das Team, wie Pflanzenarten, die bereits von den Weideflächen verschwunden sind, wieder angesiedelt werden können – denn ist eine Art einmal verschwunden, kehrt sie oft nicht wieder. „Die Arten können nicht einfach wieder einwandern, wenn Spenderpopulationen in der Umgebung nicht mehr vorhanden sind und deren Vernetzung nicht gegeben ist“, erläutert Daniel Elias. Auf acht Weideflächen wurden deshalb „Etablierungsfenster“ angelegt: ca. 5*5 m große Quadrate, in denen Zielarten nach der für einen Etablierungserfolg notwendigen umfassenden Saatbettvorbereitung neu angesät werden. Auf sechs der Flächen erprobt das Team in Blockversuchen verschiedene Methoden der Wiederansiedlung: die Einsaat mit Saatgut, das von geeigneten Spenderflächen mit eBeetle und Wiesefix geerntet wurde, die Einsaat von eigens entwickelten Saatgutmischungen mit autochthonen Arten und eine Fläche, die nur geöffnet wird. Mittels Monitoring will das Team untersuchen, welche der Methoden am besten geeignet ist, um typische Weidearten wieder auf die Flächen zu bringen.
2Spannend dabei: Alle Versuche werden im laufenden Weidebetrieb durchgeführt. Das ist durchaus mit Herausforderungen verbunden. Daniel Elias gibt ein Beispiel: „Eine unserer Flächen wird mit Koniks beweidet“, erzählt er. „Die Tiere fanden unsere Etablierungsflächen ideal, um sich darin zu wälzen.“ Welche Effekte das auf die gerade keimenden Pflanzen hat, wird das nächste Frühjahr zeigen.
Das individuelle Verhalten der Weidetiere war allerdings bei Weitem nicht die größte Herausforderung. Deutlich schwieriger erwies sich die Diskussion über die Einstufung der Maßnahme selbst: Ziel ist aus Projektsicht die Entwicklung einer artenreicheren Weidevegetation mit den vielen gekoppelten positiven Ökosystemleistungen. Genehmigungsbehörden werteten dagegen die kleinflächige Öffnung der Grasnarbe zur Ansaat heimischer Arten bereits als einen Grünlandumbruch. Mit viel Information, Gesprächen und Öffentlichkeitsarbeit zur Maßnahme gilt schließlich ein Konsens mit den Behörden: Im Herbst 2024 setzte das Team die Versuche um. Aber die Diskussionen müssen weitergeführt werden und es muss eine bundesweit einheitliche Lösung zur großflächigeren Umsetzung von Wiederherstellungsmaßnahmen im Grünland gefunden werden.
Während der ersten Projektphase hat sich das Team um Daniel Elias außerdem noch ein drittes Arbeitspaket vorgenommen: die Aufwertung und Wiederherstellung wertvoller FFH-Lebensraumtypen durch Beweidung. Hier zeichnen sich bereits nach einem Jahr erste Erfolge ab. Eine Fläche begeistert Daniel Elias dabei besonders: eine bedeutsame Binnensalzstelle (LRT 1340*), die von Schilf nahezu komplett überwuchert war. Lebensraumtypische Arten und Strukturen waren nur in kleineren Teilbereichen vorhanden. Dank dem Verbundpartner Primigenius weiden nun Pferde auf der Fläche. Das Ergebnis: „Innerhalb eines Jahres haben die Tiere das Schilf enorm zurückgedrängt“, freut sich Daniel Elias. „Das ist wahnsinnig beeindruckend.“
Alle drei Arbeitspakete sollen – neben der Sensibilisierung der Tierhalter – vor allem eines bringen: Erkenntnisgewinn. „Wir möchten nach der Erprobung neue Argumente liefern“, erläutert Daniel Elias und bezieht sich damit vor allem auf die Frage der Wiederansiedlung von Arten. Zusätzlich plant das Team, Empfehlungen für das Weidemanagement zu entwickeln und diese als Steuerungselemente über eine Projekthomepage zugänglich zu machen.
Das Zugänglichmachen der Ergebnisse und Erfahrungen ist wesentliches Element des Projekts: In der zweiten Projektphase soll ein Beratungsangebot geschaffen werden, in dem Weidetierhalter, aber auch Behörden auf das Wissen aus der ersten Projektphase zugreifen können.
Daniel Elias hofft außerdem, dass das Projekt dann eine Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus entwickelt. Hoffnung gibt ihm die Auftaktveranstaltung: Schon hier hatten sich über hundert Menschen aus ganz Deutschland angemeldet – so viele, dass am Ende sogar der Raum neu bestuhlt werden musste, damit alle Platz hatten. In der zweiten Projektphase möchte er gemeinsam mit den Verbundpartnern nun die Öffentlichkeitsarbeit intensivieren: Mit regionalen Feldtagen und Workshops sollen Tierhalter und Behörden aus dem Projekt lernen können und in den Austausch kommen. Außerdem will das Team auch Interessierte insgesamt auf die Weidetiere und ihre Bedeutung für die Landschaft aufmerksam machen. Daniel Elias fasst zusammen: „Wir wollen die Weidetiere wieder in die Landschaft bringen!“
Im Projekt wurden bisher drei verschiedene Saatgutmischungen für feuchte, frische und trockene Standorte entwickelt. Ausgewählt wurden weidetypische Pflanzenarten, deren Bestände zurückgehen. In der Zusammenstellung der Mischung wurden Arten kombiniert, die unterschiedliche Blühzeiträume bieten (ganzjähriges Blühangebot) und auch Trockenzeiger beinhalten (Klimawandel).
Hochschule Anhalt, Abteilung Bernburg
Fachbereich 1 (LOEL)
Strenzfelder Allee 28
06406 Bernburg
daniel.elias@hs-anhalt.de
- Name: WeideVielfalt
- Laufzeit: 01.10.2023 - 30.09.2028
- Projektleitung: Prof. Dr. Sabine Tischew
- Ziel: Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung des Struktur- und Artenreichtums auf beweideten Grünlandflächen sowie Beratungsangebote
- Finanzierungsumfang: 2.688.000 €
- Finanzierung: Gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt
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