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Schmitz' Sternstunden

Ein Vollpfosten macht noch keinen Zaun

Zäune sind in der Welt des Umweltbaubegleiters ein wichtiges Requisit. Sie schützen Biotope und Bäume, Amphibien- oder Reptilienhabitate vor Eingriffen oder Zerstörung infolge von Bautätigkeit.

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Bei meiner Arbeit kontrolliere ich viele Zäune: große, kleine, lange, kurze. Und genauso unterschiedlich wie die Zäune sind auch die Menschen, die diese aufstellen und pflegen – und somit in den Genuss kommen, auch von mir kontrolliert zu werden. Eines Tages habe ich dabei das Vergnügen, einen recht eigensinnigen älteren Herrn – Herrn Sechziger – kennenzulernen. In seiner Eigenschaft als Mitarbeiter des Pflegetrupps gebührt ihm die Aufgabe, die Funktion des erforderlichen Reptilienschutzzauns zu gewährleisten.

Die Fläche, in der der Zaun aufgestellt wird, ist stark bewachsen, so muss regelmäßig und sorgfältig gemäht werden – ohne den Zaun zu beschädigen. Wichtig ist dabei ein etwa 50 cm breiter beidseitiger Streifen entlang des Zaunes, damit die Tiere an überhängenden Pflanzen nicht in die Gefahrenzone zurückklettern können. Die hier lebenden Zauneidechsen werden von mir auf die sichere Seite des Zaunes – also weg von der Baustelle – getragen. Dafür werde ich regelmäßig das Gelände, wie auch bei anderen Baustellen bereits der Fall, absuchen und den Zaun kontrollieren.

Bei der Einweisung zum Aufstellen des Zaunes habe ich das erste Mal Kontakt mit Herrn Sechziger und mit seinem Freischneider, der ihm am Arm festgewachsen zu sein scheint. Ich erkläre ihm die oben erwähnten wesentlichen Punkte, da fällt er mir schon nach zwei Sätzen genervt und mit nach oben rollenden Augen ins Wort: „Junge Frau, was denken Sie, wie lange ich meine Arbeit schon mache. Das hier ist nicht das erste Mal. Soweit kommt es noch, dass ich mir von einer studierten ... Frau“ – er spuckt das Wort regelrecht aus – „erklären lassen muss, wie ich ein Stück Wiese zu mähen habe.“ Ich stocke, aber heute bin ich nicht auf Krawall gebürstet –, so lasse ich es erst mal darauf beruhen.

Als ich nach einigen Wochen allerdings die erste Mahd kontrolliere, ist in regelmäßigen Abständen in etwa 10 cm Höhe der Zaun eingeschnitten. Ich merke, wie sich mein Puls erhöht, schicke dem Projektleiter entsprechende Fotos und bitte höflich, in Zukunft vorsichtiger zu sein, denn sonst können wir uns die ganze Arbeit sparen. Um den Zaun schnell zu retten, nehme ich Kabelbinder und flicke den Zaun aus Gewebestoff zusammen. Die Fläche bietet einige Eidechsen zum Abfangen und ich verlasse nach einem erfolgreichen Tag die Baustelle.

Allerdings muss ich feststellen, dass beim nächsten Termin der Zaun wieder zerschnitten ist. Ich bitte den Projektleiter daher zu einem Vor-Ort-Termin. Offensichtlich hört er die Dringlichkeit der Lage aus meiner Stimme („Ich kann die Baustelle auch dicht machen!“) und schlägt mit Herrn Sechziger kurz später auf der Baustelle auf.

Letzterer hat einen roten Kopf, er fühlt sich zu Unrecht gemaßregelt, noch dazu „von einer studierten Frau“ und tut seinen Unmut darüber lautstark kund. Als ich ihm die Schnitte im Zaun zeige, tobt er: „Was soll das? Als ob durch die kleinen Schlitze so ein Viech abhaut!“

Und da – believe it or not – steckt just in diesem Moment eine kleine Eidechse den Kopf durch das Loch im Zaun und schlüpft vor unseren Augen auf die andere Seite. Der Kiefer von Herrn Sechziger klappt auf und wieder zu. Er schluckt, sieht mich an, ich zucke mit den Schultern und grinse: „Sicherlich hat die Eidechse studiert. Eine studierte Eidechsenfrau!“

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