Gehölzentwicklung als naturschutzfachliches Problem?
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In den letzten Jahrzehnten haben Gehölzbestände in Baden-Württemberg stark zugenommen. Gehölze haben zwar in bestimmten Lebensräumen eine positive Wirkung für die Artenvielfalt (Biodiversität), sie können sich aber auch nachteilig auswirken und damit die Naturschutzziele erheblich beeinträchtigen. Besonders kritisch zu sehen sind Gehölzpflanzungen in Offenlandbereichen mit Habitatfunktion für gefährdete Feldvögel (Arten der Roten Listen, Kategorie 1–3).
Für Offenlandarten können vor allem folgende Entwicklungen problematisch sein:
Gehölzpflanzung oder Gehölzsukzession auf mageren Standorten wie zum Beispiel Magerwiesen, Magerweiden, magere Säume, Steinriegel,
Gehölzpflanzung oder Gehölzsukzession in offenen Aue-/Niederungslandschaften, vor allem Feuchtgebiete, Sümpfe und Moore mit Röhricht- und Großseggenbeständen sowie extensiv genutztes oder brachliegendes Feuchtgrünland (Molinietalia),
Gehölzpflanzung auf frischen bis mäßig feuchten Standorten mit überwiegender Wiesenutzung (Arrhenatheretalia),
Aufforstung oder Sukzession auf Grenzertragsfluren oder geomorphologisch schwer zu bewirtschaftenden Bereichen wie zum Beispiel Steillagen.
Hinzu kommt als Problem für Halboffenlandarten die Verbrachung und Überalterung von Obstwiesen sowie die mangelnde Gehölzpflege bei Hecken.
Gehölze sind nicht grundsätzlich negativ oder positiv zu bewerten, es hängt vom Standort und den Habitatansprüchen der Zielarten und von der Ausprägung ab. Es ist eine differenzierte Betrachtung und Bewertung der Gehölze im Zusammenhang mit dem Standort/Umfeld erforderlich. Als Lebensraum für Vögel, Fledermäuse, Reptilien, Amphibien und Insekten zu erhalten und zu pflegen sind Ökotone/Übergangsbiotope, Leitstrukturen wie zum Beispiel gut ausgebildete Feldhecken mit blütenreichen Säumen, gewässerbegleitende Auwaldstreifen, Streuobstwiesen und reich strukturierte, gut gestufte Waldränder.
Dagegen haben strukturarme Hecken ohne Säume, die vor allem in landwirtschaftlich genutzten Naturräumen gepflanzt wurden, im Allgemeinen nur eine geringe Lebensraumfunktion und es können Konflikte mit den Lebensraumansprüchen von Offenlandarten entstehen. Maßnahmen gegen Gehölzsukzession bzw. Zurückdrängen von Gehölzen können zum Schutz von Offenlandarten erforderlich sein, dabei ist immer eine Einzelfallentscheidung notwendig.
Kernforderungen:
1. Gehölzpflanzungen dürfen nicht zur Beeinträchtigung der Biodiversität und dem Verlust von Lebensstätten gehölzmeidender Offenland-Spezialisten führen:
- In Ackerlandschaften mit Lebensstätten gefährdeter Arten statt Gehölzpflanzungen insbesondere Entwicklung von Altgrasstreifen, Bunt- und Blühbrachen, Ackerrandstreifen.
- In Grünlandgebieten mit Lebensstätten gefährdeter Arten statt Gehölzpflanzungen insbesondere Entwicklung von Extensivwiesen und -weiden sowie in untergeordneten Flächenanteilen Kurzzeitbrachen (zum Beispiel artenreiche Säume, Staudenfluren, Altgrasstreifen).
2. Zurückdrängung von Gehölzen in Bereichen mit seltenen und gefährdeten Offenlandarten:
- Regeneration von Lebensstätten seltener und gefährdeter Offenlandarten,
- vor allem auf Grenzertragsstandorten (zum Beispiel Magerrasen, Moore, Feuchtstandorte): Rücknahme von Gehölzpflanzungen/Aufforstungen/Gehölzsukzessionen).
3. Regelmäßige fachgerechte Pflege von Gehölzen im Offenland. Dies erfordert unter anderem die Überprüfung und Anpassung folgender Instrumente und Normen:
Gewässerschutz
Rücknahme der generellen Empfehlung zur Gehölzentwicklung entlang aller Gewässer: Gewässer ohne besondere Lebensraumfunktion für die Limnofauna (Gräben/temporär wasserführende Bäche) sollten ausgenommen werden,
Keine Kurzumtriebsplantagen (KUP) oder sonstige Gehölzentwicklungsmaßnahmen auf Gewässerrandstreifen im räumlichen Zusammenhang mit Lebensstätten gefährdeter Offenlandarten.
In Bereichen mit Lebensstätten gefährdeter Arten: Erhaltung besonnter Gewässerabschnitte und Förderung der Strukturvielfalt.
In Lebensstätten mindestens stark gefährdeter Offenlandarten: Ermöglichung der Rücknahme hoher Gehölzkulissen entlang von Gewässern.
Naturschutz
Der Lenkungseffekt des Bewertungssystems der Ökokontoverordnung soll zur Förderung seltener und gefährdeter Arten und Lebensraumtypen des Offenlandes stärker genutzt werden.
Eingriffsregelung: Kompensation durch Entwicklung von Lebensstätten für die im jeweiligen Naturraum seltenen und gefährdeten Biotoptypen und Arten, gegebenenfalls Bevorzugung des gleichwertigem vor dem gleichartigen Ausgleich.
Eingriffe in gesetzlich geschützte Gehölzbiotope vor allem entlang von Straßen/Bahnlinien: Möglichkeit zum Ersatz durch im jeweiligen Naturraum seltenere/hochwertigere Biotope, insbesondere Förderung von Offenland-Biotoptypen.
Biotopverbund: Im Offenland Ableitung der Maßnahmen für vorrangig schutzbedürftige Offenlandarten des Zielartenkonzepts Baden-Württemberg
Generalwildwegeplan/Wildkatzensprung: Maßnahmenumsetzung im Offenland unter Vermeidung neuer Kulissenbildung – Schwerpunkt: mehr- bis langjährige Blühbrachen, Altgrasstreifen.
Differenzierte Vorgaben für die Heckenpflege: in Lebensräumen mit seltenen/gefährdeten Offenlandarten: Förderung von niedrigeren Hecken mit Säumen im Offenland durch regelmäßiges, abschnittsweises „auf den Stock setzen“ der Gehölze, in Lebensräumen ohne seltene/gefährdete Offenlandarten: Förderung von Alt-/Totholz und Saumstrukturen (Bruthabitat und Fledermausquartiere).
Keine Ausweisung von Prozessschutzflächen/Wildnisgebieten auf Kosten artenschutzbedeutsamer Offenlandbiotope.
Entwicklung und Erhalt von rekultivierten Abbau- und Deponieflächen als Lebensstätten von Offenlandarten.
Naturschutzstrategie Baden-Württemberg: Überprüfung/Anpassung der Ziele.
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