Naturschutzrechtliche Genehmigung für den Ausbau von WaldwegenVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 9.7.2020 – 5 K 5/16
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Im vorliegenden Fall sollte ein vorhandener Waldweg umgebaut werden. Der vorhandene Waldweg mit einer Breite von 3,00 m bis 3,50 m besteht derzeit aus dem vor Ort vorhandenen (Natur-)Bodensubstrat. Nach Aus- und Umbau soll der Weg eine Breite von mindestens 4,50 m, einschließlich zweier Bankette von je 0,5 m haben. Mit dem Ausbau soll eine Befahrbarkeit für den Schwerlasttransport (zulässige Gesamtlast von 44 t) zur Holzabfuhr gesichert werden. Hierzu soll die naturnahe Tragschicht abgetragen und eine neue Grundschicht von 25 cm bestehend aus Recyclingmaterial (Körnung 0–45 mm) ausgebracht und verdichtet werden. Die Tragschicht soll aus Gestein (Naturstein, gebrochen) sowie Sand hergerichtet werden und eine Stärke von mindestens 5 cm haben. Im Bedarfsfall soll der Weg auch zur Waldbrandbekämpfung dienen.
Der den Umbau des Waldwegs beabsichtigende Forstbetrieb ging davon aus, dass für die geplante Maßnahme lediglich eine Anzeigepflicht bestünde, da es sich um die Instandhaltung eines Weges handele, die als Maßnahme der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft privilegiert und daher nicht als Eingriff im Sinne des Naturschutzrechts anzusehen sei. Dagegen betrachtete die zuständige Naturschutzbehörde das Vorhaben als einem grundhaften Wegeausbau und damit als einen naturschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Eingriff. Sie erteilte die Genehmigung und legte gemäß § 15 Abs. 6 BNatSchG eine Ersatzzahlung in Höhe von 5.500 € zur Kompensation der Eingriffsfolgen fest.
Das Gericht entschied, dass das geplante Wegebauvorhaben tatsächlich einen Eingriff i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellt, der gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG genehmigungspflichtig ist.
Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne des BNatSchG sind Veränderungen der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können, § 14 Abs. 1 BNatSchG. Ob eine Veränderung der Grundflächen-Gestalt vorliegt, ergibt der Vergleich des – natürlichen oder von Menschen geschaffenen – Zustands vor und nach der Handlung. Aus dem konkreten Umfang der Baumaßnahmen wird deutlich, dass die Gestalt der Grundfläche erheblich verändert wird, sodass ein Eingriff i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG vorliegt.
Der Eingriff ist auch erheblich. Die konkret beabsichtigte Maßnahme kann die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen, § 14 Abs. 1 2. Halbsatz BNatSchG. Im Hinblick auf die Veränderung der Bodenbeschaffenheit, der Verbreiterung des Weges, der Bodenverdichtung und der Schaffung eines größeren Lichtraumprofils liegt ein Eingriff in das Landschaftsbild vor. Vorliegend wird mit ortsfremden Materialien ein grundhaft ausgebauter, verbreiterter Weg geschaffen, dessen Oberfläche verdichtet werden soll. Der geplante Weg unterscheidet sich erheblich von den zuvor vorhandenen naturnahen Waldwegen und prägt mithin die Landschaft als Fremdkörper.
Der Eingriff ist nicht privilegiert. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG ist die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff in Natur und Landschaft anzusehen, soweit dabei die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Der Begriff der Bodennutzung in § 14 Abs. 2 BNatSchG ist dabei auf die unmittelbare Urproduktion beschränkt. Die Freistellung gilt für die tägliche Wirtschaftsweise des Forstwirtes. Strukturelle Bodenveränderungen durch Wegebaumaßnahmen, Bodenverdichtungen und Aufschüttungen – wie im vorliegenden Fall – stehen nur in mittelbarem Zusammenhang mit der Gewinnung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse und gehören damit nicht mehr in den eingriffsfreien Bereich im Sinne des § 14 Abs. 2 BNatSchG.
Die konkret beabsichtigte Maßnahme stellt nicht lediglich die Instandsetzung eines bestehenden Weges oder die ordnungsgemäße Unterhaltung eines Verkehrsweges dar. Vielmehr handelt es sich um den systematischen, grundhaften Aus- und Umbau eines bisher aus Naturstoffen (gewachsener Boden) bestehenden Weges und um die Schaffung eines erstmals mit Fahrzeugen bis zu 44 t zulässiger Gesamtlast befahrbaren Weges. Der geplante Wegebau ist daher keine privilegierte forstwirtschaftliche Bodennutzung gemäß § 14 Abs. 2 BNatSchG und mithin nicht durch die Land- und Forstwirtschaftsklausel privilegiert. Dass der Abtransport des Holzes wirtschaftlich effizient nur durch Lastkraftwagen mit einer hohen Traglast gesichert werden kann und daher ein forst- bzw. betriebswirtschaftliches Bedürfnis für einen Ausbau der Waldwege besteht, ist als legitimes Interesse anzuerkennen, vermag jedoch keine anderweitige Beurteilung zu rechtfertigen. Dieser Umstand indiziert nicht, dass der geplante grundhafte Ausbau eines Waldweges der Urproduktion zuzurechnen ist.
Autoren
Ass. jur. Jochen Schumacher und Dipl.-Biol. Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.
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