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Brüsseler Politik erneut in Warteposition verbannt

Agrarwende-Demo in Straßburg

Nachdem ich in den letzten Ausgaben meiner Brüssel-Kolumne von einem frischen Wind in Brüssel berichtete, herrscht zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Dezember-Zeilen etwas Flaute in der EU-Hauptstadt. Diese Flaute ist dem Umstand geschuldet, dass das Europaparlament drei Kommissarskandidatinnen und -kandidaten zurückgewiesen und so eine Neubenennung und nochmalige Anhörungen erzwungen hat. Erste Termine hierfür sind vorgeschlagen, sodass Ursula von der Leyens Team hoffentlich am 1. Dezember oder spätestens am 1. Januar loslegen kann. Auf Arbeitsebene wird diese Zeit aber fleißig genutzt. Ich berichte von einer Landwirtschafts-Aktion in Straßburg und über Entwicklungen beim Thema Post-2020-Biodiversitätspolitik.

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Klima- und umweltfreundliche Landwirtschaft soll gefördert werden. Das forderten Landwirte und NGOs bei der Agrarwende-Demo in Straßburg.
Klima- und umweltfreundliche Landwirtschaft soll gefördert werden. Das forderten Landwirte und NGOs bei der Agrarwende-Demo in Straßburg.Julia Schenkenberger
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Während eine Gruppe von Landwirten in Bonn und Berlin gegen Umweltauflagen im geplanten Agrar- und Insektenpaket der Bundesregierung demonstrierte, kamen andere Vertreter dieses Berufsstandes gemeinsam mit Europaabgeordneten und Nichtregierungsorganisationen am 2. Oktober in Straßburg zusammen. Lautstark forderten sie das im Mai neu gewählte Parlament auf, sich in den anstehenden Verhandlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) für die Agrarwende einzusetzen. Öffentliche Gelder sollen genutzt werden, um eine umwelt- und klimafreundliche sowie faire Landwirtschaft zu fördern. Den offenen Brief der Verbände-Allianz mit allen Forderungen finden Sie unter WebcodeNuL4061 . Noch immer ist nicht bekannt, wie sich der neue Agrar- und Umweltausschuss des Europaparlaments positionieren wird. Aus NABU-Sicht muss der wenig nachhaltige Vorschlag des früheren EU-Agrarkommissars Phil Hogan dahin gehend verbessert werden, dass Fördervoraussetzung unter anderem das Bereitstellen von 10 Prozent Biodiversitätsfläche pro landwirtschaftlichem Betrieb ist („space for nature“). Die Plenarabstimmung über die entscheidende GAP-Verordnung erwarten wir im Frühjahr 2020.

Verbände positionieren sich zur künftigen EU-Biodiversitätsstrategie

In der November-Kolumne hatte ich erklärt, weshalb der von Ursula von der Leyen angekündigte „European Green Deal“ für Zeitdruck bei der Erarbeitung der künftigen EU-Biodiversitätsstrategie sorgt. Vor diesem Hintergrund positionieren sich derzeit die europäischen Umweltverbände und allen voran der NABU-Dachverband BirdLife Europe. Beim Verfassen dieser Zeilen war die Position zwar noch nicht verabschiedet. Diskutiert werden aber unter anderem die folgenden Forderungen:

1. Vision für 2050 und grundlegende EU-Ziele für 2030: verschiedene Ziele, die festlegen, wie viele Arten und Habitate bis 2030 in einem günstigen Erhaltungszustand sein sollen. Außerdem möglicherweise ein Flächenziel, das sich auf weitgehend nutzungsfreie Natur bezieht.

2. Hauptforderung zum Vollzug des EU-Naturschutzrechts: ähnlich dem bestehenden Verweis auf die EU-Naturschutzrichtlinien das Ziel, zum Beispiel die Gebiets- und Artenschutzbestimmungen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie bis 2030 umzusetzen und Erhaltungsmaßnahmen einzuleiten.

3. Zielvorgabe für Renaturierung von degradierten Habitaten: ähnlich der bereits jetzt in der EU-Biodiversitätsstrategie enthaltenen Idee der Wiederherstellung zerstörter Natur („Restoration“), ausgestaltet als möglichst verbindliche Regelung. Fokus auf Habitate mit Klimaschutzwirkung wie Moore oder Grünland und auf Biotopvernetzung. In marinen Schutzgebieten Wiederherstellung der Habitate vor allem durch Nichtnutzung.

4. Lebensmittelerzeugung und Verbrauch: ähnlich der bereits jetzt in der EU-Biodiversitätsstrategie enthaltenen Bezugnahme Adressierung an die Treiber des Biodiversitätsverlusts (Landwirtschaft, Fischerei). Möglichst verbindliche Vorgaben für 10 Prozent nutzungsfreie Fläche pro landwirtschaftlich genutztem Betrieb („space for nature“), für Pestizidreduktion und Vorgaben gegen nichtnachhaltige Fischerei.

5. Handel: Ziele zur Beschränkung des illegalen Wildtierhandels und der Regenwaldabholzung und zur Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten.

6. Naturschutzfinanzierung: Bezugnahme auf die bereits in verschiedenen Zusammenhängen (zum Beispiel Impact Assessment der Verordnung des LIFE-Naturschutzprogramms) genannten Summe für die dauerhafte Sicherung des Netzes Natura 2000 (15 Milliarden Euro jährlich auf EU-Ebene plus 5 Milliarden Euro Eigenmittel der EU-Mitgliedstaaten für die landseitigen Schutzgebiete, 1 Milliarde Euro jährlich für marine Schutzgebiete). Kostenschätzung für das Renaturierungsziel (nicht zwangsweise umfänglich öffentliche Gelder).

7. „Governance“-Vorgaben: Forderung, verbindliche Ziele mit klaren Zwischenschritten festzuschreiben und EU-Kommission (sowie Mitgliedstaaten) insgesamt für die Umsetzung verantwortlich zu machen (nicht nur das Umweltressort).

Die Forderungen von BirdLife Europe (Homepage sieheNuL4061 ) dürften zum Zeitpunkt Ihrer Lektüre bereits abgestimmt sein.

Debatte über globales Post-2020-Biodiversitäts-Abkommen

Auch die Debatte über die Verhandlung des Folgeabkommens einer globalen Biodiversitätsstrategie (ich berichtete in der Oktober-Kolumne) schreitet voran, wenn auch noch auf eher abstrakter Ebene. Ende Oktober fand ein vom BfN organisierter internationaler Expertenworkshop in Bonn statt. Aufbauend auf den vorliegenden Dokumenten des ersten Treffens der unbefristeten Arbeitsgruppe („OEWG“) wurden Empfehlungen für das Treffen des Beratungsausschusses („Subsidiary Bodies on Scientific, Technical and Technological Advice, „SBSTTA“) vom 25. bis 29. November diskutiert.

Verschiedene Unterthemen werden auf separaten Treffen weiter vorangetrieben, etwa zur Wiederherstellung („Restoration“) Anfang November oder zur Naturschutzfinanzierung Anfang Januar 2020 in Berlin. Das zweite Treffen der OEWG findet ab dem 24. Februar 2020 in Kunming statt. Spätestens 30 Tage vorher soll als Diskussionsgrundlage ein sogenannter „Zero Draft“ eines Textes für das künftige Abkommen vom Sekretariat der Biodiversitätskonvention (CBD) vorliegen.

Umweltverbände wie BirdLife International haben bereits grundlegende Kernforderungen für die Struktur des künftigen Abkommens ans Sekretariat der Konvention geschickt. Unter WebcodeNuL4061 können Sie diese einsehen. Im nächsten Schritt geht es darum, für die einzelnen Themen und Elemente des Abkommens möglichst konkret Ziele und Indikatoren vorzuschlagen und dabei vor allem auch die Treiber wie Landwirtschaft zu adressieren.

Autor

Der Rechtsanwalt und Umweltrechtsexperte Raphael Weyland arbeitet seit 2015 für den NABU in Brüssel, unter anderem zum Thema EU-Naturschutzrecht.

 

Dr. Raphael Weyland, NABU, Büroleiter Brüssel

Raphael.Weyland@NABU.de

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