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Neue EU-Saatgutverordnung gefährdet Erhaltungsmischungen

Die EU-Kommission plant eine Umgestaltung des Saatgutrechts. Durch eine neue Verordnung sollen bestehende Regelungen abgelöst bzw. harmonisiert werden. Dieses Vorhaben ist grundsätzlich zu begrüßen, allerdings hätte der Verordnungsentwurf in der vorliegenden Form gravierende Auswirkungen auf Erhaltungsmischungen. Der VWW nimmt daher Stellung.

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Viele Insekten wie die Gelbbindige Furchenbiene sind auf artenreiche Lebensräume angewiesen.
Viele Insekten wie die Gelbbindige Furchenbiene sind auf artenreiche Lebensräume angewiesen.Julia Schenkenberger
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Im Entwurf werden unnötige bürokratische Hürden aufgebaut, die den Einsatz von Erhaltungsmischungen erschweren. Gleichzeitig sollen die Verwendung von Sorten anstelle von Wildformen sowie die Wildpflanzenvermehrung über mehrere Generationen in weit entfernten Gebieten ermöglicht werden – was dem Sinn und Zweck von Erhaltungsmischungen widerspricht. Das Thema Erhaltungsmischungen muss somit entweder aus dem Verordnungsentwurf herausgenommen und in einer eigenen Richtlinie geregelt oder vollständig überarbeitet werden.

Eigentlich dürfte die Vermehrung von Wildpflanzensaatgut gar nicht Teil der geplanten Verordnung sein. Im Vorwort des Verordnungsentwurfs wird dargelegt, welches Vermehrungsmaterial unter die Verordnung fällt. Es geht um Gattungen und Arten, die eine wesentliche Rolle für die Sicherung der Lebens- und Futtermittelerzeugung in der EU spielen. Wildpflanzensaatgut und daraus hergestellte Erhaltungsmischungen dienen aber primär der (Wieder-)Herstellung artenreicher Lebensräume und nicht der landwirtschaftlichen Produktion. Dennoch wird in Artikel 22 und Anhang V des Verordnungsentwurfs das Thema Erhaltungsmischungen behandelt.

Im Grunde handelt es sich bei Anhang V um eine extrem verkürzte und damit nicht mehr dem eigentlichen Sinn entsprechende Fassung der EU-Richtline 2010/60, über die der Umgang mit Erhaltungsmischungen bisher geregelt wurde. Vorteil der Richtline ist die Möglichkeit der Umsetzung in nationales Recht, was aufgrund der sehr unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten notwendig ist und in Deutschland über die Erhaltungsmischungsverordnung (ErMiV) erfolgt. Im Gegensatz dazu ist die geplante Verordnung unmittelbar von den Mitgliedsstaaten zu übernehmen, sodass länderspezifische Anpassungen kaum möglich sind.

Im Verordnungsentwurf heißt es unter anderem, dass Gattungen und Arten aus Teil A des Anhangs I auch als Sorten in den Mischungen enthalten sein können. Gleichzeitig müssen Arten, die in diesem Teil des Anhangs genannt werden, als Bestandteil von Erhaltungsmischungen die Anforderungen an Standardsaatgut erfüllen. Beide Aussagen sind äußerst problematisch. Ziel von Erhaltungsmischungen ist es, die regionalspezifische genetische Variation gebietseigener Wildformen zu schützen und standortgerechte Habitate wiederherzustellen. Dazu gehört auch eine breite natürliche Varianz der einzelnen Arten, z. B. in Bezug auf Dormanz, Wuchstyp und Blühzeitpunkt – also das Gegenteil der bei Sorten angestrebten Homogenität. Folglich können für beide Kategorien nicht die gleichen Qualitätskriterien zugrunde gelegt werden. Darüber hinaus birgt das Einmischen von Sorten das Risiko einer genetischen Verarmung und verminderten Anpassungsfähigkeit. Zudem sind insbesondere Gräser und Leguminosen als Sorten häufig sehr wüchsig, sodass sie schnell dominant werden und die Etablierung stabiler, artenreicher Pflanzenbestände verhindern können. In Erhaltungsmischungen sollten generell keine Sorten zum Einsatz kommen. Für Wildpflanzensaatgut und Saatgut zugelassener Sorten für die Lebens- und Futtermittelproduktion müssen unterschiedliche Qualitätskriterien festgelegt werden.

Die in Erhaltungsmischungen verwendeten Arten sollen laut Verordnungsentwurf charakteristisch für den Habitattyp des Quellgebietes sein und sich dazu eignen, diesen wiederherzustellen. Diese Aussage ist in zweifacher Hinsicht problematisch: Erstens gibt es nicht „den Habitattyp“ eines Quellgebietes, sondern ein Quellgebiet umfasst i. d. R. mehrere Habitattypen. Zweitens kommen viele Pflanzenarten natürlicherweise in mehreren Habitattypen vor. Einzelarten können daher an verschiedenen Entnahmeorten in unterschiedlichen Habitattypen gesammelt, getrennt vermehrt und dann den Zielvorgaben entsprechend gemischt werden. Ziel einer Erhaltungsmischung sollte nicht die Kopie des Bestandes am Entnahmeort sein, sondern eine optimale Renaturierung der Zielfläche.

Generell ist die Definition der Gebietskulisse für Gewinnung, Vermehrung und Inverkehrbringen von Wildpflanzensaatgut im Verordnungsentwurf unzureichend. Bisher wurde zwischen Quellgebiet, Entnahmeort und Ursprungsgebiet unterschieden. Im Verordnungsentwurf gibt es nur noch den Begriff Quellgebiet, der aber unterschiedlich verwendet wird. In der ErMiV wird der Produktionsraum als eine weitere Kategorie der Gebietskulisse eingeführt. Dieser soll sicherstellen, dass die Vermehrung nicht zu weit vom Ursprungsgebiet entfernt stattfindet. Der Verordnungsentwurf sieht eine vergleichbare Kategorie nicht vor. Stattdessen heißt es in Anhang V Punkt 5 (b), dass Erhaltungsmischungen außerhalb des Quellgebietes als Einzelarten bis zu fünf Generationen lang vermehrt werden. Diese Aussage legt nahe, dass zukünftig Arten, die für Erhaltungsmischungen bestimmt sind, einem Quellgebiet entnommen und überall innerhalb der EU vermehrt werden dürfen. Die Vermehrung über fünf Generationen in weit entfernten Gegenden birgt ein hohes Risiko von Kreuzungen mit am Vermehrungsort vorkommenden verwandten Arten bzw. anderen Populationen der gleichen Art und einer Adaption an veränderte Standortbedingungen, sodass das auf diese Art gewonnene Saatgut für Renaturierungszwecke im Quell- beziehungsweise Ursprungsgebiet ungeeignet sein kann.

Des Weiteren wird verlangt, dass für jede Erhaltungsmischung bereits vor der Herstellung Menge und Zusammensetzung beantragt sowie genaue Angaben zu Entnahme- und Vermehrungsorten der Komponenten vorgelegt werden. Diese Vorgaben sind in der Praxis nicht umsetzbar. Jährlich werden hunderte unterschiedlicher Erhaltungsmischungen individuell und kurzfristig für projektspezifische Maßnahmen zusammengestellt. Jede einzelne davon im Voraus zu genehmigen übersteigt die Kapazitäten der zuständigen Behörden. Werden Anträge nicht rechtzeitig bearbeitet, so können naturschutzfachlich wichtige Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Es ist zwar sinnvoll, Sammelgenehmigungen für bestimmt Gebiete und Zeiträume zu beantragen, aber der exakte Ort und Zeitpunkt der Entnahme lassen sich in der Regel nicht vorhersagen. Solche Daten sollten der zuständigen Behörde gegebenenfalls im Nachhinein mitgeteilt werden.

Aufgrund der unterschiedlichen Einsatzgebiete und Qualitätskriterien von Wildpflanzensaatgut für Erhaltungsmischungen und Sorten für die Lebens- und Futtermittelerzeugung sowie der unterschiedlichen Bedingungen in den Mitgliedsstaaten ist es notwendig, das Thema Erhaltungsmischungen weiterhin in einer eigenen Richtlinie zu behandeln und nicht in die geplante EU-Verordnung einzugliedern. Sollte dies nicht möglich sein, so sind Änderungen am Verordnungsentwurf in folgenden Punkten besonders wichtig:

Sorten dürfen nicht Teil von Erhaltungsmischungen werden.

Für Wildformen und Sorten können nicht die gleichen Qualitätskriterien angelegt werden.

Wildpflanzensaatgut darf nicht in weit entfernten Regionen vermehrt und wieder im Ursprungsgebiet ausgebracht werden.

Die Zusammensetzung von Erhaltungsmischungen muss sich an der Zielfläche und nicht am Habitattyp des Entnahmeortes orientieren.

Es müssen klare Definitionen für Quell- und Ursprungsgebiete ausgearbeitet und zusätzlich den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden, Produktionsräume für die Vermehrung festzulegen.

Die Genehmigungspflicht für jede einzelne Erhaltungsmischung muss abgewendet werden.

Dieser Text ist eine gekürzte Fassung der offiziellen Stellungnahme des VWW e. V., den vollständigen Text finden Sie unter Webcode NuL4196.

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