Bau(m)gefühle
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Auf einer Baustelle, die ich zu betreuen hatte, steht am Rand ein schöner Altbestand von Ahorn und Eiche. Auf der anderen Seite steht ein sehr uneinsichtiger Bauleiter, Herr Wurzelsepp. Ich weise ab dem ersten Vor-Ort-Termin darauf hin, dass der Wurzelbereich der Bäume freizuhalten ist und erkläre den Arbeitern die Hintergründe.
Im Landschaftspflegerischen Begleitplan wurde auf Vegetationszäune zum Schutz der Bäume verzichtet, da die eigentliche Lagerfläche auf der anderen Seite der Baustelle liegt. Natürlich ist der Platz unter den Bäumen näher am Baugeschehen und somit auch für die Bauarbeiter zum Abstellen attraktiver. Auf meinen Vorschlag, doch Zäune anzubringen, damit die Arbeiter nicht die von mir gesetzte Tabuzone „vergessen“, beruft sich Herr Wurzelsepp regelmäßig auf die im Plan beschriebenen Maßnahmen.
Ich kontrolliere die Flächen regelmäßig einmal in der Woche. Und jede Woche bietet sich mir das gleiche Bild: Material, Maschinen oder ähnliches liegt im Kronenbereich, was die Herren mit einigen Murren auf meine Anweisung hin entfernen. Nicht ohne Diskussion natürlich. Doch dieses Mal, an diesem wunderschönen Tag im Mai, verliere ich die Contenance. Mein Glück will es, dass der Bauleiter der Baustelle an diesem Tag im Besprechungscontainer auf Schlappen umsteigt, da er sich am Wochenende beim Wandern eine Blase gelaufen hat. Ich allerdings trage meine Sicherheitsschuhe. Sein Pech.
Herr Wurzelsepp und ich sind grade bei unserem „Lieblingsthema“ angekommen und er grinst: „Wir können uns die Diskussionen doch sparen, da wird immer wieder was hingestellt. Schauen Sie einfach darüber hinweg.“
Ich merke, wie ich wütend werde, trete ganz nah an den Herrn – seine Blase am großen Zeh leuchtet mir entgegen – und setze noch einen Fuß nach vorn. Kräftig. Er schaut mich an, seine Augen weiten sich. „Herr Wurzelsepp, ich sage es ihnen jetzt zum allerletzten Mal, es schadet den Bäumen sehr, wenn das Gewicht von ihren Materialien oder Baumaschinen auf den Wurzeln lastet. Wir haben auf der anderen Seite eine große Fläche als Lagerfläche ausgewiesen. Nutzen Sie diese, auch wenn Sie zwei Minuten länger fahren müssen.“ Tränen steigen ihm langsam in die Augen. Er beißt die Zähne zusammen, sagt aber nichts.
„Haben Sie mich endlich verstanden?“, will ich wissen. Er nickt tonlos. Ich trete einen Schritt zurück. „Oh, Verzeihung, stand ich etwa auf Ihrem Fuß? Das habe ich gar nicht gemerkt.“
Da öffnet sich die Tür des Containers, ein Kollege kommt rein, schaut Herrn Wurzelsepp an und fragt: „Jürgen, hast du geweint?“
„Äh, nein, müssen die Pollen sein. Ach, Klaus, bitte achtet wirklich in Zukunft strengstens darauf, nichts mehr unter den Bäumen zu lagern, die haben schließlich auch Gefühle.“
- User_NTA3MDU 03.09.2021 08:45Das es so gelaufen ist, kann ich mir beim allerbesten Willen nicht vorstellen. Das kommt in Romanen ganz gut, aber so dicht wird wohl niemand in Zeiten von Corona auf einen Bauleiter zutreten. C. Feldhaus (Landschaftsplanerin)Antworten
- User_MTQ4MTk0OQ 03.09.2021 08:55Sehr geehrte Frau Feldhaus, wir können den Wahrheitsgehalt der Anekdoten aus dem Arbeitsleben unserer Kolumnistin Frau Schmitz nicht überprüfen. Ihre Geschichten beinhalten immer einen wahren Kern, allerdings ist es ihr in der Stilform "Kolumne" natürlich auch gestattet, die Gegebenheiten überspitzt darzustellen. Frau Schmitz' und unser Ziel ist es, mit einem Augenzwinkern auf die Besonderheiten in der Interaktion zwischen Naturschutz und praktischer Umsetzung aufmerksam zu machen. :) Herzliche Grüße, Julia Schenkenberger verantwortliche RedakteurinAntworten
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