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Schmitz' Sternstunden

Baufreundschaften

Meistens ist es so, dass ich in meiner Eigenschaft als Umweltbaubegleiterin eher ungern auf der Baustelle gesehen werde. Aus Sicht der ausführenden Baufirma verständlich, befürchtet sie Verzögerungen im Bauablauf. Die Beteiligten einer Baustelle bleiben mir jedoch immer in wunderbarer Erinnerung.
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Wieder handelt es sich um eine Eisenbahnüberführung, die erneuert werden muss. Die am Bau Beteiligten (Polier, technischer Bauüberwacher und ich, gelegentlich auch Projektleiterin und Bauleiter) treffen sich regelmäßig zur Baubesprechung vor Ort.

Im Vorlauf stellt uns die Baustelle immer wieder vor Herausforderungen – nicht immer von der Baufirma verursacht. Vor Baubeginn steht noch ein paar Quadratmeter großes Schlehengebüsch im Weg – natürlich wurde der Zeitpunkt zum Roden verpasst, es ist Mitte März (also innerhalb der Vogelschutzzeit), und der Bauleiter witzelt „Ach, Frau Schmitz, das haben Sie nicht gesehen und ich lasse es am Wochenende schnell abschneiden.“ Wir lachen beide, dann lacht nur noch er. Mein Blick wird ernst. „Nein.“ Jetzt lacht auch er nicht mehr. Eine kurze Rücksprache mit der unteren Naturschutzbehörde verschafft dem Bauleiter ein reines Gewissen und sein Lächeln zurück: Das Gebüsch darf nach Begutachtung weichen.

Ein anderes Mal komme ich auf die Baustelle und treffe auf einen aufgeregten Polier. Am Morgen hat ein Bienenschwarm den Bagger besetzt, die Männer haben Angst weiterzuarbeiten. Auch hier kann ich helfen: Ein kurzes Nachfragen bei einem Bauern bringt uns den Kontakt zu einem Imker, der auf der Suche nach seinem geflüchteten Schwarm ist. Kurze Zeit später ist der Spuk vorbei.

Solche Begebenheiten können beim Bauablauf zusammenschweißen: Es entwickelt sich fast sowas wie eine Freundschaft, auch wenn wir immer beim „Sie“ geblieben sind. Doch jedes Mal, wenn ich auf die Baustelle komme, empfängt mich der Polier mit frischem Kaffee, der etwas gesetztere technische Bauüberwacher hält mir – ganz Gentleman der alten Schule – die Tür vom Baucontainer auf und ich bringe Kekse zur abschließenden gemeinsamen Pause nach der Besprechung mit.

Leider führen verschiedene Umstände dazu, dass ich die Baustelle nicht bis zum Ende begleiten kann. Am Tag, als ich den beiden Herren sage, dass dies meine letzte Begehung wird, fällt dem Polier die Kinnlade runter. Mit den Worten „Den ganzen Tag habe ich noch nicht geraucht, jetzt brauch ich eine, und Sie sind schuld!“, steckt er sich eine Zigarette an. Auch ich bin traurig, als ich später die Baustelle zum letzten Mal verlasse.

Einige Monate später – es ist bereits November – erhalte ich auf meinem Smartphone ein Bild der fertigen Eisenbahnüberführung und eine Whatsapp vom Polier: „Verschub der Brücke lief gut, pünktlich fertig geworden, Eidechsen schlafen schon, zumindest hat sich keine beschwert!“

Mit einem Schmunzeln bedanke ich mich für die Information und denke mir: Bei all den wichtigen Baugesprächen und Entscheidungen auf der Baustelle mit so vielen unterschiedlichen Menschen und Einstellungen ist es doch schön und wichtig, dass das Zwischenmenschliche nicht zu kurz kommt.

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