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Autobiographische Entwicklungsgeschichte

Bilanz der Landwirtschaft in Deutschland

Die studierte Germanistin und Politikwissenschaftlerin Uta Ruge hat mit ihrem neuen Buch „Bauern, Land“ eine schonungslose Bilanz der aktuellen Situation der Landwirtschaft in Deutschland vorgelegt. Es geht ein wenig um den Wolf oder hohe Nitratgehalte des Grundwassers, aber überhaupt nicht um Insektensterben, sondern um alltägliche Nöte und Sorgen einer Landwirtsfamilie in dem zugegebenermaßen extremen Lebensraum Moor in Nordwestdeutschland.
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So wird die Entwässerung und Besiedlung des Landschaftsraumes seit über 200 Jahren ebenso beschrieben wie die Eingriffe der Bürokratie, aber auch Auswanderung und Armut. Auch die Entwicklung der Dorfschule wird dargestellt, der Jahresablauf mit typischen Tätigkeiten, Zeiten der Ernte und Schlachtungen sowie Feste und Feierlichkeiten.

Die Autorin beginnt ihre autobiographische Darstellung in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts (zu dem Zeitpunkt hat ihre Familie die Insel Rügen und somit auch die DDR verlassen) und endet im Heute. Bemerkenswert ist ihre Fähigkeit, die Entwicklungsgeschichte eines sehr kleinen Dorfes mit wenigen hundert Einwohnern in Bezug zur Weltgeschichte zu stellen. Am Beginn der Moorkultivierung Ende des 18. Jahrhunderts residierte der zuständige Monarch in England, und so wurden sämtliche Protokolle der örtlichen Moorkonferenzen per Postkutsche ins Archiv nach London transportiert. Gleichzeitig wurde aus dem Celler Arzt Albrecht Thaer der wichtigste Landwirtschaftswissenschaftler seiner Zeit.

Es macht sehr viel Freude, diese spannend dargelegten Parallelen nachzulesen und noch einmal intensiv zu reflektieren. Ganz stark sind auch die Kapitel über das heutige Tagwerk eines Moorbauern mit Milchviehwirtschaft. Ausführlich beschreibt die Autorin den Besuch eines Kontrolleurs der Milchgenossenschaft und welche Nachweise und Zertifizierungen über Herkünfte zum Beispiel von zugekauften Futtermitteln erbracht werden müssen. Nachdem man das verinnerlicht hat, weiß man mit Sicherheit, das man im nächsten Leben kein Milchbauer werden möchte. Dass es überhaupt noch Menschen gibt, die sich solchen Herausforderungen stellen und mit Erfolg bewältigen, verdient die Hochachtung aller nicht selbst Beteiligten. Ob biologische Landwirtschaft wirklich eine bessere Alternative ist, bleibt zukünftig zu untersuchen.

Bei aller berechtigten Kritik an den Umweltfolgen vor allem der konventionellen (Industrie-)Landwirtschaft darf die oft hoffnungslose (vor allem finanzielle) Situation vieler Höfe nicht außer Acht gelassen werden. Eine Untersuchung der französischen Gesundheitsbehörde hat herausgefunden, dass sich in Frankreich jeden zweiten Tag ein Landwirt das Leben nimmt. Männer im Alter zwischen 45 und 54 sind am häufigsten betroffen. Eine Untersuchung aus der Schweiz ergab eine um 37% höhere Selbstmordrate bei Landwirten im Vergleich zu anderen Berufstätigen. Vergleichbare Entwicklungen werden auch in den USA beobachtet (Steffen Pfründ: Allein auf dem Feld, WaS, 28.02.2021, S. 30). In Deutschland werden Suiziddaten nicht veröffentlicht. Konzepte für Besserungen der Landwirtschaft in der Zukunft existieren genug. Wann beginnen wir sie umzusetzen?

Erhältlich ist Uta Ruges Buch „Bauern, Land – Die Geschichte meines Dorfes im Weltzusammenhang“ für 28 € beim Verlag Antje Kunstmann über Webcode NuL4028.

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