Was bringen die neuen Regelungen zum Insektenschutz?
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Auch wenn das „Insektensterben“ erst in den letzten Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit geraten ist, handelt es sich um kein neues Phänomen. Vielmehr lässt sich sowohl der Rückgang der Artenvielfalt als auch das Schwinden der Gesamtmenge an Insekten in Deutschland bereits seit Jahrzehnten beobachten. Erst die öffentliche Aufmerksamkeit führte jedoch dazu, dass sich auch die Landes- und Bundespolitik zum Handeln veranlasst sah. So beschloss das Bundeskabinett im September 2019 das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ ( NuL4733 ). Erklärtes Ziel des Programms ist es, das Insektensterben umfassend zu bekämpfen und eine Trendumkehr beim Rückgang der Insekten und ihrer Artenvielfalt herbeizuführen. Erreichbar ist dieses Ziel jedoch nur, wenn den Ursachen des Insektenrückgangs konsequent entgegengewirkt wird. Folgerichtig benennt auch das Aktionsprogramm die Hauptgründe für das Insektensterben und richtet seine Handlungsfelder daran aus. So wird ausgeführt, dass „die zentralen Ursachen im Verlust und der qualitativen Verschlechterung von Insektenlebensräumen, dem Verlust der Strukturvielfalt mit einer Vielzahl an Wildpflanzen, einem Management von Naturschutzgebieten, das zum Teil die Bedürfnisse von Insekten unzureichend berücksichtigt, der Anwendung von Pestiziden (Pflanzenschutzmittel und Biozide), dem Eintrag von Nähr- und Schadstoffen in Böden und Gewässer sowie der Lichtverschmutzung“ liegen.
Um den rechtlichen Rahmen für die notwendigen Maßnahmen zum Insektenschutz zu schaffen, haben Bundestag und Bundesrat am 25. Juni dem sog. Insektenschutzgesetz („Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland und zur Änderung weiterer Vorschriften“) zugestimmt. Mit diesem Artikelgesetz wird insbesondere das Bundesnaturschutzgesetz geändert (sowie das Pflanzenschutzgesetz und das Ausgleichsleistungsgesetz). Zugleich billigte der Bundesrat auch die geänderte Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung.
Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
Im Bundesnaturschutzgesetz werden zahlreiche Änderungen vorgenommen, von denen einige auf die Eindämmung des Insektensterbens zielen. Von besonderer Bedeutung für den Insektenschutz sind die Ergänzung der Liste der nach Bundesrecht gesetzlich geschützten Biotope in § 30 BNatSchG, der neue § 30a BNatSchG zur Ausbringung bestimmter Biozidprodukte in Schutzgebieten sowie die Regelungen zur Vermeidung von Lichtverschmutzung in § 41a BNatSchG und in verschiedenen Schutzgebietsparagrafen.
Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BNatSchG werden nun auch die FFH-Lebensraumtypen der mageren Flachland-Mähwiesen und der Berg-Mähwiesen sowie die in der aktuellen Roten Liste gefährdeter Biotoptypen als „stark gefährdet“ bis „von vollständiger Vernichtung bedroht“ (Kat. 1-2) eingestuften Streuobstwiesen, Steinriegel und Trockenmauern zu gesetzlich geschützten Biotopen erklärt. Diese Biotoptypen stellen wichtige Lebensräume für Insekten (und für zahlreiche andere Tier- und Pflanzenarten) dar; sie unterfallen nun einem unmittelbaren gesetzlichen Schutz. Dies umfasst auch das Verbot von Handlungen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen Beeinträchtigung führen können. Inwieweit dieser Schutz vor Beeinträchtigungen bei stickstofflimitierten § 30-Biotopen gewährleistet werden kann, erscheint allerdings angesichts eines in der neuen TA Luft enthaltenen pauschalen Abschneidekriteriums für vorhabenbedingte Stickstoff-Zusatzbelastungen zumindest fraglich. Zu befürchten ist, dass es trotz des gesetzlichen Schutzes zu einer schleichenden qualitativen Verschlechterung der Lebensräume von stickstoffempfindlichen Insektenarten kommt. Für einige Arten wie zum Beispiel den Goldenen Scheckenfalter (Euphydryas aurinia ) können bereits geringe, kaum sichtbare Vegetationsveränderungen zum Verlust der Habitateignung führen.
Der neue § 30a BNatSchG verbietet den flächigen Einsatz von in Anhang V der Biozid-Verordnung genannten Insektiziden und Produkten gegen andere Arthropoden (Produktart 18) als Schädlingsbekämpfungsmittel und das Auftragen von Holzschutzmitteln (Produktart 8) durch Spritzen oder Sprühen außerhalb geschlossener Räume in Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten, Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten, Naturdenkmälern sowie in gesetzlich geschützten Biotopen. Die Erteilung von Ausnahmen zum Beispiel zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners oder von Stechmücken ist möglich. Pflanzenschutzmittel sind von § 30a BNatSchG nicht umfasst (sie fallen in den Regelungsbereich der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, siehe unten). Insgesamt ist der Anwendungsbereich der Vorschrift sehr beschränkt und kann daher nur punktuell zum Schutz von Insekten beitragen.
Der neue § 41a BNatSchG soll maßgeblich zur Eindämmung der Lichtverschmutzung und ihrer nachteiligen Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen beitragen. Sowohl bei der Neuerrichtung als auch bei einer wesentlichen Änderung von Beleuchtungen an Straßen und Wegen, Außenbeleuchtungen baulicher Anlagen und Grundstücke sowie von beleuchteten oder lichtemittierenden Werbeanlagen besteht zukünftig die Pflicht, negative Auswirkungen von Lichtemissionen zu vermeiden. Bestehende Beleuchtungen an öffentlichen Straßen und Wegen sind um- oder nachzurüsten. Bevor die Regelungen des § 41a allerdings in Kraft treten und angewendet werden können, müssen durch eine Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 4d BNatSchG nähere Vorgaben (zum Beispiel zu Grenzwerten für zulässige Lichtemissionen oder zur Um- und Nachrüstungspflicht) festgelegt werden. Auch für die Einschränkung oder ein Verbot des Einsatzes von Insektenfallen außerhalb geschlossener Räume und des Betriebs von Himmelsstrahlern unter freiem Himmel trifft das Bundesnaturschutzgesetz keine unmittelbare Regelung, sondern sieht hierzu den Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 6a und 6b BNatSchG vor. Die Verbote der §§ 23-25 BNatSchG, die in Naturschutzgebieten, Nationalparken sowie in Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten die Neuerrichtung von Beleuchtungen an Straßen und Wegen sowie von beleuchteten oder lichtemittierenden Werbeanlagen untersagen, kommen hingegen sofort zum Tragen.
Einige weitere Änderungen des BNatSchG können sich mittelbar auf den Insektenschutz auswirken, so etwa die gesetzliche Verankerung des „Natur auf Zeit“-Konzepts, die Fortschreibungspflichten bei Landschaftsplanwerken oder die Möglichkeit der Länder, mit freiwilligen Vereinbarungen/Vertragsnaturschutz den Erhalt der Biodiversität auch finanziell zu fördern.
Änderungen der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung
Ein Ziel der geänderten Verordnung ist es, den Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel zu verringern. Im Haus- und Kleingartenbereich und auf Flächen, die von der Allgemeinheit genutzt werden, dürfen diese Mittel zukünftig nur eingesetzt werden, wenn für sie noch eine bestandskräftige Zulassung vorliegt (Anlage 3 Abschnitt A Nr. 4 und 5 PflSchAnwV). Mit dem neuen § 3b PflSchAnwV soll der Glyphosateinsatz auf landwirtschaftlich genutzten Flächen eingeschränkt werden, indem die Anwendung nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt wird, zum Beispiel wenn eine mechanische Bodenbearbeitung oder andere vorbeugende Maßnahmen nicht durchführbar oder nicht zumutbar sind. Auch bei der Vorsaatbehandlung und Stoppelbehandlung sowie bei der Erneuerung von Grünland wird der Glyphosateinsatz an das Vorliegen einer entsprechenden Notwendigkeit geknüpft. Eine Spätanwendung vor der Ernte, die Anwendung in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten sowie in Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten ist nicht zulässig.
In Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und gesetzlich geschützten Biotopen wird durch die Neufassung von § 4 PflSchAnwV in Abs. 1 nun die bestehende Anwendungsbeschränkung (für Stoffe aus Anlage 2 oder 3 der Verordnung) auf Herbizide sowie bienengefährliche (B1-B3) und bestäubergefährliche (NN410) Insektizide ausgedehnt. Die Verbote gelten auch in FFH-Gebieten, allerdings de facto nur für Grünland, auf denen diese Pflanzenschutzmittel jedoch schon bisher kaum eingesetzt werden. Flächen zum Gartenbau, Obst- und Weinbau, zum Anbau von Hopfen beziehungsweise sonstiger Sonderkulturen, zur Saat- und Pflanzgutvermehrung oder Ackerflächen fallen hingegen – ebenso wie Vogelschutzgebiete – nicht unter diese Regelung. Bei in FFH-Gebieten gelegenen Ackerflächen soll ein Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden durch freiwillige Vereinbarungen erreicht werden. Weitergehende Landesregelungen zum Pflanzenschutzmitteleinsatz einschließlich Ausnahmen und Befreiungen bleiben unberührt.
Der neu aufgenommene § 4a PflSchAnwV legt einen Mindestabstand von zehn Metern für die die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln entlang von Gewässern fest, der sich im Falle einer dauerhaften Begrünung auf einen Streifen von fünf Meter Breite reduziert. Abweichende Länderregelungen bleiben dabei unberührt. Für kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung gilt die Bestimmung nicht.
In § 9 PflSchAnwV wird ein generelles Anwendungsverbot für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel ab dem 1. Januar 2024 aufgenommen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die derzeitige EU-weite Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat im Dezember 2022 ausläuft und Ende 2023 die einjährige Abverkaufsfrist endet. In der Verordnungsbegründung wird jedoch bereits darauf hingewiesen, dass derzeit ein Verfahren zur Erneuerung der Wirkstoffgenehmigung läuft und dass daher das Datum des vollständigen Anwendungsverbots gegebenenfalls anzupassen ist.
Fazit
Mit den jetzt getroffenen Regelungen wird noch kein ausreichender Insektenschutz erreicht. Hierzu wäre neben einer weiteren Reduktion des Pestizideinsatzes insbesondere auch die Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzflächen und die gezielte Neuschaffung von Insektenlebensräumen (wie Brachen, Feldraine, blüten- und kräuterreiche Säume, Hecken und andere Kleinstrukturen) erforderlich.
Autoren
Ass. jur. Jochen Schumacher und Dipl.-Biol. Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.
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