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VERTRAGSNATURSCHUTZ

Vereinbarung von Agrarumweltmaßnahmen

Die Rubrik „Naturschutz- und Planungsrecht“ behandelt praxisrelevante Rechtsgrundlagen und berichtet über Entwicklungen aus Rechtsprechung und Gesetzgebung.
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 Artenreiches Dauergrünland auf der Schwäbischen Alb
Artenreiches Dauergrünland auf der Schwäbischen Alb Julia Schenkenberger
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Das Instrument des Vertragsnaturschutzes meint primär die Vereinbarung und Förderung von freiwilligen Naturschutzmaßnahmen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Der Schwerpunkt des Vertragsnaturschutzes liegt seit jeher darin, die Bewirtschaftung von Flächen zu extensivieren, zum Beispiel durch den Verzicht auf den Einsatz von Düngemitteln, beziehungsweise darin eine biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung auf Grenzertragsstandorten aufrechtzuerhalten. Anders als der Begriff „Vertragsnaturschutz“ vermuten lässt, handelt es sich bei diesem Instrument häufig nicht um Verträge zwischen einem Grundstückseigentümer und Landnutzer, etwa einem Landpachtvertrag, der eine umweltschonende Bewirtschaftung beinhaltet. Die Vereinbarung von Naturschutzmaßnahmen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen vollzieht sich meist über einen Antrag auf finanzielle Förderung des Landwirts und einen daraufhin ergehenden hoheitlichen Subventionsbescheid der Landwirtschaftsbehörde, also einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG.

Zur Finanzierung des Vertragsnaturschutzes gibt es Förderprogramme. Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) handelt es um ein Agrarförderprogramm zur Einkommensunterstützung landwirtschaftlicher Betriebe. Über 6 Mrd. € flossen in der auslaufendenden Förderperiode jährlich nach Deutschland. Die Förderleitlinien der GAP werden alle sieben Jahre neu beschlossen. Am 06. Dezember 2021 wurden die drei europäischen GAP-Verordnungen für Agrarsubventionen in der Förderperiode bis 2027 im Amtsblatt der EU (Abl. L 435) veröffentlicht.

1. Obligatorische Maßnahmen

Diese Subventionierung basiert auf zwei Säulen. Bei der ersten Säule handelt sich vor allem um flächengebundene Direktbeihilfen an Höfe, die je Hektar landwirtschaftlicher Fläche gewährt werden. Diese Direktzahlungen sind an die Erfüllung bestimmter Mindeststandards in den Bereichen Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz geknüpft (sog. „Cross Compliance“). Zusätzlich zur Basisprämie werden im Rahmen der Direktbeihilfen der ersten Säule Zuschüsse für bestimmte Umweltleistungen gewährt. Dieses sogenannte „Greening“ erstreckt sich auf den Erhalt von Dauergrünlandflächen, die Vielfalt beim Anbau von Kulturen auf Ackerflächen sowie die Bereitstellung ökologischer Vorrangflächen auf kleinen Bereichen des Ackerlands (z.B. Terrassen, Pufferstreifen, Hecken oder Baumreihen). Die Direktzahlungen aus der ersten Säule machen den Großteil der Subventionierung und laut BMEL durchschnittlich rund 40 % des Einkommens der landwirtschaftlichen Betriebe aus. Von der Landwirtschaftsbehörde festgestellte Verstöße gegen die Cross Compliance oder das Greening führen zu einer Kürzung der Direktzahlung im Bewilligungsbescheid am Ende eines Verpflichtungsjahres.

2. Freiwillige Maßnahmen

Die zweite Säule der GAP umfasst gezielte Förderprogramme für die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums sowie eine umwelt- und klimaschonende Landbewirtschaftung (sog. ELER-Förderung). Die zweite Säule ist für die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen ein entscheidendes Instrument. Beispielsweise ist der Erhalt von extensiv genutztem Grünland beziehungsweise das Verhindern des Umbruchs in Ackerland für den Artenschutz wichtig. 50 % aller Rote-Liste-Arten sind auf extensiv bis höchstens halbintensiv genutzte Offenlandbiotope angewiesen (Schumacher, Was will der Naturschutz, 2000). Die freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen werden durch Förderprogramme der Bundesländer kofinanziert.

3. Bedeutung der Unterscheidung für die Eingriffsregelung

Nach § 14 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG gilt die Wiederaufnahme einer landwirtschaftlichen Bodennutzung nicht als Eingriff, wenn sie aufgrund vertraglicher Vereinbarungen oder der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung zeitweise eingeschränkt oder unterbrochen war (sog. Landwirtschaftsprivileg).

Entgegen ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift laut dem Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht die Teilnahme an jedwedem öffentlichen Programm zur Bewirtschaftungsbeschränkung (BVerwG, Urteil vom 13.06.2019, Az. 4 C 4.18, Rn. 23-25). Das Tatbestandsmerkmal bedürfe einer einschränkenden Auslegung aufgrund der Zwecksetzung der Norm, denn der Gesetzgeber wollte mit der Regelung die Vorschriften über die Wiederaufnahme von Nutzungen nach einer Beschränkung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen ergänzen (BT-Drs. 14/6878, S. 11). Um einen Gleichklang mit dem Vertragsnaturschutz zu erreichen, reiche es nicht aus, dass eine Stilllegung auch dem Schutz von Natur und Landschaft dient. Das Bewirtschaftungsprogramm müsse vielmehr die Ziele des Naturschutzes vorrangig verfolgen und dürfe allenfalls nachgeordnet der Marktordnung dienen.

Bezogen auf den der Entscheidung zugrundeliegenden Einzelfall, der den Umbruch von Grünland in eine Ackerfläche zum Gegenstand hatte bzw. die daraufhin ergangene naturschutzbehördliche Wiederherstellungsanordnung, führt das BVerwG (a.a.O. Rn. 26-27) im Wortlaut aus:

„Der Senat entnimmt aber der vom Kläger gewählten Bezeichnung als obligatorische Flächenstilllegung, dass die Stilllegung als Voraussetzung für Direktbeihilfen der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik erfolgte. … Die Vorschriften schufen ein beihilferechtliches Sanktionssystem, um anderweitig geregelte Anforderungen zu Gunsten von Natur und Landschaft durchzusetzen. Die Verordnung (EG) 1782/2003 diente damit zwar auch dem Schutz von Natur und Landschaft, verfolgte diesen Zweck aber nicht vorrangig. Dies genügt für § 14 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG nicht. Auch der Umstand, dass die stillgelegten Flächen nach Art. 56 Abs. 1 VO (EG) 1782/2003 in gutem landwirtschaftlichen ökologischen Zustand zu erhalten waren, führt nicht zur Einbeziehung in § 14 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG. Denn auch diese Pflicht ließ das vorrangige verfolgte Ziel der Marktordnung unberührt.“

Die Unterscheidung zwischen der ersten und zweiten Säule ist daher für die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung von praktischer Relevanz. Agrarumweltmaßnahmen der ersten Säule unterfallen nicht dem Landwirtschaftsprivileg.

Autoren

Rechtsanwälte Andreas Lukas und Dr. Jessica Schröter von der auf öffentliches Bau- und Umweltrecht spezialisierten Kanzlei Jeromin I Kerkmann mit Sitz in Andernach. Anregungen senden Sie gerne an Rechtsfachwirtin Laura Klaes ( klaes@jeromin-kerkmann.de ).
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